«Wer hat so lange geduscht? Es hat kein Warmwasser!», schreit der neuseeländische Profi-Gamer Makenzie «Patraeus» Smith durch die WG. Angesichts eines leeren 600-Liter-Boilers muss man das vielbemühte Klischee des ungepflegten Gamers schon einmal relativieren.
Überhaupt könnte man beim Betreten der alten Käserei in Kirchlindach denken, es sei die Unterkunft von vier disziplinierten Chemiestudentinnen. Es ist perfekt aufgeräumt. Der Duft von Dosentomaten ist wahrlich nicht penetrant und doch verbreitet er sich subtil in der Wohnung – später wird in der Stube selbst gemachte Lasagne gegessen. Auf der Terrasse mit Wintergarten-Ambiente gibt es Sitzsäcke, auf denen man gerne einmal den Tag ausklingen lässt. Eigentlich eine total normale WG, wenn da nicht das Obergeschoss wäre. Dort befindet sich ein Raum, der mit acht Computern ausgerüstet ist. Professionelle Computerspieler üben hier ihren Beruf aus.
Die WG ist das Herzstück des Vereins «mYinsanity» (mein Wahnsinn). Die Studenten Cedric Schlosser, Remo Blaser, Jan Hagedorn und Andreas Megert sind gute Freunde und haben ihr Hobby bis an die Grenze zur Professionalität ausgebaut. Alles begann damit, dass die Hobby-Gamer beim Spielen bei sich ein ausgeprägtes Wettkampfdenken entwickelten. Die vier Berner entdeckten daraufhin, dass es für Gamer Turniere gibt – da war es um sie geschehen.
Doch Gamen auf Topniveau ist mehr als eine einfache Freizeitbeschäftigung. Nur wer Talent und genügend Zeit für Training aufwendet, kann es zu den Besten schaffen. Blitzschnelle Entscheidungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit über Stunden und bedingungsloser Ehrgeiz sind Merkmale eines Spitzensportlers. Genau diese Fähigkeiten braucht auch ein Spitzen-Gamer.
Den Plan, selbst Spitzen-Gamer zu werden, mussten die vier Freunde bald ad acta legen. Der Zug an die Spitze war bereits abgefahren. Zum Trainieren hatten sie mitten in der Ausbildung zu wenig Zeit. Das Quartett beschloss, einen Verein für Spitzenspieler zu gründen, so in die Szene hineinzufinden und weiterhin nur hobbymässig Tastaturen und Mäuse zu behämmern. Spezialisiert haben sie den Verein auf das Strategiespiel «Starcraft 2», bei dem möglichst schnell eine Armee aufgebaut werden muss. Wie beim Schach muss man danach mit verschiedenen Angriffstaktiken den Gegner ausrotten. Gespielt wird in Echtzeit, so hat man kaum Bedenkzeit für Entscheidungen.
Fürs Gamen werden die jungen Talente der WG bezahlt. Seit der Gründung im Jahr 2009 können die Jungunternehmer Sponsorengelder ins Bernbiet leiten. Computerzubehör-Hersteller, Software-Entwickler und Hersteller für Kleidung speziell für Gamer liefern die nötigen Mittel. «Für diese Firmen ist es gut, wenn wir als weltweit konkurrenzfähiges Team ihre Produkte nutzen», führt Remo Blaser aus, «für Nike ist es auch gut, wenn Ronaldo ihren Schuh trägt».
Der Verdienst der Spieler setzt sich aus zwei bis drei Bestandteilen zusammen. Von den Sponsorengeldern des Vereins erhalten manche Spieler einen Lohn, weitere 200 bis 600 Franken im Monat verdienen sie über Twitch, eine Internetplattform, auf der Zuschauer Geld bezahlen, um Gamern beim Spielen zuzusehen. Ausserdem reisen die Profis von Kirchlindach aus an Turniere in Europa, wo es Preisgelder zu gewinnen gibt. So kann es ein Spieler monatlich auf etwa 2500 bis 4000 Franken bringen.
Auch von den Verhältnissen in der WG profitieren die Spieler. «Unsere WG ist attraktiv, weil die Spieler sich hier auf das Gamen konzentrieren können», erklärt Blaser. Zudem unterhielten sich die Gamer hier direkt mit ihren Mitspielern, um Fehler zu verbessern und neue Tricks zu lernen. Und Europa biete sehr attraktive, weil hochdotierte Turniere. Deshalb gelingt es dem Verein immer wieder, ausländische Topspieler in die WG zu holen – etwa aus Südkorea.
Dort ist Computer spielen eine Art Nationalsport. Stadien werden regelmässig gefüllt und die Wettkämpfe im Fernsehen übertragen. Da kommt es dem Verein «mYinsanity» sehr entgegen, dass Südkoreaner die Schweiz lieben. «Jeder Koreaner möchte einmal die Schweiz mit den Alpen besuchen. Das ist für uns ein Trumpf», erzählt Blaser mit schelmischem Lächeln. Ein Südkoreaner sei einmal, nachdem er in Kloten gelandet war, in einen Souvenirshop gestürmt und habe mit grossem Stolz ein Taschenmesser gekauft.
Die Studenten haben keinen genauen Plan, wie sie ihr Start-up weiterentwickeln wollen. Denkbar sei vieles: in Deutschland eine weitere WG eröffnen, sich auch noch in anderen Games an die Spitze zu arbeiten oder den Verein dereinst in eine Firma umwandeln. Sie hoffen auch, dass sie dazu beitragen, Gamen als Sport in der Schweiz tiefer zu verankern.
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