Die vielleicht beste deutschsprachige Krimi-Serie aller Zeiten ist zurück. Und mit ihr das deutsch-östereichische Ermittlerduo Stocker/Winter, das in der ersten Staffel einen psychopathischen Serienmörder jagte, den «Krampuskiller».
Die Sky-Original-Produktion stiess 2019 beim Publikum und den Filmkritikern auf Begeisterung und die Macher der «Alpin Noir»-Serie heimsten diverse Preise ein.
Nun gibt es seit dem 21. Januar die Fortsetzung bei Sky Show. Dieser Review enthält keine Spoiler zur zweiten Staffel. Stattdessen klären wir die Frage, ob es tatsächlich gelungen ist, an den Überraschungserfolg anzuknüpfen.
Wichtiger Hinweis: Wer die preisgekrönte erste Staffel noch nicht gesehen hat, sollte dies unbedingt vor dem Einstieg in die acht Folgen der zweiten Staffel tun. (Dazu muss man kein Geld ausgeben, wie weiter unten erklärt wird 😉)
Falls du 2019 in einer Höhle verbracht hast (oder sonst wo ohne Internet), sei hier nochmal auf den Review zur ersten Staffel von «Der Pass» verwiesen. Es handelt sich um eine deutsch-österreichische Produktion aus der «Sky-Originals»-Reihe, die auch schon mit Serien wie «Babylon Berlin», «Chernobyl» und «Gomorrha» für Furore gesorgt hat.
Die zweite Staffel setzt da an, wo es schlimm endete. Und erneut gilt es für die Kriminalpolizei im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Österreich einen brutalen Mörder zu überführen. Und auch wenn das Publikum schon früh erfährt, um wen es sich dabei handelt, macht dies die Serie nicht weniger spannend und nervenaufreibend. Im Gegenteil!
Drei Schüsse durchs Fahrerfenster. Das war die Rache, weil Inspektor Winter den Sohn des «Calafati», eines Mafiabosses, wortwörtlich ans Messer geliefert hatte.
«Der Pass», eines der vielen internationalen Remakes des dänisch-schwedischen Originals «Die Brücke», schien schon mit der ersten Staffel an ihrem Ende angelangt.
Einer der Serien-Macher verriet:
Und so wird Winter erfolgreich wiederbelebt nach dem dramatischen Ende von Staffel 1. In den Kopf geschossen zwar und ins künstliche Koma versetzt. Aber das kann einen Verrückten höchstens bremsen, nicht stoppen.
Was habe ich mich auf den Wiener Schmäh gefreut. Die schnoddrige Art. Die frechen Sprüche.
Und was ist mit den Drogen, die Winter in allen unmöglichen Situationen hemmungslos konsumierte?
Fragt sich nur, wie er mit den Schatten der Vergangenheit klarkommt. Oder ob sie ihn endgültig zerstören.
Nachdem in der bergigen Grenzregion zwischen Berchtesgaden und Salzburg die Leiche einer jungen Frau entdeckt wird, ahnen die Ermittler noch nicht, dass sie es mit einem psychopathischen Serientäter zu tun bekommen.
Wie schon in der ersten Staffel von «Der Pass» wird die Identität des Mannes rasch gelüftet. Im Vordergrund steht die Frage, ob und wie es der deutsch-österreichischen Ermittlungsgruppe gelingt, ihn zu finden und zu stoppen.
Der renommierte Fallanalytiker («Profiler») Alexander Horn hat die Produktion wie schon in Staffel 1 beraten. Man kann also davon ausgehen, dass hier einiges an kriminalistischer Erfahrung und Know-how ins Täterprofil einfloss.
Ein Kollege von der schreibenden Zunft brachte es auf den Punkt: In bester «Game of Thrones»-Manier würden vermeintlich unverzichtbare Figuren geopfert. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur noch so viel: Die zweite Staffel nimmt nur langsam Fahrt auf. In den ersten Folgen werden neue Charaktere eingeführt und vorgestellt.
Dann aber entwickelt sich daraus ein komplexes und fesselndes Psychodrama. Der Krimi wird zum Thriller. Wobei ich mich mehr als einmal an den Kultfilm «Das Schweigen der Lämmer» erinnert fühlte. Denn als Zuschauer begleitet man nicht nur die Ermittler hautnah, sondern auch den Täter.
Anzumerken bleibt, dass die Serien-Macher zum Glück auf ausufernde Gewaltdarstellungen verzichten.
Ich kann mich nur wiederholen: Österreichisch, und vor allem Wienerisch, ist perfekt für einen Alpen-Thriller.
Für die musikalische Begleitung wurden übrigens die Hollywood-Legende Hans Zimmer (Produktion) und der amerikanische Komponist Jacob Shea hinzugezogen.
Die Jagd auf Wildtiere ist ein zentrales Thema der Staffel. Da meine Frau in Ausbildung zur Jägerin ist, verfolgten wir die Szenen, die das Jagdhandwerk zeigen, sehr aufmerksam.
Es fielen uns einzelne Unstimmigkeiten auf. So war etwa fälschlicherweise von einer «Flinte» statt «Büchse» die Rede. Mit ersterer verschiesst man Schrotkugeln auf kurze Distanz, mit letzterer Gewehrmunition, also Einzelkugeln, die dank gezogenem Lauf präziser und weiter fliegen. Und dann gäbe es noch Kombiwaffen wie Bockbüchsflinten.
Aber genug der Klugscheisserei! 😅 Vor allem hat beim Zuschauen genervt, dass Jäger wie häufig in Serien und Filmen als trophäengeile Tierquäler inszeniert werden.
Humor.
Gedeon Winter dürfte viel mehr Wiener Schmäh bieten, wenn es nach mir ginge. Aber er ist natürlich froh, überhaupt noch hier zu sein und muss seine Kräfte einteilen.
«Der Pass» ist bezüglich Inhalt und Schauplätzen eine durch und durch düster-deprimierende Angelegenheit.
«Alpin Noir» halt.
Nicht nur die Tourismus-Verantwortlichen in Salzburg hoffen vergeblich auf Filmszenen mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Zu den beklemmend engen Tälern und schroff aufragenden Felsen gibt's ständig grauen Himmel. Und selbst der (wenige) Schnee wirkt gelb-schmutzig.
PS: Dem Vernehmen nach mussten die Produzenten wegen der milden Temperaturen mit allen Tricks arbeiten: Kunstschnee, digitale Flocken und echte Schneemassen, die aus einem benachbarten Skigebiet angekarrt wurden.
Gestandene Film- und Serien-Kritiker sind gespalten, wie selten. Die zweite Staffel polarisiert.
Oliver Kaever vom «Spiegel» bezeichnet es als Fehler, dass «Der Pass» nach «acht sagenhaft abgründigen Folgen» (der ersten Staffel) überhaupt fortgesetzt wurde.
Hingegen zeigt sich Claudia Tieschky von der «Süddeutschen Zeitung» auch von Staffel 2 begeistert:
Mein persönliches Fazit: «Der Pass» ist auch in der Fortsetzung eine sehr gelungene, absolut sehenswerte Serie. Den ungeheuren Sog der ersten Staffel vermisst man vor allem zu Beginn. Dann nimmt die Geschichte aber Fahrt auf.
Dank des erneut grossartigen Nicholas Ofczarek und gleich zwei starken Partnerinnen schaut man über inhaltliche Schwächen hinweg, so wie bei «True Detective» S02.
Das vorletzte Wort soll unser Held haben:
Bei Sky Show. Das Serien-Angebot des deutschen Streaming-Anbieters ist auch in der Schweiz verfügbar und kann während sieben Tage kostenlos getestet werden.
Wer die 1. Staffel noch nicht gesehen hat, kann dies momentan in der Mediathek von 3sat nachholen. Natürlich ist das Spektakel auch über ein Sky-Show-Abo verfügbar.
Bildnachweis: Sky Deutschland/W&B Television/epo-film/Hendrik Heiden