Google bringt sein Pixel-Smartphone erstmals in die Schweiz – und ja, ich bin ein wenig aus dem Häuschen. Das Pixel ist nicht irgendein Handy; es ist das Android-Pendant zu Apples iPhone: Hochwertige Hardware und Software aus einer Hand, schnelle Sicherheits-Updates und neu einen garantierten Software-Support für sieben Jahre zeichnen Pixel 8 und Pixel 8 Pro aus.
Die Google-Phones kommen mit dem brandneuen Android 14 und werden – sofern der jährliche Releasezyklus beibehalten wird – im Oktober 2030 noch Android 21 erhalten. Kein anderer grosser Smartphone-Hersteller bietet einen besseren Software-Support.
Damit man die Geräte tatsächlich sieben Jahre oder länger nutzen kann, verspricht Google neu auch sieben Jahre lang Ersatzteile wie Akkus und Displays bereitzustellen. Das Portemonnaie und die Umwelt danken es.
So weit, so gut. Aber kann das Pixel 8 Pro auch etwas? Ich konnte es vor dem Marktstart am Donnerstag eine Woche testen.
Bei Googles Pixel ist die Software der Star. Trotzdem müssen wir zunächst ein paar Worte zu Hardware und Design verlieren. Ich beziehe mich auf das 999 Franken teure Pixel 8 Pro, vieles gilt aber auch für das kleinere Pixel 8 (719 Franken).
Ich halte zum ersten Mal ein Pixel in der Hand und bin für einen kurzen Moment ernüchtert. Die mattblaue Rückseite ist zwar nett anzuschauen, aber weniger blau, als es die Werbebilder des Pixel 8 Pro glauben machen. Der markante Kamera-Balken wirkt hingegen in natura eher besser als auf den Fotos.
Der «Farbschock» ist rasch verdaut und die meisten Kunden werden ohnehin zum mattschwarzen Modell greifen. Das neue Google-Phone fühlt sich zwar ausgesprochen hochwertig an, aber insgesamt fehlt dem Design der Wow-Effekt. Es sieht einfach wie ein Pixel aus – und das ist natürlich auch okay so.
Das Pixel 8 Pro hat ein sehr grosses, 6,7-Zoll-OLED-Display mit schmalen, aber nur fast symmetrischen Rändern. Direkt neben einem iPhone 15 Pro Max fällt der minim dickere, untere Rahmen auf.
Das Pixel 8 Pro hat ähnliche Masse wie Apples iPhone 15 Pro Max und Samsungs Galaxy S23 Ultra, ist aber etwas leichter. Das Pixel-Display leuchtet im direkten Sonnenlicht noch heller als die bereits strahlend hellen Bildschirme der Rivalen und ist wohl das beste Display, das ich je gesehen habe. Display und Rückseite werden durch Gorilla Glass Victus 2 geschützt, das besonders robust und kratzfest ist.
Der Funke sprang bei mir endgültig über, als ich das Gerät eingerichtet hatte. Mit Googles Original-Android 14 und 12 GB Arbeitsspeicher läuft das Google-Phone extrem flüssig. Die aufgeräumte und benutzerfreundliche Oberfläche kommt ohne unnötige Apps (Bloatware) daher und lässt sich – sofern man dies möchte – bis ins Detail personalisieren. Klar, wer im Apple- oder Samsung-Ökosystem zu Hause ist, wird einige proprietäre Funktionen wie AirDrop vermissen, aber das kann man Google nun wirklich nicht ankreiden.
Am besten gefallen mir die ausgezeichnete Kamera und Googles neue KI-Tricks, die selbst aus mir einen Photoshop-Künstler machen (dazu später mehr).
Es sei auch erwähnt, dass Googles in Zusammenarbeit mit Samsung entwickelter Tensor-G3-Chip zwar effizient und für KI-Aufgaben optimiert ist, aber nicht mit den allerbesten Mobile-Prozessoren mithalten kann. Dies macht sich glücklicherweise nur in wenigen Situationen negativ bemerkbar, etwa wenn ein Video direkt auf dem Smartphone bearbeitet wird. Das Pixel benötigt dafür spürbar länger als ein neues Apple- oder Samsung-Gerät.
Die Akkulaufzeit lässt sich nach nur knapp einer Woche nicht abschliessend einschätzen, da ich das neue Handy in den letzten paar Tagen viel intensiver genutzt habe, als ich dies im Alltag sonst tun würde. Mit (sehr) intensiver Nutzung hatte ich spät abends noch 15 Prozent bis 40 Prozent Akku. Ich vermute, dass der gut 5000 mAh grosse Akku für die meisten User problemlos ein bis zwei Tage Laufzeit bietet.
Der Akku ist nach einer halben Stunde via USB-C (Ladegerät wird nicht mitgeliefert) zu 50 Prozent geladen, kabelloses Laden, etwa im Auto, ist ebenfalls möglich.
Sind wir ehrlich: Apple und Samsung bauen mindestens so gute Smartphones, wenn man rein auf die Hardware schaut.
ABER:
Googles Ass im Ärmel sind die immer vielfältigeren KI-Funktionen, die manch andere Smartphones beinahe dumm aussehen lassen. Das Pixel kann Webseiten, Untertitel in Videos, aber auch Chat-Nachrichten und Unterhaltungen fast in Echtzeit übersetzen, um sich mit Menschen in anderen Sprachen zu verständigen. Es kann den Inhalt von Webseiten zusammenfassen, bei Videos sowie Telefon- und Videoanrufen automatisch Untertitel erzeugen und lässt dich ohne Bildbearbeitungskenntnisse Fotos bearbeiten.
Viele weitere KI-Funktionen laufen unsichtbar im Hintergrund, etwa wenn beim Telefonieren laute Hintergrundgeräusche automatisch gefiltert werden oder beim Fotografieren der früher nutzlose Digital-Zoom plötzlich verblüffend gute Fotos knipst.
Die Kamera war beim Pixel meist das Prunkstück, und das ist auch dieses Jahr nicht anderes. Die Bildqualität ist für ein Smartphone exzellent und überzeugt in allen von mir getesteten Situationen. Googles KI ermöglicht (für Laien) professionell wirkende Fotos und Videos und das 5-fach-Teleobjektiv, das für ein Smartphone erstaunlich gute Zoom-Aufnahmen ermöglicht, ist das Tüpfelchen auf dem i.
Gute Fotos und Videos machen auch die Top-Geräte von Apple und Samsung. Google hebt sich von den Rivalen durch neue KI-Anwendungen ab, die noch mehr aus Fotos und Videos herausholen, sofern man dies will. Das Pixel 8 Pro ist quasi das Handy mit integriertem Photoshop für Dummies, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Neu können mit der Funktion «Beste Aufnahme» Gesichter mit Grimassen oder geschlossenen Augen nachträglich mit wenigen Fingertipps mit einer besseren Variante ausgetauscht werden. Gedacht ist dies für Familien- und Gruppenfotos, wenn trotz mehrerer Aufnahmen nie alle gleichzeitig in die Kamera schauen oder jemand unvorteilhaft aussieht.
Googles KI merkt also, wenn man versucht ein Gruppen- oder Familienfoto zu machen. Nachträglich kann für jede Person das optimale Gesicht ausgesucht werden. Dies funktioniert ziemlich gut und ich konnte so auch vor Jahren geknipste Fotos binnen Sekunden «reparieren». Leider ist diese wirklich nützliche Funktion vorerst nur für Pixel 8 und 8 Pro verfügbar.
Das Highlight ist der Magic Editor, der auch für ältere Pixel kommt: Bislang konnte man in Googles Foto-App mit dem magischen Radierer störende Menschen oder Objekte im Hintergrund entfernen. Mit dem Magic Editor können nun zusätzlich Menschen und Objekte beliebig verschoben oder ihre Grösse verändert werden. Das funktioniert schon jetzt sehr gut und wird mit immer besseren KI-Modellen laufend besser.
Im Vergleich zu Googles bisherigem, magischen Radierer, der auch für andere Android-Handys und gar das iPhone verfügbar ist, scheint der neue Magic Editor für Pixel-Geräte weit bessere Resultate zu liefern.
Vermutlich haben alle Fotos auf dem Smartphone, die eigentlich toll wären, aber leider unscharf sind. Auch dies lässt sich nun ohne Photoshop lösen. Wunder sollte man aber nicht erwarten, Fotos werden zwar geschärft und sehen deutlich besser aus, aber das Resultat ist nicht perfekt.
Die überarbeitete Kamera-App ist vollgepackt mit Funktionen und trotzdem sehr übersichtlich. Fotos mit Langzeitbelichtung oder Videos im Kinofilm-Look mit weichgezeichnetem Hintergrund lassen sich so mit wenigen Fingertipps erstellen. Ambitioniertere Fotografen können Verschlusszeit, ISO etc. auch manuell wählen und Fotos für die weitere Bildbearbeitung als 12- oder 50-Megapixel-RAW-Dateien speichern.
Mit dem neuen Audio-Radierer lassen sich störende Geräusche in Videos dämpfen oder ganz entfernen. Die KI versucht hierzu Hintergrundgeräusche wie Wind oder laute Menschenmengen zu erkennen. Mit einem Schieberegler kann eingestellt werden, wie stark das störende Geräusch reduziert werden soll. Alternativ kann man auch Sprache, respektive Unterhaltungen entfernen und die Hintergrundgeräusche lassen, wie sie sind. All dies funktioniert bereits ziemlich gut – und wird künftig immer besser werden.
Eine weitere praktische KI-Funktion ist in der Schweiz bisher nicht verfügbar: Mit dem Anruf-Filter nimmt der Google Assistant Anrufe von unbekannten Nummern ab und versucht herauszufinden, wer, warum anruft. Anschliessend kann man entscheiden, ob man den Anruf selbst annehmen möchte.
Mit dem Temperatursensor in der Kameraleiste des Pixel 8 Pro «könnt ihr prüfen, ob die Pfanne auf dem Herd heiss genug ist, um mit dem Kochen anzufangen – oder ob euer Teewasser bereits die richtige Temperatur hat», schreibt Google. Der Sensor kann allerdings die Lufttemperatur nicht messen und ist auch nicht zur Fiebermessung zugelassen. So bleibt das Ganze vorerst eher ein Gimmick.
Wirklich nützlich ist hingegen, dass die neue Gesichtsentsperrung endlich das höchste Sicherheits-Level erfüllt und für E-Banking und Zahlungs-Apps wie Google Wallet (Google Pay) genutzt werden kann. Allerdings funktioniert dies erst, wenn die Android-App deiner Bank das biometrische Anmelden per Gesichts-Scan unterstützt.
Das Entsperren per Gesicht funktioniert übrigens (zumindest bei mir) im Dunkeln nicht, Google stellt wohl Sicherheit vor Bequemlichkeit. Apropos Datenschutz: Beim Pixel ist Googles VPN kostenlos im Betriebssystem integriert und der Zugriff auf Mikrofon und Kamera kann analog zum Flugmodus bequem in den Schnelleinstellungen ein- und ausgeschaltet werden.
Das Pixel 8 Pro ist ein technisch hervorragend ausgestattetes Smartphone mit Original-Android, das in den nächsten sieben Jahren regelmässig Funktions- und Sicherheitsupdates erhalten wird. Zusammen mit Googles Titan-M2-Sicherheitschip, der endlich sicheren Gesichtsentsperrung und Googles kostenlos integriertem VPN, dürften persönliche Daten besser als in den meisten anderen Smartphones geschützt sein.
Design und Verarbeitung sind auf Augenhöhe mit Apple und Samsung, aber bei der Geschwindigkeit hinkt Google beiden weiterhin hinterher. Im Alltag habe ich davon – abgesehen von der langsameren Videobearbeitung – nichts bemerkt. Aktuell gilt aber: Wer den schnellsten Prozessor will, kauft bei Apple. Wer eine Top-Handy-Kamera, möglichst lange Software-Updates und Googles KI-Funktionen für Bildbearbeitung etc. möchte, macht mit dem Pixel nichts falsch.
Googles Update- und Ersatzteile-Garantie für sieben Jahre ist vorbildlich. Apple liefert in der Regel 5 bis 6 Generationen iOS-Updates. Bei Samsung sind es 4 Android-Updates und 5 Jahre Sicherheitsupdates und bei Fairphone 5 Android- und mindestens 8 Jahre Sicherheitsupdates.
Das Pixel 8 Pro gibt es ab dem 12. Oktober ab 999 Franken, das kleinere Pixel 8 ab 719 Franken. Das technisch etwas schwächere Pixel 7a kostet 469 Franken. Vorbesteller eines Pixel 8 (Pro) erhalten die Kopfhörer Pixel Buds Pro oder die Google Pixel Watch 2 kostenlos dazu.
Grillmeatsbeer
bärn