Als einfacher Strassendieb Basim klauen wir uns zu Beginn der Geschichte durch den Alltag und erledigen für einen guten Freund das eine oder andere illegale Geschäft. Der junge Mann hat ein besonders schnelles Händchen, weckt damit die Aufmerksamkeit der Assassinen-Bruderschaft und liebäugelt insgeheim damit, ein Mitglied dieses ominösen Bundes zu werden.
Als sich die Ereignisse überschlagen, wird sein Traum Wirklichkeit. Basim begibt sich in die Hände der verhüllten Männer und Frauen und wird zu einem Assassinen ausgebildet, der Schritt für Schritt wichtige Aufträge ausführt. In Bagdad des neunten Jahrhunderts schliessen wir uns dem Kampf gegen die Organisation «Die Verborgenen» an, die hinter den Kulissen die Weltgeschichte beeinflusst und steuert.
Parallel werden wir Zeuge, wie Basim immer wieder unter Alpträumen und übersinnlichen Begebenheiten leidet. Sind es Visionen, kann er die Zukunft voraussagen oder schlummert in ihm gar die Bürde eines Auserwählten? In den nächsten knapp zwanzig Spielstunden werden wir die eine oder andere Antwort erhalten.
Schon nach den ersten Spielstunden wird ersichtlich, dass sich «Mirage» von den ausufernden Vorgängern wie «Valhalla» oder «Odyssey» distanziert hat. Die Heldenreise beginnt schnell, die Ziele sind klar und die Karte bleibt übersichtlich. Zwar gibt es auch hier einige Nebenmissionen und deckt man die Karte Schritt für Schritt auf winken zahlreiche Symbole nach Aufmerksamkeit und Ablenkung, doch alles bleibt überschaubar und das Gefühl einer Übersättigung will sich nicht einstellen.
So folgen wir denn der stringent erzählten Geschichte und tun das, was wir in den frühen Abenteuern hauptsächlich getan haben: Wir schleichen herum, infiltrieren diverse Gebiete und Häuser, sammeln Infos zu Figuren, führen Attentate aus, kämpfen uns auch schon mal durch eine Horde von Gegnern, wenn wir entdeckt wurden, und flüchten aus der Zone, bis der Alarm verstummt ist.
Nebenbei sammeln wir viele Kostbarkeiten, schalten neue Waffen frei, verbessern diese und leveln unseren Helden minimalistisch aber bestimmend nach oben, um aus ihm einen perfekten Assassinen zu basteln. Mittels Adler erkunden wir die Umgebung von oben, locken pfeifend die Gegner in den Hinterhalt, tauchen unter und besuchen via Reittier entfernte Gebiete, um dort die Mission voranzutreiben. Und selbstverständlich klettern wir Gebäude hoch, hangeln uns an Felswänden entlang und balancieren zwischen den Häuserschluchten.
Auch wenn Basim die direkte Konfrontation erlernt, will uns das Spiel storytechnisch immer wieder in die Schleichschiene dirigieren. Doch wie wir eine Mission erledigen, ist uns überlassen. Wer geduldig im Schatten und verborgen bleibt, um sein Ziel zu erreichen, wird fast schon nostalgische Gefühle erleben und sich wohlig zurückerinnern, als man sich mit den ersten «Assassin’s Creed»-Games mit dieser Methode die Nächte um die Ohren schlug.
Wer den offensiven Weg der Gewalt wählt, wird schnell bemerken, dass wir es hier im späteren Spielverlauf immer mehr mit stärkeren Gegnern zu tun bekommen, die dann doch eine taktische Note verlangen, damit sie zu Boden gehen. Nebst dem omnipräsenten Schwert gibt es noch andere Hilfswaffen, die sich in solchen Situationen als nützlich erweisen. Wurfmesser, Rauchbomben oder Blaspfeile kommen dann endlich zum Einsatz und lassen ihre Existenz-Frage sofort verpuffen.
Optisch hinterlässt «Mirage» einen zwiespältigen Eindruck: Die Welt rund um Bagdad wurde beschaulich und detailverliebt in Szene gesetzt. Mit diversen Distrikten, die sich via Flora und Fauna unterscheiden und von uns mit einer kurzen Reise besucht werden wollen, wird Abwechslung geschaffen.
Das Leben in der Stadt als auch auf dem Lande pulsiert und es gibt viel zu entdecken, wenn man denn überhaupt auf Erkundung aus ist. Das Ganze wird stets mit wunderschönen Wettereffekten untermalt und die Musik dudelt atmosphärisch nebenher und schwillt in dramaturgisch wichtigen Momenten an den richtigen Stellen an. Kurz: Die Atmosphäre stimmt und heisst uns mit offenen Armen stets willkommen.
Schaut man jedoch etwas genauer hin, fallen Unsauberkeiten auf: Viele Klone, die sogar in Zwischensequenzen nebeneinander stehen, schwirren herum, Menschen laufen durch andere hindurch, Objekte tauchen plötzlich auf und verschwinden wieder und bei den Cutscenes müssen wir uns mit schrecklicher Haarphysik, toten Augen und Animations-Minimalismus begnügen. Die optische, atmosphärische Schönheit rückt sich zwar immer wieder ins Zentrum, doch die Hässlichkeit folgt ihr manchmal sehr dicht auf den Fersen.
«Mirage» wird euch storytechnisch nicht mit offenem Mund zurücklassen. Wohin die Reise geht, riecht man schon von weitem und die Figuren in diesem Videospiel funktionieren genau so, wie man es auch von ihnen erwarten würde.
Nein, «Mirage» erschüttert das «AC»-Universum überhaupt nicht. Man fühlt regelmässig, dass das Spiel ursprünglich als DLC für «Valhalla» gedacht war und es diverse Querverweise gibt, die erst Sinn machen, wenn man tiefer in die Materie eingetaucht ist.
Doch auch ohne Vorkenntnisse und Assassinen-Wissen funktioniert die Geschichte dann doch, sprich man kann ihr erstaunlich gut folgen. Das einfache Spielprinzip von Suchen, Töten und Verschwinden ist ja auch verständlich und im Spielekosmos fast schon universell gültig.
Kopfschütteln verursacht aber zuweilen unser Protagonist. Basim ist manchmal richtig unsympathisch, dann hat man wieder Mitleid mit ihm und im nächsten Moment lassen seine Handlung und Wortwahl nur Fragezeichen im Raum.
Fazit: Auch wenn mir die Geschichte stellenweise egal war, ich mit dem Helden nicht immer einer Meinung war und die teilweise grobschlächtige Technik meine Augen rollen liess, hatte ich ungemein viel Spass mit «Mirage» und war stets motiviert, die Reise mit Basim zu Ende zu bringen.
Nach den überbordenden Vorgängern war meine Lust auf die «Assassin’s Creed»-Marke unglaublich klein und ich war sehr skeptisch, ob ein neuer Ableger das Feuer wieder entfachen würde. Doch siehe da, es hat funktioniert. Das Assassinen-Feuer brennt dank «Mirage» wieder lichterloh.
Schuld daran ist vor allem die Linearität und Kompaktheit, die mich an den Bildschirm fesselten. Knackige Schleich-Missionen, kurze Wege und übersichtliche Karte haben mir eine gute Zeit beschert und erinnerten mich an den Beginn der Spielreihe, als die Ubisoftformel noch keinen negativen Beigeschmack in sich trug.
Wer mit der Reihe also schon innerlich abgeschlossen hat, der sollte unbedingt mal einen Blick auf «Mirage» riskieren. Nie war ein spielerischer Rückschritt schöner und angenehmer.
«Assassin’s Creed Mirage» ist erhältlich für Playstation 5, Playstation 4, Xbox Series X/S, Xbox One und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.