Kauft eigentlich irgendjemand noch E-Reader? Diese Frage hört man immer wieder. Dass es aber so sein muss, beweist die Tatsache, dass Tolino kürzlich gleich drei neue E-Reader auf den Markt gebracht hat:
Weiterhin im Sortiment bleibt der vor einem Jahr erschienene Tolino Shine 3 für 129 Franken.
Ich konnte zwei der vier aktuell angebotenen Geräte ausgiebig testen: den Tolino Shine 3 und den Tolino Vision 5. Beim Praxistest hat mich – nebst der Funktionalität – vor allem die Frage interessiert, ob sich ein teurer E-Reader wirklich lohnt.
Bei eBook-Readern stellt sich natürlich immer die Frage, warum man sich einen solchen zulegen sollte, wenn man doch einfach ein richtiges Buch kaufen kann. Das ist sicher ein Argument, doch ein eBook-Reader hat auch seine Vorteile. Zum einen ist da natürlich, dass man in digitaler Form bis zu 6000 Bücher dabei haben kann. Zum anderen ist das eE-Ink-Display wirklich sehr angenehm zum Lesen und auch noch beleuchtet. Praktisch sind auch Features wie:
Und das fehlende haptische Feedback eines Buches vermisst man nach kurzer Eingewöhnungszeit mit dem eBook-Reader nicht mehr wirklich. Schlussendlich ist das Ganze wohl eine Glaubensfrage. Wer sich aber für einen eBook-Reader entscheidet, steht einem überschaubaren Angebot an Modellen gegenüber.
Wer in der Schweiz einen E-Reader mit grosser Auswahl an eBooks möchte, wird sich hauptsächlich zwischen Amazons Kindle-Serie und den Tolino-Readern entscheiden müssen. Während Amazon sein System geschlossen hält, unterstützt der Tolino nebst PDF- und TXT-Dateien auch das ePub-Format, das von allen grossen Buchhändlern verwendet wird.
Praktisch bei eReadern ist eigentlich, dass man seine eBooks direkt in entsprechenden Online-Shops kaufen kann. Hier gibt es für mich aber bereits den ersten Kritikpunkt: Die Tolino-Allianz suggeriert einem im ersten Moment ein offenes System, wo man seine Bücher nach Lust und Laune dort kaufen kann, wo man will. Ganz so einfach ist es aber nicht.
Je nachdem, wo man seinen Tolino gekauft hat, muss man dem darauf vorinstallierten Shop-Zugang nutzen. In meinem Fall war das Orell Füssli. Grundsätzlich ist das okay und aus Sicht der Tolino-Mitglieder nachvollziehbar. Aus Konsumentensicht ist es aber nicht ganz so toll, denn so ist man ein Stück weit der Preispolitik von Orell Füssli ausgeliefert. Damit unterscheidet sich für mich das offene System von Tolino nicht mehr ganz so drastisch von Amazons geschlossenem.
Wer sich seine eBooks bisher bei anderen Anbietern gekauft hat, kann dies zwar weiterhin tun, muss das aber über den Web-Browser machen. Das kann man theoretisch direkt auf dem Tolino erledigen, denn beide Geräte kommen mit einem integrierten Browser. Aber dieser ist sooo langsam. Da fühlt man sich gleich um 15 Jahre zurückversetzt und rechnet damit, dass das Internetmodem jeden Moment anfängt zu rattern und piepsen. Ausserdem kommt der Browser mit gewissen Website-Elementen nicht klar. So kann man beispielsweise bei exLibris die Suche nicht öffnen.
Spätestens, wenn man sein eBook auf dem Tolino herunterladen möchte, ist meistens Schluss. In meinem Versuch mit einem eBook von exLibris hat sich der integrierte Browser jedenfalls geweigert, den Download-Link zu öffnen. So muss man sein gekauftes ePub-Buch schlussendlich via Kabel und Computer auf den Tolino transferieren.
Eine Alternative wäre natürlich, wenn die eReader Dropbox, Drive oder OneCloud nativ unterstützen würden. So könnte man eBooks einfach in die Cloud laden und hätte sie einen Moment später auf dem Tolino. Leider geht das nicht. Zwar kann man auch hier den Browser benutzen, um sich beim Cloud-Dienst anzumelden, aber ihr wisst ja: laaaaangsam und nicht mit allen Website-Elementen kompatibel.
Die Tolino-Allianz stellt einem zwar eine Tolino Cloud zur verfügung, wo die eBook gespeichert werden, aber ernsthaft: Ich will nicht noch einen weiteren Cloud-Dienst nutzen müssen.
Bei der Verarbeitung gibt es eigentlich nichts zu bemängeln. Alles wirkt stabil und auch die Blättertasten beim Vision 5 sitzen fest in ihren Aussparungen und ruckeln nicht.
Da beide Reader aus Kunststoff gefertigt sind, wirken sie leider nicht sehr hochwertig. Beim günstigen Shine 3 ist das okay, aber beim weitaus teureren Vision 5 hätte ich schon etwas mehr erwartet.
Vor allem, wenn man vergleicht, dass man ab 200 Franken sehr schöne Tablets und Handys bekommt, fragt man sich, ob da optisch nicht mehr drin gelegen hätte. Andererseits hat Kunststoff natürlich den Vorteil, dass er nicht so schnell kaputt geht wie beispielsweise eine Glasrückseite. Und ein Metallgehäuse würde wohl das Gewicht unnötig erhöhen. Vermutlich ist Kunststoff schlicht die pragmatischste Lösung.
Kann mir bitte jemand mal jemand erklären, warum ein E-Reader für über 200 Franken noch immer nur 512 RAM Arbeitsspeicher verbaut hat? Schon klar: Warum mehr Arbeitsspeicher verbauen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.
Aber: Beim Vision 5 wäre das dringend nötig. Das Ding hat sich bei mir einfach andauernd «aufgehängt». Echt frustrierend! Stellenweise war das Gerät nur schon durch das Öffnen eines Buches so ausgelastet, dass es für mehrere Sekunden einfror. Dann konnte man weder blättern noch auf die Startseite zurückkehren. Irgendwann tauchte die Meldung auf, dass der Tolino ausgelastet sei und man warten müsse.
Was soll das? Von einem 229-Franken-Gerät erwarte ich, dass es flüssig läuft! Für 229 Franken kriege ich mittlerweile schon gute Smartphones, die nur so mit Technik vollgestopft sind. Konkretes Beispiel: das Nokia 6.2 mit Dreifachkamera, 4 GB Ram und einem guten Snapdragon-Prozessor.
Für was bezahle ich also beim Tolino Vision 5 genau 229 Franken? Sicher nicht für das ausgeklügelte Design und das Minimum an Technik, dass verbaut ist. Die Blättertasten und der etwas grössere Screen als beim Tolino Shine 3 können es nicht sein. Klar, E-Ink-Displays sind teuer, aber selbst wenn ich das berücksichtige, ist der Vision 5 unter diesen Umständen schlicht zu teuer.
Der einzig wirkliche Vorteil, den der Vision 5 gegenüber dem Shine 3 bietet, ist die Wasserfestigkeit. So hält der Vision 5 in maximal zwei Meter Tiefe eine ganze Stunde durch, ohne kaputt zu gehen – allerdings nur im Süsswasser.
Wer einen E-Reader möchte, kann ruhig zum Tolino Shine 3 greifen. Der hat zwar ein etwas kleineres Display und keine Blättertasten, aber das ist auch nicht nötig. Ein echter Vorteil sind sie gegenüber dem Touch-Screen nicht.
Kurioserweise hat der Shine 3 bei mir kaum rumgezickt, obwohl der E-Reader technisch fast die gleichen Spezifikationen aufweist wie der Vision 5. Ich kann mir das nur damit erklären, dass die Software beim Vision 5 schlicht Mist ist. Da kann man nur hoffen, dass ein Update Abhilfe schafft.
Wer einen Tolino möchte, soll sich den Shine 3 kaufen. Dieser reicht vollkommen. Zwar ist er nicht wasserfest, aber wer das verkraften kann, kriegt einen guten E-Reader zu einem fairen Preis. Der Vision 5 hingegen überzeugt nicht. Die Software hängt sich andauernd auf und Blättertasten, Wasserfestigkeit und etwas mehr Displayauflösung rechtfertigen für mich den Aufpreis von über 100 Franken nicht.
Kindle hingegen hat ein eigenes eBook-Format, das nur von Kindle unterstützt und nur via Amazon verkauft wird, und unterstützt den sonstigen Standard ePub nicht. Das ist übelste Monopol-Politik und gehört boykottiert.
Stromverbrauch!
Während Tablett und Smartphone maximal Stunden bis wenige Tage durchhalten, laufen Tolinos bis zu mehrere Wochen mit einer Ladung. Einer der Vorteile von eInk Displays ist das diese nur Strom benötigen wenn der Seiteninhalt ändert.
Weiter können mehrere Personen die gleichen Bücher gleichzeitig lesen. In der Koffer für die Ferien kann man alle 10 Bücher, welche man lesen will, mitnehmen.