Der Schweiz drohten «Skandale wie beim Raubgold der Nazis», schrieb der «Tages-Anzeiger» in einem am Donnerstag veröffentlichten redaktionellen Kommentar. Grund sind die umfangreichen Recherchen, die ein internationales Team von Journalistinnen und Journalisten getätigt hat.
Demnach haben Schweizer Banken trotz Sanktionen und Geldwäscherei-Vorwürfen Geschäftsbeziehungen mit hohen russischen Beamten und Putin-Vertrauten geführt. Auch watson hat bereits zum #ZurichLeak berichtet.
Das Fazit des «Tages-Anzeigers»:
Massgeblich an den Recherchen beteiligt war das Westschweizer Fernsehen RTS. Es berichtete am Donnerstagabend in der Sendung «Temps Présent» über das Datenleck und die weitreichenden Folgen für den hiesigen Finanzplatz.
Vorab erschien am Donnerstag auf rts.ch ein Bericht zu den Enthüllungen. Und darin wurde auch die Rolle von watson beim #ZurichLeak hervorgehoben: Dieses Newsportal hat den Hackerangriff publik gemacht, der die journalistischen Recherchen überhaupt erst ermöglichte.
Das Westschweizer Fernsehen schreibt:
Was bei der Berichterstattung der an den Recherchen beteiligten Schweizer Medienhäuser auffällt: RTS nennt zwar die betroffene Finanzdienstleiterin, verschweigt aber, welche Bande von Cyberkriminellen hinter dem Leak steckt.
Die Begründung von RTS:
Anders der «Tages-Anzeiger»: Hier wird im Bericht bestätigt, dass die Firma von der Ransomware-Gruppe ALPHV angegriffen wurde, die «im Anschluss die Daten vorübergehend im Darknet veröffentlichte». Hingegen ist nur von einem «Datenleck eines Zürcher Vermögensverwalters» die Rede, ohne den Namen des Unternehmens zu erwähnen.
Der «Tages-Anzeiger» begründet:
Dass in beiden Berichten nicht weiter auf die berüchtigte Ransomware-Bande eingegangen wird, die die ganzen Enthüllungen überhaupt erst ermöglicht hat, ist mit medienethischen Überlegungen zu erklären. Bekanntlich hoffen die Erpresser mit ihren Drohschreiben im Darknet, ihre Opfer zusätzlich unter Druck zu setzen und sie zum Bezahlen der geforderten Summen zu bringen. Jegliche Publizität könnte den Cyberkriminellen bei ihrem Tun helfen.
Als watson die Ransomware-Attacke und den Datenklau im vergangenen Februar publik machte, wurde bewusst auf eine detaillierte Berichterstattung zum Leak verzicht und das Ausmass des Datendiebstahls nur skizziert.
Weil es sich bei ALPHV aber um eine der weltweit gefährlichsten Ransomware-Banden handelt, galt es, potenziell Betroffene auf das entsprechend hohe Schadenspotenzial hinzuweisen. Insbesondere waren Folgeattacken aufgrund der von den Hackern geleakten Kundendaten zu befürchten.
RTS und die Partner des internationalen Medienkonsortiums haben sich in der Folge entschieden, die geleakten Daten zu sichern und zu analysieren, da ein öffentliches Interesse daran bestehe, zu erfahren, was sie enthalten.
Dann besorgten sich die Rechercheure Gerichtsakten, durchsuchten kommerzielle Datenbanken und befragten Experten für Geldwäschebekämpfung, Akademiker und Aktivisten, um die durchgesickerten Daten zu bestätigen und zu interpretieren und die Hintergründe der problematischen russischen Bankkundinnen und Bankkunden zu bestätigen.
Offenbar mit durchschlagendem Erfolg, wie auch das Westschweizer Fernsehen bestätigte:
Ironie der Geschichte: Mit ALPHV ist ausgerechnet eine russischsprachige Bande, deren Verantwortliche in der Russischen Föderation vermutet werden, schuld, dass fragwürdige Bankverbindungen reicher Russen publik wurden.
Einige watson-User dürften die Bande kennen, sie zeichnete unter anderem für einen verheerenden Cyberangriff auf das österreichische Bundesland Kärnten verantwortlich, wie auch für eine Attacke gegen die Flughafen-Dienstleisterin Swissport. Und auch der unlängst erfolgte Angriff auf die Casino- und Hotelkette MGM Resorts wird ihr zugeschrieben.
Das ist nicht absehbar.
Der österreichische IT-Sicherheitsberater Florian Schweitzer fragte nach dem Bekanntwerden der jüngsten Enthüllungen bei X: «Dürfen Journalisten ‹Erpressungsmaterial› von Ransomware-Gruppen veröffentlichen und damit indirekt den Anreiz zur Zahlung von Lösegeld erhöhen?»
Und dann vermutete er:
Auf politischer Ebene haben die Enthüllungen die Diskussionen der nationalen und internationalen Politik angefacht. Schon länger wird kritisiert, die Schweiz unternehme zu wenig bei der Durchsetzung der Russland-Sanktionen und Sicherstellung von versteckten Oligarchenvermögen.
Das Nachrichtenmagazin «Spiegel» kommentiert:
Das Basel Institute on Governance ist eine unabhängige, internationale Non-Profit-Organisation, die sich der Prävention und Bekämpfung von Korruption und anderer Finanzkriminalität und der Stärkung der Regierungsführung weltweit verschrieben hat. Die Organisation hilft unter anderem auch der Ukraine, illegale Vermögen weltweit aufzuspüren und zu beschlagnahmen. Deren Direktorin Gretta Fenner wählte gegenüber dem «Tages-Anzeiger» deutliche Worte:
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) bestätigte laut RTS-Bericht, man habe bislang 30 Strafverfahren wegen des Verdachts der Umgehung von Sanktionen durch Schweizer Unternehmen eröffnet und 22 unabhängige Beschlagnahmungen im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland durchgeführt. Bis heute seien 7,5 Milliarden an russischen Guthaben vom Bund eingefroren worden. Die internationale Gemeinschaft bemängelt allerdings, dies sei nur ein Bruchteil der russischen Vermögen hierzulande.
Ein Moskauer Abwasserunternehmen bezahlt russische Soldaten, um gegen die Ukraine zu kämpfen. Ein Datenleak zeigt nun, dass Geld aus fragwürdigen Geschäften der Familie des Firmenchefs über Umwege wohl auch in Berliner Luxusimmobilien gelandet ist. #ZurichLeak (1/7) pic.twitter.com/QumA1CfnUT
— paper trail media (@paper_trail_m) September 14, 2023
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA
Nur schon dafür bezahle ich gerne Fernsehgebüren. Und die demokratiefeindlichen Putinisten von SVP, die bekämpfen das.