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Influencer-Marketing gefährdet junge Leute – die Politik sollte handeln

Influencer-Marketing auf Social-Media-Plattformen ist ein gesellschaftliches Problem, das laut Fachleuten angegangen werden muss.
Irreführende Werbung bei YouTube und Co. ist ein Problem, das gemäss Konsumentenschützern angegangen werden muss. Bild: BEUC

Grosse Untersuchung deckt Risiken des Influencer-Marketings auf

Eine mehrmonatige Untersuchung von Konsumentenschutz-Organisationen in Europa, mit Beteiligung der Schweiz, deckt das Ausmass des Influencer-Marketings auf Social-Media-Plattformen auf.
17.12.2025, 13:4917.12.2025, 15:19

Influencer-Marketing breitet sich auf Instagram, TikTok und Co. immer weiter aus. Dies auch mit irreführenden Praktiken. Die Westschweizer Konsumentenorganisation FRC kritisiert die aktuellen gesetzlichen Vorschriften als lückenhaft. Hier erfährst du das Wichtigste.

Was wurde untersucht?

Die Studie der Europäischen Konsumentenorganisation (BEUC), die zwischen März und September 2025 in 12 europäischen Ländern durchgeführt wurde, untersuchte rund 650 Inhalte auf verschiedenen Social-Media-Plattformen.

Zwei Risikobereiche wurden untersucht: «Fast Fashion» und ungesunde Lebensmittel und Getränke, wie die Fédération romande des consommateurs (FRC) am Mittwoch in einer Mitteilung dazu schreibt.

In der französischsprachigen Schweiz wurden demnach mehrere Inhalte gefunden, die für den «Massenkauf» von Kleidung oder Lebensmitteln werben.

«Videos, die Herausforderungen, Verkostungen und schnelle Rezepte kombinieren, zeigen häufig Limonaden, zuckerhaltige Snacks oder verarbeitete Produkte, präsentiert von jungen Influencern. Diese Inhalte, die oft als harmlos wahrgenommen werden, sind dennoch Teil einer wirkungsvollen Marketingstrategie.»
quelle: frc.ch

Wo ist das Problem?

Die Untersuchung zeige, dass die Mehrheit des Influencer-Marketings noch immer nicht die gesetzlich vorgeschriebene Mindesttransparenz aufweise.

Die FRC schreibt, dass gesponserte Postings häufig in den persönlichen Empfehlungen der Nutzerinnen und Nutzer getarnt seien. Und Aktions-Codes würden in Kommentaren versteckt. Zudem seien klare Hinweise auf bezahlte Partnerschaften selten und die Begriffe, die zur Kennzeichnung von Werbung verwendet würden, seien mehrdeutig oder würden ganz fehlen.

In der Modebranche seien sogenannte «Hauls» weit verbreitet – das sind Videos, die das Auspacken mehrerer gleichzeitig gekaufter Artikel zeigen. Solche Beiträge vermittelten ein Gefühl von Überfluss und ständiger Erneuerung und förderten Spontankäufe.

Die beobachteten Beispiele verdeutlichten zudem die Verbreitung von «Dupes», also preiswerten Imitationen bekannter Marken, die dann über Billigplattformen (wie Shein) angeboten werden.

Die Untersuchung zeige weiter, dass Influencer nicht davor zurückschreckten, mit den Emotionen der User zu spielen, indem sie Nähe herstellten. Die Westschweizer Konsumentenschutz-Organisation kritisiert:

Influencer nutzen Emotionen aus: die Angst, etwas zu verpassen, Humor, Nähe, Spontaneität. Diese Inhalte erzeugen ein Gefühl der Vertrautheit, das das kritische Denken der Internetnutzer abstumpft. Dadurch wird übermässiger Konsum gefördert, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Was muss sich ändern?

Grosser Teil des Werbekuchens

Das Influencer-Marketing, in dem Produkte oder Dienstleistungen an eine Community weiterempfohlen werden, hat sich gemäss Bericht zu einer der mächtigsten Werbeplattformen der Welt entwickelt. Innerhalb von zehn Jahren ist dieser Markt laut einer Studie der Plattform Statista von 1,5 Milliarden auf 28 Milliarden Franken gewachsen, wie die FRC weiter schreibt.

«In der Schweiz, wie im übrigen Europa, decken die bestehenden Schutzmassnahmen nicht alle Akteure ab: Influencer, Agenturen, Marken und Plattformen.

Fehlende präzise Rechtsdefinitionen, mangelnde gemeinsame Verantwortung und die Schwierigkeit, kurzlebige Inhalte zu kontrollieren, erschweren die Durchsetzung des Gesetzes, sofern es überhaupt existiert.»

Die Konsumentenorganisation FRC formuliert zuhanden der Politik eine Reihe von Empfehlungen:

  • Um «Grauzonen» zu beseitigen, sollte eine klare Definition von Influencer-Marketing in die Schweizer Gesetzgebung aufgenommen werden.
  • Die Social-Media-Plattformen müssten gezwungen werden, ihre eigenen Regeln zu beachten, die derzeit allzu leicht umgangen werden können. Und es müssten «wirklich abschreckende Sanktionen» – sprich saftige Geldstrafen – eingeführt werden.
  • Es brauche eine «standardisierte Transparenz», mit Informationen, die für junge Menschen klar sichtbar und verständlich seien.
  • Man sollte gezielte Verbote in Betracht ziehen, insbesondere für Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Minderjährige richte.
  • Es gelte zudem, die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern: «Werbung erkennen, die wirtschaftlichen Interessen der Urheber verstehen, Anreize identifizieren.»
  • Und es sei wichtig, die von Kindern konsumierten Influencer-Inhalte unter die Lupe zu nehmen: «Warum existiert dieses Video? Wer profitiert davon?»
Was macht der FRC?
Wie andere nationale Konsumentenorganisationen erhält der 1959 gegründete Westschweizer Verband FRC projektbezogene oder gesetzlich verankerte Finanzhilfen vom Bund. Diese Gelder sind für gesellschaftlich relevante Aufgaben wie Information und Aufklärung, Produkte-Tests und rechtliche Begleitung gemäss dem Schweizer Konsumenteninformationsgesetz (KIG) vorgesehen. Die wichtigste Einnahmequelle für die Organisation sind aber die Mitgliederbeiträge.

Wie rechtfertigen sich Firmen, die Influencer bezahlen?

Der FRC hat gemäss Mitteilung «auffällige Beispiele für Influencer-Marketing» in der Schweiz untersucht:

  • Versteckte Werbung für Tally Weijl und Chicorée.
  • Eine Burger-King-Werbekampagne in Form eines Musikvideos.
  • In McDonald's-Filialen durchgeführte Veranstaltungen mit Beteiligung von Minderjährigen.
  • Die Förderung von Musikfestivals, die von Coca-Cola gesponsert werden.

Auf die Frage nach ihrer Verantwortung seien die beteiligten Marken, respektive Unternehmen, ausgewichen und hätten sich hinter Gesetzen versteckt, die nicht ausreichten, um die Konsumenten zu schützen.

Tatsächlich erklärte ein Sprecher von Coca-Cola, dass die Partnerschaften des Unternehmens alle gesetzlichen Anforderungen an Transparenz und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erfüllten.

Und Burger King erklärte, man verlange von seinen Partnern – sprich Influencern – die Einhaltung der Gesetze und Empfehlungen bezüglich Transparenz.

Influencer-Werbung könnte laut FRC je nach den Umständen als unlautere Geschäftspraxis geahndet werden – der Bundesrat bekräftige in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, dass Influencer-Werbung grundsätzlich unter das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) falle. Dieses Gesetz verbietet verschleierte Werbung sowie die Täuschung oder Irreführung von Konsumentinnen und Konsumenten.

Den Vorstoss der Solothurner SP-Nationalrätin Farah Rumy, ein Sondergesetz für Influencer-Marketing zu schaffen, lehnte das Parlament gemäss der Empfehlung der Landesregierung im Jahr 2024 ab.

Quellen

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Die beliebtesten Kommentare
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Hold my beer
17.12.2025 15:07registriert Juli 2022
Die Eltern müssen in die Pflicht genommen werden! Ich hab schon vor vielen Jahren an einem Elternabend gestaunt, wie sich andere Eltern darüber beklagt haben, die Kinder würden bis nachts um 3 h chatten. Unseren Sohn haben wir das nicht machen lassen. Es gab Regeln, Sperrzeiten, Timer etc. Schon damals konnte man das Internet beschränken - aber eben, man muss halt seine Aufsichtspflicht wahr nehmen und sich Unangenehmem stellen und nicht selber dauernd am Handy hängen. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Kinder brauchen verlässliche Regeln, nicht unbeschränkte Freiheiten.
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stronghelga
17.12.2025 15:05registriert März 2021
Influencende, die Hausierer der Gegenwart
Früher klopften Hausierer an Türen, heute poppen Influencende im Feed auf. Das Prinzip ist identisch. Verkauf über Nähe, Vertrauen und das Eindringen in private Räume. Damals die Stube, heute das Smartphone. Werbung getarnt als persönliche Empfehlung, Geschäft als Freundschaft. Hausierer wurden zu Recht reguliert. Influencende dagegen galten lange als authentisch, kreativ, harmlos, obwohl ihre Reichweite ungleich grösser ist. Wenn schon für den wandernden Warenverkäufer Sonderregeln nötig waren, dann erst recht für seine digital potenzierte Version.
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El_Chorche
17.12.2025 14:15registriert März 2021
Eltern sollten weniger Zeit auf Social Media verbringen und sich stattdessen um die Kinder kümmern.
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