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Apple vor Gericht – die wichtigsten Fragen zum App-Store-Prozess

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Tim Sweeney, der Chef von Epic Games, ist mit Anwälten auf dem Weg zum Gericht. Der Ausgang des Prozesses wird von der ganzen Branche mit Spannung erwartet. Bild: keystone

Muss Apple im App Store die Gebühren senken? Die wichtigsten Fragen aus Schweizer Sicht

«Fortnite», eines der beliebtesten Games, kann derzeit nicht auf iPhones heruntergeladen werden. Denn die Entwicklerfirma Epic Games will Apple keine Gebühren mehr zahlen. Nun streitet man sich vor Gericht.
04.05.2021, 08:52
Roman Schenkel und Stefan Ehrbar / ch media
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Wie kam es dazu?

Es ist ein Prozess, der das App-Geschäft auf dem iPhone komplett umkrempeln könnte. Vor einem US-Bundesgericht in San Francisco trafen am Montag Apple und der Computerspielentwickler Epic Games aufeinander. Epic ist bekannt für seinen Blockbuster «Fortnite», in dem durchtrainierte weibliche und männliche Spielfiguren mit unterschiedlichsten Waffen gegeneinander ums Überleben kämpfen. Täglich sind Millionen Gamer in den Fantasiewelten unterwegs und zocken sich die Finger wund. Das Game ist längst zu einer Art sozialer Plattform geworden.

Im Verfahren geht es um die Marktmacht des Technologie-Riesens mit seinem App-Store. Als Zeuge dürfte in den nächsten Tagen auch Apple-Chef Tim Cook aussagen. Das zeigt, es geht um viel. Epic will einen eigenen App Store auf dem iPhone betreiben und Apple keine Abgabe für Einnahmen aus dem Verkauf digitaler Artikel zahlen. Apple will dagegen, dass Anwendungen weiterhin nur über den App Store des Konzerns geladen werden können – das sei unter anderem notwendig, um die Nutzer vor Betrug und Software-Fehlern zu schützen.

«Der App Store ist eine sehr gute Gelddruckmaschine.»
Ralf Beyeler, Telekom-Experte

Der Streit entbrannte im vergangenen Jahr, nachdem sich Epic nicht mehr an die seit mehr als einem Jahrzehnt geltende Vorgabe halten wollte, dass virtuelle Artikel in seinem populären Spiel «Fortnite» auf iPhones nur über das System der In-App-Käufe von Apple angeboten werden können. Dabei behält Apple 30 Prozent des Kaufpreises ein.

Fortnite
Im vergangenen Sommer schmuggelte Epic einen eigenen Kaufmechanismus in der iPhone-App von «Fortnite» an Apples Prüfern vorbei und aktivierte ihn im August. Apple warf die App daraufhin aus dem Store.Bild: Epic Games

Apple quittierte die Weigerung von Epic sofort und verbannte deren Apps aus dem App Store. «Fortnite» kann derzeit nicht mehr auf iPhones heruntergeladen werden. Auf Geräten, wo sie schon installiert war, funktioniert sie aber weiter. Google verbannte die App ebenfalls aus seiner Download-Plattform Play Store. Anders als auf iPhones können Android-Nutzer sie aber auch aus anderen Quellen laden.

Darauf klagte Epic. Das Unternehmen wirft Apple unfairen Wettbewerb vor – mit der Begründung, dass Apple ein Monopol auf dem App-Vertrieb auf dem iPhone habe. Apple kontert, dass man das iPhone nicht als eigenständigen Markt betrachten könne.

Sowohl Google als auch Apple haben mittlerweile die Kommissionen auf 15 Prozent gesenkt – aber nur für Entwickler, die im Fall von Apple weniger als eine Million US-Dollar Einnahmen jährlich erzielen respektive im Fall von Google nur für die erste Million Dollar Verkäufe im Play Store.

Darum gehts vor Gericht
Apple und der «Fortnite»-Entwickler Epic Games streiten seit Montag vor einem US-Gericht.

Epic wirft Apple in seiner Klage unfairen Wettbewerb vor – mit der Begründung, dass Apple ein Monopol beim App-Vertrieb auf dem iPhone habe. Apple entgegnet, dass man das iPhone nicht als eigenständigen Markt abgrenzen könne, sondern das Spielegeschäft auf verschiedenen Plattformen betrachten müsse.

Wessen Argumentation Richterin Yvonne Gonzalez Rogers in dieser Frage folgt, könnte ein entscheidender Faktor für den Ausgang des Verfahrens werden. Zugleich ist davon auszugehen, dass die unterlegene Partei in Berufung geht.

Eine weitere Schlüsselfrage ist, ob der App Store als Teil der iPhone-Nutzung zu betrachten ist, wie Apple argumentiert. Der iPhone-Konzern verweist unter anderem darauf, dass man bei einem zentralisierten App Store die Möglichkeit habe, alle Anwendungen zu prüfen.

Epic argumentiert, die App-Plattform müsse als ein separates Produkt gesehen werden. Schliesslich lasse Apple auf seinen Mac-Computern seit jeher auch das Laden von Software aus anderen Quellen als dem hauseigenen App Store zu. Apple verweist darauf, dass die Sicherheitsanforderungen beim Smartphone höher seien.

Zum Prozessauftakt am Montag warf Epic-Anwältin Forrest Apple vor, der Konzern habe ein geschlossenes System rund um das iPhone aufgebaut, um Nutzer vom Wechsel auf Android-Telefone abzuhalten. Apple-Anwältin Karen Dunn konterte, Epic verlange, dass der iPhone-Konzern unsichere und ungeprüfte Apps auf die Plattform lasse. Sie griff ebenfalls zu einem bildhaften Vergleich: Bei der Frage nach der Markt-Eingrenzung verhalte sich Epic wie ein Weinproduzent, der eine Wettbewerbsklage anstrenge, aber dabei den Weinhandel ausklammere.

Epic kritisiert, dass Apple zwar seinen App-Überprüfungsprozess als einen Hauptvorteil des Ökosystems anpreise, jedoch in der Realität jedes Jahr Hunderttausende von Betrugs- und Phishing-Apps nicht abgefangen würden.

Der Prozess vor dem Bundesgericht in Oakland, genau auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht von San Francisco, ist zunächst auf drei Wochen angesetzt.

(dsc/sda)

Von den hohen App-Store-Gebühren sind auch Schweizer Entwickler betroffen. Sie dürften gebannt auf das Urteil in den USA schauen, könnte es doch Signalwirkung für die ganze Welt haben. Doch was ändert sich für die Kunden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie viele Leute sind von den Gebühren im Apple App Store betroffen?

In der Schweiz sind das deutlich mehr als anderswo. Gemäss Zahlen des Statistik-Anbieters Statista hatte das Apple-Betriebssystem iOS bei den Smartphones letztes Jahr einen Marktanteil von 46.7 Prozent. Android kam auf 51.2 Prozent, das Windows-Betriebssystem auf einen von nur noch 1.5 Prozent. Android hat in den letzten Jahren zwar aufgeholt, doch noch immer ist fast jedes zweite verkaufte Smartphone hierzulande ein iPhone.

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Anwälte von Epic Games rollen Kisten mit Prozessunterlagen in das US-Gericht in Oakland, Kalifornien.Bild: keystone

Wie viel Geld macht Apple mit seinem App Store?

Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. Apple veröffentlicht keine Umsatzzahlen auf Länderebene. Gemäss einer Analyse des Techblogs Sensor Tower generierte der Apple App Store im ersten Halbjahr 2020 weltweit einen Umsatz von 32.8 Milliarden US-Dollar (knapp 30 Milliarden Franken). In Deutschland hat Apple gemäss Schätzungen im vergangenen Jahr rund zwei Milliarden Euro umgesetzt. Der Play Store von Google ist etwa halb so gross. Im ersten Halbjahr 2020 kam er auf 17.3 Milliarden Dollar Umsatz (ca. 16 Milliarden Franken). Die umsatzstärksten Apps im App Store sind YouTube, TikTok und Tinder.

Wie sieht die Situation in der Schweiz aus?

Im Januar 2021 erzielte Tinder unter den iPhone-Apps in der Schweiz die höchsten Umsätze. Das zeigen Daten von Statista. Umgerechnet 618'000 Franken gaben Schweizer für die Dating-App aus. Auf dem zweiten Platz folgte YouTube mit einem Umsatz von 381'000 Franken und auf dem dritten die Video-Chat-App Azar mit 253'000 Franken.

Phil Schiller, an Apple executive, enters the Ronald V. Dellums building in Oakland, Calif., on Monday, May 3, 2021, to attend a federal court case brought by Epic Games. Epic, maker of the video game ...
Apples langjähriger Marketing-Chef Phil Schiller, der nun als «Apple Fellow» zuständig ist für den App Store und die Apple Events, betritt am Montag das Gerichtsgebäude.Bild: keystone

Welche Rolle spielt die Schweiz im Konflikt?

Der Spielehersteller Epic hat eine wichtige Verbindung in die Schweiz: In Luzern ist die Epic Games International beheimatet, wie die «Handelszeitung» berichtete. Diese beherberge das Kronjuwel des Spieleherstellers, nämlich die Software, die bei der Entwicklung von Konsolen- und Computerspielen eingesetzt werde. Ohne diese gäbe es Fortnite nicht, so die Zeitung. Sie sei massgeblich für den Erfolg von Epic.

Welche Folgen hätte ein Urteil für die Schweiz?

Direkte Folgen hätte das Urteil wohl keine. «Der Hauptvorteil ist, dass durch den Prozess die Bevölkerung auf dieses Thema aufmerksam wird und so sensibilisiert wird», sagt Ralf Beyeler, Telekom-Experte beim Vergleichsdienst Moneyland. «Ein Urteil kann international Bedeutung haben, so dass das Problem auch in anderen Ländern angegangen wird.»

Interessanterweise seien die Provisionen von Apple in der Schweiz bisher kaum thematisiert worden – ganz im Gegenteil etwa zu jenen von booking.com, die sogar politische Vorstösse zur Folge gehabt hätten. «Der Aufwand, den Apple mit dem App Store hat, ist vergleichsweise gering», sagt Beyeler. «Umso unverständlicher ist, dass Apple 30 Prozent Provision nimmt. Es ist eine sehr gute Gelddruckmaschine.»

(aargauerzeitung.ch)

Wie läufts vor Gericht?

Das war der erste Prozesstag
Der erste Prozesstag wurde von den Eröffnungsplädoyers und der Befragung von Epic-Chef Tim Sweeney ausgefüllt. Er sagte unter anderem, Apples Regeln schadeten «jeder Facette» des Epic-Geschäfts. Er unterstütze das Recht von Apple, ein System für In-App-Käufe anzubieten – aber es müsse auch Raum für Alternativen geben.

Im Kreuzverhör wiesen Apples Anwälte Sweeney darauf hin, dass Epic kein Problem damit habe, zu identischen Konditionen auf Spielekonsolen wie Sonys Playstation oder Microsofts Xbox aktiv zu sein. Er argumentierte mit unterschiedlichen Ausgangspositionen: Konsolen-Hardware gelte als ein Verlustgeschäft, bei dem Geld über Spiele verdient werden müsse. Das iPhone sei hingegen hochprofitabel.

«Fortnite» komme aktuell insgesamt auf 400 Millionen Spieler, sagte Sweeney. Die Apple-Anwälte betonten zugleich, dass die Konsolen für Epic eine viel wichtigere Geldquelle als das iPhone seien. So habe «Fortnite» auf der Playstation sechs Milliarden Dollar bis Ende 2020 eingespielt und 3,5 Milliarden Dollar auf der Xbox. Auf dem iPhone habe Epic hingegen 750 Millionen Dollar eingenommen.

Der eigene App Store von Epic sei unterdessen hunderte Millionen Dollar davon entfernt, profitabel zu sein, sagte Sweeney. Er rechne mit schwarzen Zahlen dort erst in drei oder vier Jahren.

(sda)

Quellen

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25 Kommentare
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ELMatador
04.05.2021 09:19registriert Februar 2020
Gewisse Praktiken verstossen gegen Antimonopolgesetze. Leider ist die Politik oder bessergesagt, war die Politik in den letzten 20 Jahren jeweils nur fähig, der rasanten Digitalisierung und Änderung der Marktwirtschaft hinterher zu hinken.

Es brauch jüngere und technisch affinere Politiker oder Kommissionen, die sich mit der Digitalisierung umsetzen. Es kann nicht sein, dass nur die Piratenpartei zu diesen Themen eloquente Antworten hat (unabhängig davon, wie man zu diesen steht).
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