YouTube kooperiert nicht mit europäischer Social-Media-Beschwerdestelle – aus Gründen
Eine unabhängige Beschwerdestelle für Nutzerinnen und Nutzer von Social-Media-Plattformen hat YouTube für dessen mangelnde Zusammenarbeit kritisiert. «Wir sind besorgt, dass YouTube-Nutzern in der EU der Zugang zu aussergerichtlichen Schlichtungsverfahren verwehrt wird», teilte das Appeals Centre Europe mit Sitz in Dublin am Mittwoch mit.
Das Gremium sprach insgesamt von einer «durchwachsenen» Zusammenarbeit mit den Betreibern der grossen Social-Media-Plattformen. Die Beschwerdestelle hatte Ende 2024 ihre Arbeit aufgenommen.
Warum ist das wichtig?
Europäische Nutzerinnen und Nutzer können sich an die Beschwerdestelle wenden, etwa wenn Falschinformationen oder Hassbotschaften auf ihren Hinweis hin nicht vom verantwortlichen US-Techkonzern gelöscht werden.
Andersherum können sich Betroffene beschweren, wenn sie der Meinung sind, ein legitimer Beitrag sei gelöscht oder ihr Konto zu Unrecht gesperrt worden.
In vielen Fällen sei das Gremium «trotz der Plattformen erfolgreich, nicht wegen ihnen», erklärte der Chef der Beschwerdestelle, Thomas Hughes. Sein Team ist für Beschwerden über die Plattformen Facebook, Instagram und Threads sowie TikTok, YouTube und Pinterest zuständig. Wer einen Antrag einreichen will, kann dies online über die Webseite appealscentre.eu machen.
Der Haken aus Schweizer Sicht: Nur Personen mit Wohnsitz in der EU können Streitfälle einreichen.
Wie funktioniert es?
Über 3000 Anfragen
Das Gremium kann eine Entscheidung der Plattform selbst wieder aufheben. Die Beschwerdestelle hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 3300 zulässige Anfragen erhalten. In drei Vierteln der Fälle fiel die Entscheidung demnach zugunsten der Nutzenden aus, die eine Beschwerde eingereicht hatten.
Finanziert wird die Beschwerdestelle von den amerikanischen Techkonzernen selbst. Sie setzen mit diesem Gremium eine Vorgabe aus dem EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) um, das den grossen Plattformen die Einrichtung einer unabhängigen Stelle für Nutzerbeschwerden vorschreibt.
Das Gesetz soll die Verbreitung von Falschinformationen und Hassbotschaften eindämmen und die Macht der grossen Digitalkonzerne beschränken. Verstossen die Unternehmen systematisch gegen die Vorschriften, drohen ihnen Bussgelder in Milliardenhöhe.
Social-Media-User, die einen Streitfall melden, zahlen eine geringe Gebühr, die ihnen im Falle einer Entscheidung zu ihren Gunsten zurückerstattet wird.
Allerdings können die Plattformen gemäss den Bestimmungen des DSA die Zusammenarbeit mit einer solchen Streitbeilegungsstelle ablehnen und diese hat nicht die Befugnis, den Parteien eine verbindliche Einigung aufzuerlegen, wie Reuters Ende 2024 berichtete.
Wie verteidigt sich YouTube?
Das US-Unternehmen verwies am Mittwoch auf Datenschutzbedenken. YouTube werde die für eine Zusammenarbeit nötigen Nutzerdaten «nicht bereitstellen, ohne dass eine Datenschutzvereinbarung vorliegt, die die Privatsphäre der Nutzer respektiert», teilte eine Sprecherin mit. Sie erklärte, Nutzerinnen und Nutzer könnten ihre Beschwerden stattdessen über das hauseigene Berufungssystem von YouTube einreichen und so etwa die Löschung eines Videos anfechten.
Quellen
- appealscentre.eu: Transparenz-Bericht des Appeals Centre Europe für Nov. 2024 bis Aug. 2025 (PDF)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Keystone-SDA/AWP/AFP
(dsc)