Satellitenbilder sollen den Bau eines fortschrittlichen Lasersystems zeigen, mit dem gegnerische Satelliten «geblendet» werden können. Auf die Konstruktion der Laser-Waffe liessen nebst öffentlichen Satellitenbildern auch Ausschreibungsunterlagen russischer Industrieunternehmen und Finanzdokumente schliessen, schreibt das Online-Fachmagazin The Space Review.
«Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass ein Weltraumüberwachungskomplex im russischen Nordkaukasus mit einem neuen Lasersystem namens Kalina ausgestattet wird, das auf die optischen Systeme ausländischer Bildsatelliten zielt, die über russischem Gebiet fliegen», heisst es im Bericht.
Das neue Laserwaffen-Projekt wurde demnach 2011 in Angriff genommen, kam aber lange nur schleppend voran. Nun aber werde die Anti-Satelliten-Waffe in der Krona-Raumfahrtanlage in der Nähe von Selentschukskaja im äussersten Südwesten Russlands gebaut, wo sich auch das gigantische Radioteleskop RATAN-600 befindet.
Google-Earth-Aufnahmen liessen darauf schliessen, dass der Bau von Kalina nach jahrelangen Verzögerungen gut vorankomme. Das Teleskopgebäude und der Tunnel, der es mit dem Lidargebäude verbindet, seien inzwischen vorhanden. Allerdings sei unmöglich zu sagen, wie viel der technischen Einrichtungen im Inneren bereits installiert seien.
«Aus den 2015 online gestellten Ausschreibungsunterlagen ging bereits hervor, dass Kalina ein neues Teleskop erhalten würde, mit dem Laserstrahlen präzise auf Satelliten ausgerichtet werden können», schreibt The Space Review. Die Ausschreibung bezog sich auf den Bau des Gebäudes, in dem das Teleskop untergebracht werden sollte.
Den USA gelang es zwar bereits vor Jahren einen Satelliten in relativ geringer Höhe vorübergehend zu blenden. Das neue russische System soll aber Satelliten in höheren Umlaufbahnen erfassen und dauerhaft ausschalten.
Die Existenz von Kalina lasse sich aus einer Reihe von Online-Beschaffungs- und Gerichtsdokumenten ableiten, die es wiederum ermöglichten, mehrere technische Veröffentlichungen zu finden, «die höchstwahrscheinlich mit dem Projekt in Zusammenhang stehen», schreibt The Space Review.
In den so gefundenen Dokumenten werde Kalina als Lasersystem für die «elektro-optische Kriegsführung» beschrieben, das gegnerische Satelliten dauerhaft blenden kann, indem es so helle Laserpulse aussende, dass sie optische Sensoren beschädigen könnten. Dies unterscheide Kalina grundlegend von früheren Lasern, die lediglich darauf abzielten, Satelliten temporär zu blenden.
Wann und ob das Lasersystem in Betrieb geht, ist unklar. The Space Review vermutet, dass es bei der Entwicklung zu Verzögerungen kam, weil ein wichtiger Lieferant des Optiksystems im Juli 2021 in Konkurs ging. Die Laserwaffe könnte auch von den verschiedenen Wirtschaftssanktionen betroffen sein, die seit 2014 gegen Russland verhängt wurden, insbesondere im Zusammenhang mit der Einfuhr von Elektronikteilen.
Bereits in den 80er-Jahren sollen sowjetische Laser laut US-Angaben angeblich mehrmals die optischen Sensoren von US-Spionagesatelliten geblendet haben. Eine US-Delegation, die das Laser-Testzentrum Terra-3 im heutigen Kasachstan nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 besuchen durfte, stellte jedoch fest, dass die sowjetischen Laser niemals in der Lage waren, Satelliten zu blenden. Das könnte sich nun ändern und auch für kommerzielle Satelliten zum Problem werden.
Die stationäre Anti-Satelliten-Waffe Kalina soll ein mobiles Laserblendsystem namens Pereswet ergänzen, das angeblich seit Ende 2019 in Betrieb ist.
Laut russischen Angaben kann Pereswet nebst Drohnen, Flugzeugen und Raketen auch Aufklärungssatelliten bis zu einer Höhe von 1500 Kilometern «blenden» und «ausser Gefecht setzen». Westliche Militärexperten äusserten jedoch Zweifel an dieser Behauptung.
US-Satelliten würden «jeden Tag» angegriffen, sagte General David D. Thompson, stellvertretender Leiter der Raumfahrtabteilung der United States Space Force im letzten Jahr gegenüber der «Washington Post». Man sei an einem Punkt angekommen, an dem es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gebe, wie Raumfahrtsysteme bedroht werden können. Die «Washington Post» schrieb daher von einem «Schattenkrieg im Weltraum».
Unklar ist, ob Kalina beispielsweise auch für Elon Musks Starlink-Satellitennetzwerk zur Bedrohung werden könnte. Musk schrieb im Mai 2022, dass Russland «seine Bemühungen verstärkt» habe, um die Signale der Starlink-Internetsatelliten von SpaceX zu stören und zu unterbrechen. SpaceX hatte zuvor mithilfe der US-Regierung zahlreiche Starlink-Terminals in die Ukraine geschickt, um die Kommunikationsnetze wiederherzustellen und Internet-Notdienste bereitzustellen.
Angemerkt sei, dass Russland, aber auch die USA, seit Jahrzehnten über konventionelle Anti-Satelliten-Raketen verfügen. Solche Raketen (oft «ASAT-Raketen» genannt) zerstören Satelliten allein durch ihre kinetische Energie beim Zusammenstoss; sie benötigen nicht unbedingt einen Sprengkopf. Vor allem Spionagesatelliten, die in niedrigen Umlaufbahnen um die Erde kreisen, sind für solche Systeme erreichbar.
Eine russische Nudol-Testrakete zerstörte zuletzt im November 2021 einen ausgedienten sowjetischen Satelliten und erzeugte eine riesige Wolke aus Weltraummüll, die noch über Jahre eine Bedrohung für Satelliten in niedriger Umlaufbahn darstellen kann. Die USA warfen Russland zudem vor, die Sicherheit von Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS durch den Test der Anti-Satelliten-Rakete gefährdet zu haben. Wegen einer möglichen Kollision mit Weltraumschrott war die ISS kurzzeitig geräumt worden.
Dies ist wohl mit ein Grund, warum Russland und andere Länder an Laserwaffen gegen Satelliten arbeiten. Solche «soft kill»-Methoden erzeugen, anders als beim Abschuss, keine Risiken durch Trümmerteile für die eigenen Satelliten.
Laserwaffen haben nicht nur eine grosse Reichweite, sie sind auch schnell, präzise, diskret und im Einsatz günstig, da zum Abschiessen eines Strahls ausser (viel) Energie keine Munition benötigt wird. Alle wichtigen Militärmächte dürften daher an Laserwaffenprojekten beteiligt sein.
(oli)
Sanktionen von Halbleiter schon wieder vergessen?
Russen PR. Nicht ernstzunehmen.
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