Vielleicht war es die interessanteste Frage, die ein Reporter an diesem letzten Tag von Elon Musk im Weissen Haus stellte. Während Donald Trump sich eher lustlos bei seinem Berater für dessen Arbeit zu bedanken schien, stand der Multimilliardär neben dem Schreibtisch des US-Präsidenten im Oval Office.
Musk wirkte unruhig, zappelig, seine Augen wanderten unaufhörlich im Raum umher. Besonders auffällig aber war sein blau-geschwollenes rechtes Auge. Also fragte ein Journalist: «Was ist mit Ihrem Auge passiert?»
Musks Antwort: Er sei nicht in der Nähe der französischen First Lady gewesen, die Emmanuel Macron vor kurzem ins Gesicht gelangt hat. Er sagte, das blaue Auge hätte sein fünfjähriger Sohn X fabriziert. Dem habe er angeboten, ihn mal so richtig ins Gesicht zu schlagen. «Mach schon, schlag mir ins Gesicht. Und das hat er dann getan», erzählte Musk. Er sei ein wenig überrascht gewesen über den Bluterguss. Und Trump feixte dazwischen: «Ist mir gar nicht aufgefallen.»
Nach 130 Tagen als Hauptverantwortlicher von Doge, dem Department of Government Efficiency (Behörde für Regierungseffizienz), kommt Elon Musk auch im übertragenen Sinne mit einem blauen Auge davon. Der milliardenschwere Tesla-Technokrat und selbst ernannte Zerstörer der US-Bürokratie ist nicht mehr länger Berater von Präsident Trump. Sollte es gewünscht sein, stünde er aber natürlich noch immer bereit, so Musk.
Wie mager seine Bilanz ausfällt, wurde am Freitag deutlich, als Trump während der Pressekonferenz im Oval Office sagte, dass die Zahlen «beträchtlich sind, aber mit der Zeit noch viel bedeutender werden». Übersetzt heisst das, da muss noch viel passieren, um die versprochenen Einsparungs- und Effizienz-Ziele zu erreichen.
Wenn es so kommen würde, müsse man sich natürlich an Elon erinnern und ihm danken, sagte Trump. Dann überreichte er ihm eine Holzschatulle mit einem goldenen Schlüssel. Den würden nur ganz besondere Menschen von ihm bekommen.
In welche Tür Musk den Schlüssel stecken soll? Womöglich in das nächste Luftschloss. Mit seinem Weggang aus dem Weissen Haus erlischt auch eine Illusion: Dass ein einzelner Unternehmer, bewaffnet vor allem mit Selbstbewusstsein und Rücksichtslosigkeit, mal eben einen über Jahrzehnte gewachsenen Staatsapparat nach seinen Vorstellungen umformen kann. So etwas benötige eben Zeit, sagte auch Trump.
Dabei hatte Elon Musk den amerikanischen Steuerzahlern nicht weniger als gigantische Einsparungen in Höhe von 3 Billionen Dollar versprochen. Die vollmundig angekündigten Einsparungen wurden im Laufe der vergangenen Wochen zuerst auf 1 Billion, dann auf 170 Milliarden Dollar herunter korrigiert.
Und selbst diese Zahlen werden zunehmend bezweifelt oder durch Gerichtsentscheidungen wieder relativiert. Daran änderte auch die Aufzählung nichts, die Trump vornahm und sein Lieblingsbeispiel, wonach bisher angeblich zig Millionen Dollar für Geschlechtsumwandlungen von Mäusen ausgegeben worden seien.
Übrig geblieben von Musks Ambitionen ist nach 130 Tagen vor allem dieser Eindruck: Chaos, Verunsicherung, Datenschutz-Skandale, zahlreiche anhängige Gerichtsverfahren, juristische Niederlagen, interne Machtkämpfe und peinliche Rückzieher. Hinzu kommen Musks massiver öffentlicher Ansehensverlust, seine öffentlich diskutierten Drogen- und Beziehungseskapaden und die weltweit einbrechenden Absatzzahlen seiner Elektroautos sowie der Absturz der Tesla-Aktie.
Das liegt vor allem an seiner offenkundigen Selbstüberschätzung und an mangelhaftem Kommunikationsvermögen – intern und extern. Seine propagierte Vision für das Doge entsprach weniger einer durchdachten Reform, sondern einer Abrissbirne. Musk liess sie rücksichtslos in die Washingtoner Behörden und Ministerien krachen.
Kritik kam dabei nicht nur von der Opposition. Der Unmut im eigenen Lager über den neuen mächtigen Mann an Trumps Seite, der zwischenzeitlich sogar als Schattenpräsident bezeichnet wurde, erwuchs vom ersten Tag an.
Zu den internen Kritikern zählten Senatoren und Kongressabgeordnete wie die republikanische Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska. Schon früh kritisierte sie Musks Doge-Richtlinie, die Bundesangestellte dazu verpflichten sollte, regelmässig fünf wöchentliche Erfolge aufzulisten. Andernfalls drohte ihnen der Rauswurf. Murkowski bezeichnete das Vorgehen des Unternehmers als «absurd» und verglich es mit «Einschüchterung».
Der republikanische Kongressabgeordnete Scott Fitzgerald aus Wisconsin wies auf mangelnde Transparenz hin und beschwerte sich, dass der Kongress nicht ausreichend über die Kostensenkungsmassnahmen von Doge informiert worden sei. Auch die Senatorin Susan Collins aus Maine äusserte sich besorgt über die Auswirkungen der Doge-Massnahmen auf ihren Bundesstaat und bezeichnete die Entlassungen als «grosses Problem».
Noch schwerwiegender wog aber: Musks Aktionen führten zu Revolten innerhalb der Trump-Regierung: Kabinettsmitglieder, darunter die Justizministerin Pam Bondi, Aussenminister Marco Rubio, Finanzminister Scott Bessent und Verteidigungsminister Pete Hegseth, wurden Medienberichten zufolge von den drastischen Kürzungen und mangelnder Koordinierung vollkommen überrascht.
Susie Wiles, Trumps Stabschefin im Weissen Haus, forderte Musk schliesslich auf, die Kommunikation mit den Ministerien zu verbessern. Die Axt, die Elon Musk mit Doge an die Ministerien und ihre nachgeordneten Behörden anlegte, führte immer häufiger zu internen Beschwerde-E-Mails.
Dabei hatte das Experiment an sich sogar vielversprechend geklungen. Der reichste Mann der Welt brachte ein Prinzip der erfolgreichsten Unternehmen aus dem Silicon Valley nach Washington: «Move fast and break things» («Seid schnell und brecht Dinge auf»).
Die Hoffnung bestand aber offensichtlich vor allem darin, in seinen Augen lästige, selbst denkende Beamte so einfach wie Twitter-Mitarbeiter feuern zu können. Musk unterschätzte dabei, dass das US-Staatswesen kein Start-up ist und auch nicht so behandelt werden kann. Staatsbedienstete lassen sich nicht einfach per Tweet entlassen. Und Daten und Finanzinformationen von hunderten Millionen von Bürgern sollten besser nicht einfach frei zugänglich gemacht werden.
Die von Musk als Disruption verkaufte Zerstörungswut blieb damit insgesamt betrachtet eher symbolisch. Um neue, womöglich schlankere Strukturen zu schaffen, fehlte ihm die Unterstützung im Apparat der Trump-Regierung. So beendete er viele Prozesse gewissermassen über Nacht, was vor allem zu Stillstand und Vakuum führte. Sinnbildlich dafür stand etwa die Absetzung seines Wunschkandidaten für die oberste Steuerbehörde IRS bereits nach drei Tagen.
Seine Idee, dass alle Beamten wöchentliche Bullet-Point-Berichte abliefern sollten, wurde insgeheim verspottet. Selbst Trump sah sich gezwungen, ihm bisweilen öffentlich zu widersprechen. Zum Prinzip Kettensäge liess er irgendwann wissen: «Wir arbeiten mit dem Skalpell, nicht mit der Axt.»
Musks politisches Projekt war untrennbar verbunden mit seinem privaten Kontrollverlust. Die «New York Times» deckte in diesen Tagen seinen steigenden Drogenkonsum auf. Mitten im Wahlkampf soll Musk den Recherchen zufolge regelmässig Ketamin, Ecstasy, Adderall und Pilze eingenommen haben. Die Grenze zwischen technokratischem Idealismus und selbstzerstörerischer Inszenierung schien schon dort zu verschwimmen. Aussagen von Mitarbeitern über Medikamentenboxen mit 20 verschiedenen Tabletten vertiefen das Bild eines Mannes, der sich gefährlich nah am eigenen Abgrund bewegt.
Es ist gut möglich, dass auch dieses Verhalten bei Trump, der nicht mal Alkohol anrührt, auf wenig Toleranz gestossen ist. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz versuchte Musk sich bei Nachfragen zu der Berichterstattung der «New York Times» in Trump-Manier herauszureden. Es handele sich schliesslich um jene Zeitung, die Lügen über die Russland-Verstrickungen des Präsidenten verbreitet hätte. Dementsprechend unglaubwürdig seien auch die Berichte über ihn. Nächste Frage. Trump starrte währenddessen auf seinen Schreibtisch und nickte stumm.
Aber auch Musks öffentlichen Auftritte gerieten fast immer zu exzentrischen Ausfällen: von seinem harmlosen Luftsprung im vergangenen Oktober in Butler, jenem Ort, an dem Donald Trump im Wahlkampf angeschossen worden war, bis zu seiner mehr als deutlichen Nazi-Geste in Washington am Tag von Trumps Amtseinführung. Vor allem aber seine deutliche Kritik an Trumps Wirtschaftspolitik dürfte dazu beigetragen haben, dass er immer weiter in Ungnade fiel.
Ob es um Zölle, Migration oder zuletzt um die neuen Schulden ging: Musk teilte ordentlich aus. Wütende Kommentare, insbesondere von Trumps langjährigem Berater Steve Bannon, folgten. Die Macht des rechtsextremen Populisten im radikalen Lager der Make-America-Great-Again-Bewegung (Maga) ist ungebrochen. Der interne Streit um Musk zeigte letztlich, wie wenig dessen libertäres Denken zur sozial-nationalen Trump-Bewegung passt.
Anfangs war Musk für Trump ein nützlicher Störenfried. Er verstärkte bestimmte Maga-Botschaften, besonders jene, die sich gegen den behaupteten «Deep State» in Washington richteten, dem er den Garaus machen sollte. Wichtiger noch: Musk hatte massgeblich den Wahlkampf von Trump mitfinanziert und war ein prominentes Gesicht, das neue Wählergruppen ansprechen konnte.
Als Musks Absatzzahlen in den Keller rasten, hielt Trump, um ihn zu unterstützen, sogar noch eine fragwürdige Verkaufsschau mit Teslas am Weissen Haus ab, lobte die Autos überschwänglich und kaufte «Elon» sogar einen Wagen ab.
Aber je unkontrollierbarer Musk wurde, wie mit den öffentlichen Angriffen gegen Kabinettsmitglieder oder eigenmächtigen Vorschlägen, desto mehr wurde er zur Belastung. Trump zog schliesslich die Reissleine. Der endgültige Wendepunkt dürfte ein Ausbruch im West Wing des Weissen Hauses gewesen sein, über das US-Magazin «The Atlantic» in diesen Tagen schrieb. Trumps Finanzminister Scott Bessent brüllte Musk demnach so laut an, dass Trump wohl alles mithören konnte. «Fuck you! Fuck you! Fuck you!» soll Bessent geschrien haben, als Musk nur immer wieder sagte: «Ich kann dich nicht hören. Sag es lauter.»
Das Doge soll nun auch ohne Musk weiter existieren, aber wohl eher als bürokratische Hülle. Einige von Musks Gefolgsleuten sind inzwischen fest in anderen Behörden verankert, handeln aber inzwischen weitaus vorsichtiger. Die Kettensägen-Metaphern hallen noch nach, ihre praktische Wirkung haben sie aber verfehlt. Die Kürzungen im öffentlichen Dienst wurden vielerorts zurückgenommen oder unter neuer Führung neu aufgelegt.
Das eigentliche Erbe des Elon-Experiments ist damit auch ein Lehrstück über die Grenzen des Tech-Populismus. Ein neuer Staat lässt sich nicht wie eine neue App programmieren. Musk ist gewissermassen schon mit dem Startbildschirm gescheitert, vor allem aber an sich selbst. Seine Anwesenheit verblasste schon während seiner Abschiedspressekonferenz. Nur ein Bruchteil der 50 Minuten handelte von ihm und seinen fragwürdigen Erfolgen. Daran änderte auch Trumps überbetonendes Lob wenig.
Vielleicht aber bleibt etwas von Dauer: eine Debatte über mehr Effizienz in der Bürokratie, die für ein funktionierendes Staatswesen aber zugleich unabdingbar bleibt.
(t-online/dsc)
Genauso ist der Sachverhalt mit Russland.