Der weltweite Verkauf von Smartphones ist in der Coronavirus-Krise um rund 20 Prozent eingebrochen. Im ersten Quartal wurden laut US-Marktforschungsfirma Gartner knapp 300 Millionen Smartphones verkauft. 2019 waren es im gleichen Zeitraum rund 375 Millionen Geräte. «Die Coronavirus-Pandemie verursachte den schlimmsten Rückgang des weltweiten Smartphone-Marktes, den es je gegeben hat», kommentiert Gartner die Zahlen. Andere Marktforscher, die ihre Schätzungen bereits früher publiziert hatten, gingen von einem etwas geringeren Rückgang aus. In einem sind sich aber alle einig: Der Verkaufsknick ist historisch.
Ursachen für den Einbruch waren die Ausgangsbeschränkungen und Ladenschliessungen, die allgemeine Zurückhaltung der Konsumenten in wirtschaftlich unsicheren Zeiten sowie auch die vorübergehende Stilllegung von Fabriken für die Produktion von Smartphones in China. Neue Modelle kamen daher teils erst mit Verzögerung auf den Markt.
Ein Blick auf die nackten Zahlen enthüllt: Die grossen Hersteller wurden von Corona unterschiedlich stark getroffen.
Samsung blieb laut Gartner im ersten Quartal Marktführer mit einem Anteil von 18,5 Prozent an den globalen Smartphone-Verkäufen (Vorjahr 19,1%). Die Südkoreaner grüssen seit vielen Jahren von der Spitze. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie die breiteste Produktpalette führen, sprich vom Budget-Handy bis zum Luxus-Modell alle Kundenwünsche erfüllen können. Die Verkäufe gingen trotzdem um mehr als 22 Prozent zurück. Statt knapp 72 Millionen konnte Samsung nur noch gut 55 Millionen Geräte absetzen.
Für den Marktleader ist der markante Rückgang bei den Smartphone-Verkäufen verkraftbar, da der Mischkonzern mit über 309'000 Mitarbeitern mehrere weitere Standbeine hat. Zu Samsung Electronics zählen nebst Smartphones auch Fernseher, Haushaltsgeräte und Speichermedien. Samsung ist aber auch einer der grössten Akku-Hersteller sowie in der Automobilindustrie, im Maschinenbau sowie in der Finanzbranche (z.B. Lebensversicherungen) tätig.
Der chinesische Huawei-Konzern verharrte laut Gartner mit einem Marktanteil von 14,2 Prozent (Vorjahr 15,6%) an zweiter Stelle, bei einem Rückgang von satten 27 Prozent. Von 58 Millionen ging es auf 42 Millionen verkaufte Geräte runter. Für Huawei war es der erste Rückgang bei den Smartphone-Verkäufen überhaupt, wofür es mehrere Gründe gibt: Nebst der Corona-Krise erweist sich das anhaltende US-Wirtschaftsembargo als immer grössere Hypothek. Aufgrund der trumpschen Doktrin muss Huawei seine brandneuen P40-Smartphones ohne Google-Dienste (Play Store etc.) verkaufen, was ihre Attraktivität in Europa massiv schmälert.
Huawei wird in Europa voraussichtlich weiter Marktanteile einbüssen, da US-Präsident Donald Trump die Sanktionen jüngst bis April 2021 verlängert hat. Im Mai 2019 war Huawei von den USA auf die Schwarze Liste gesetzt worden. Seither ist es US-Firmen ohne Ausnahmebewilligung verboten, mit Huawei zu kooperieren und dem chinesischen Unternehmen Technologie zur Verfügung zu stellen. Trump will so im Wirtschaftskrieg mit China Druck ausüben.
Bereits Anfang 2018 sind die Huawei-Smartphones auf Geheiss der US-Regierung aus den Verkaufsregalen der US-Mobilfunkanbieter verschwunden – wegen angeblicher Sicherheitsbedenken. In den Vereinigten Staaten spielen Geräte von Huawei daher so gut wie keine Rolle mehr, da der Grossteil der in den USA gekauften Smartphones über Mobilfunkanbieter bezogen werden.
Als einsamer Lichtblick für Huawei erweist sich der Heimmarkt:
Zumindest in ihrem Heimmarkt sind die Chinesen mit 41,4 Prozent Marktanteil (Vorjahr 33,9%) die unangefochtene Nummer eins. Doch das Blatt kann sich rasch wenden, da ungewiss ist, wie schnell Huawei gänzlich ohne US-Technologie neue, konkurrenzfähigen Smartphones entwickeln kann.
Weltweit an dritter Stelle lag weiterhin Apple mit einem Marktanteil von 13,7 Prozent (Vorjahr 11,9 %). Die Smartphone-Verkäufe des US-Unternehmens sanken deutlich geringer als bei den Konkurrenten, nämlich um «nur» acht Prozent. Das entspricht einem Rückgang von 45 auf 41 Millionen Geräte. Apple profitierte laut Gartner in den ersten Wochen des Jahres, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Westen, von starken Verkäufen seiner neuen iPhone-Modelle. Insbesondere das iPhone 11 erwies sich als Verkaufsschlager. Apple musste in der Corona-Krise seine Läden zuerst in China, später in den USA und Europa schliessen, konnte dies aber vergleichsweise gut über Online-Verkäufe kompensieren.
Xiaomi ist der einzige Hersteller aus den Top 5, der Corona trotzen konnte. Die Verkäufe legten minim um 1,4 Prozent zu. Der Marktanteil beträgt 9,3 Prozent (Vorjahr 7,3). Die erst knapp zehn Jahre alte chinesische Firma verkaufte wie im Vorjahresquartal rund 28 Millionen Geräte. «Der starke Verkauf von Redmi-Geräten auf den internationalen Märkten und die aggressive Fokussierung auf Online-Kanäle führten dazu, dass Xiaomi bessere Verkaufszahlen als erwartet erzielte», schreibt Gartner. Xiaomi setzte von Anfang an konsequent auf den Online-Verkauf, Ladengeschäfte hingegen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Dies stellte sich in der Corona-Krise als Glücksfall heraus.
Xiaomi ist Marktführer in Indien und auch im Heimmarkt China läuft es gut. In Europa profitiert Xiaomi zudem von Huaweis Problemen (dazu später mehr).
Oppo als weltweite Nummer 5 setzte wie Samsung und Huawei deutlich weniger Geräte als im Vorjahresquartal ab. Für Oppo ging es von 30 auf noch 24 Millionen Geräte runter, was einem Rückgang von 19 Prozent entspricht. Da der gesamte Smartphone-Markt um 20 Prozent schrumpfte, konnte Oppo seinen Marktanteil mit 8,0 Prozent (Vorjahr 7.9%) stabil halten.
Die Smartphone-Verkäufe aller übrigen Hersteller fielen gar um 24 Prozent. Die kleineren Hersteller wurden überdurchschnittlich hart getroffen und halten zusammen noch einen Marktanteil von 36 Prozent (Vorjahr 38%). Dazu zählen Marken wie Vivo, Realme, Oneplus, Nokia, Sony, Motorola und LG.
Federn lassen musste insbesondere Nokia. Laut der Marktforschungsfirma Counterpoint brachen die Verkäufe gegenüber dem Vorjahresquartal um 44 Prozent ein. Nokia setzte demnach noch etwa 1,7 Millionen Android-Smartphones und 8,6 Millionen einfache Handys ab. Im Ranking der grössten Hersteller finden sich die Finnen auf Rang 13 mit einem Marktanteil von unter 1 Prozent.
In Europa sind die Smartphone-Verkäufe in den ersten drei Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahresquartal laut der Marktforschungsfirma Counterpoint um 7 Prozent gesunken. Erwartungsgemäss brachen die Verkäufe in Italien (-21%) am stärksten ein. Auch andere grosse Länder wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien verhängten mehr oder weniger intensive Lockdowns, was die Verkäufe um je rund 10 Prozent schmälerte.
Samsung ist mit einem Anteil von 29 Prozent weiter mit grossem Abstand Marktführer in Europa, verliert aber zwei Prozentpunkte.
Apple gewinnt einen Prozentpunkt und kommt auf einen Marktanteil von 22 Prozent. Das neue iPhone 11 war laut Counterpoint das meistverkaufte Smartphone in Europa. Für die Konsumenten kaum eine Rolle spielte, dass die neuen iPhone-Modelle das 5G-Netz nicht unterstützen.
Huawei verliert primär wegen des US-Embargos und somit fehlenden Google-Diensten massiv und hält noch einen Anteil von 16 Prozent (Vorjahr 23%).
Xiaomi ist der grosse Aufsteiger in Europa. Die Chinesen halten neu einen Anteil von 11 Prozent (Vorjahr 4%). Xiaomi wuchs trotz Corona-Pandemie um 150 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal, dies vor allem in Russland, Grossbritannien und Frankreich.
Oppo, die neuste chinesische Marke in Europa, erobert fast aus dem Stand 3 Prozent. Oppo ist in mehreren europäischen Ländern erst seit diesem Jahr präsent und nach Xiaomi der zweite grosse Profiteur von Huaweis Trump-Problem.
Aus den Top 5 in Europa fliegt Nokia.
Anfang 2017 kehrte die Marke Nokia in den Smartphone-Markt zurück. Schnelle Updates und Original-Android sollten die Smartphones aus dem Norden von der asiatischen Konkurrenz abheben. Nach beachtlichen Erfolgen in den ersten beiden Jahren zeigt die Kurve seit Mitte 2019 steil nach unten. Nicht nur Covid-19, auch Verkaufsflops wie das Nokia 9 brachten die Finnen selbstverschuldet in Schwierigkeiten.
Ein weiteres, und vermutlich das grösste Problem, sind die chinesischen Mitbewerber, die sich mit hoher Qualität und teils günstigen Preisen zusehends in Europa etablieren. Sie unterbieten Nokia oft beim Preis oder bieten bei ähnlichen Preisen bessere Spezifikationen. Kommt hinzu: Inzwischen haben viele Android-Hersteller ihre Software und Update-Politik massiv verbessert, was Nokias Vorteil dahinschmelzen lässt.
Nokia hat es zudem seit dem Comeback nicht geschafft, ein sogenanntes Flaggschiff-Modell zu präsentieren, das im lukrativen Premium-Segment bestehen kann. Die Finnen konzentrieren sich daher notgedrungen mit günstigeren Modellen auf den Business-Markt. Eine Nischenstrategie, die partiell erfolgreich sein kann. Zumindest europäische Konzerne könnten durchaus an europäischen Firmen-Smartphones mit Update-Garantie und Datenspeicherung in Finnland interessiert sein.
Erstens: Im 1. Quartal des Jahres werden traditionell eher wenig Smartphones verkauft, die Corona-Krise hat diesen Effekt akzentuiert. Anders als Restaurants oder Hotels können die Hersteller darauf hoffen, zumindest einen Teil der verpassten Verkäufe nachzuholen, da vermutlich viele Konsumenten während der Corona-Zeit mit dem Neukauf zugewartet haben.
Zweitens wurden die Hersteller von der Corona-Krise unterschiedlich hart getroffen: Hersteller mit einem starken online Vertriebskanal, insbesondere Xiaomi und Apple, sind im Vorteil. Nokia hingegen droht im Billig-Segment unter die Räder der Konkurrenz aus China zu kommen und im Hochpreis-Segment haben die Finnen wenig bis nichts vorzuweisen.
Und drittens: Anders als von den Herstellern erhofft, kann 5G die seit mehreren Jahren sinkende Nachfrage nicht stimulieren. Nur gerade vier Prozent aller in Europa neu verkauften Smartphones unterstützen das 5G-Netz. Die Zurückhaltung der Kunden ist verständlich, zumal der Ausbau des 5G-Netzes in zahlreichen Ländern ins Stocken geraten ist und der Zusatznutzen für die Konsumenten (noch) kaum ersichtlich ist.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und AFP.