Das Schweizer Mobilfunknetz ist fast am Anschlag. 6000 der insgesamt 15'000 Antennen sind ausgelastet. In einem Bericht vom Februar schlägt der Bundesrat deshalb verschiedene Optionen vor, um die Mobilfunknetze zukunftstauglich zu machen. Beispielsweise durch den Bau von mehr Antennen oder durch die Lockerung der Grenzwerte. Und zwar indem die erlaubte Feldstärke verdoppelt würde. Denn die Grenzwerte sind hierzulande rund zehnmal tiefer als in Deutschland oder Österreich. Und bei einer Verdoppelung der Grenzwerte könnte die Netzkapazität ungefähr vervierfacht werden.
Doch was heisst das für Mensch und Tier? Seit Jahrzehnten untersuchen Wissenschafter, ob elektromagnetische Felder tatsächlich krank machen. Jetzt zeigt eine neue Studie, dass Handystrahlung Auswirkungen auf den Organismus von Kühen hat. Nachweisen konnte dies Michael Hässig, Veterinärmediziner am Tierspital der Universität Zürich.
In einem wissenschaftlichen Versuch setzte der Forscher zehn Kühe über längere Zeit Handystrahlen aus – und zwar in einer Stärke, wie sie in der Nähe von Handymasten üblich ist. Vorher, unmittelbar nachher sowie einen Monat später untersuchte er das Blut der Wiederkäuer. Dabei zeigte sich: Die Bestrahlung hat die Aktivität der Enzyme, die den pH-Wert im Blut regeln, beeinflusst. «Um 10 Prozent des Normalbereiches haben sich die Blutwerte während der Bestrahlung verändert», sagt Hässig. Ob die Tiere krank werden oder weniger Milch geben, steht noch nicht fest. Ein pH-Wert im Normalbereich ist jedoch für alle Stoffwechselvorgänge wichtig.
Einen Effekt konnte Hässig in einer weiteren Untersuchung nachweisen: «Wenn nahe beim Stall einer trächtigen Kuh eine Handyantenne steht, ist das Risiko signifikant erhöht, dass das Kalb an grauem Star erkrankt.» Bei 253 untersuchten Kälbern sei bei 79 Tieren leichter grauer Star diagnostiziert worden, und 9 Tiere hatten den schweren grauen Star, heisst es im Bericht. Dieses Problem bekomme eine immer grössere Bedeutung – besonders in der dicht besiedelten Schweiz mit einem hohen Stand an Technisierung.
Auf die Frage, ob man durch seine Resultate auch auf eine Gefährdung beim Menschen schliessen kann, antwortet Hässig: «Prinzipiell ja.» Jedoch seien Nutztiere ortsgebundener als Heimtiere oder Menschen und können dadurch Strahlung weniger gut ausweichen.
Für Yvonne Gilli, Nationalrätin der Grünen und Mitglied des Vereins Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, verdichten die neuen Studienresultate Hinweise, dass eine Gefahr auch für den Menschen besteht. Weil bei den Kühen offensichtlich kein Placebo-Effekt entstehe, könnten diese Resultate auch Forschungsergebnisse aus der Humanmedizin stützen, sagt Gilli. Denn Studien beim Menschen zeigen, dass Elektrosmog biologische Effekte im menschlichen Organismus auslöst – beispielsweise Veränderungen der Hirnströme oder eine verminderte Spermienqualität.
Für eine abschliessende Beurteilung würden aber Langzeitstudien fehlen. «Die rasante Entwicklung der Funktechnologie ist der Forschung eine Nasenlänge voraus», sagt Gilli. Und Hässig fügt an: Weil man die Auswirkungen der neusten Technologien noch nicht genau kenne, sollten die Grenzwerte nicht erhöht werden.
Anders sieht dies die Swisscom. «Würden die sehr strengen Anlagegrenzwerte gelockert, müssten weniger zusätzliche Antennen erstellt werden, um die Mobilfunknetze kunden- und wirtschaftsgerecht auszubauen», sagt Olaf Schulze, Sprecher der Swisscom. Wie viele Antennen dadurch eingespart werden könnten, sei aber nicht abschätzbar.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft die Nutzung von Handygeräten als potenziell krebserregend ein. Über Handyantennen sagt die WHO allerdings, dass keine Gefahr bestehe.