Social-Media-König Mark Zuckerberg frohlockt: Der Start hat «unsere Erwartungen weit übertroffen», sagte der Meta-CEO am Freitag, am Montag lässt er konkrete Zahlen folgen:
Threads wurde am Mittwoch vergangener Woche von der Meta-Tochter Instagram lanciert und wächst vermutlich schneller als je ein Online-Dienst zuvor. Zum Vergleich: OpenAIs ChatGPT benötigte für die ersten 100 Millionen User rund zwei Monate, Threads weniger als eine Woche. Dies, obwohl die App in der EU und der Schweiz offiziell noch nicht in den App-Stores verfügbar ist (Android-User können die Installationsdatei trotzdem im Web herunterladen, für iOS ist der Umweg deutlich komplizierter). Laut inoffiziellen Quellen kommen die ersten User hauptsächlich aus den USA, Indien und Brasilien.
Laut dem US-Techportal The Verge würden sich die User nicht nur anmelden, sondern auch fleissig Beiträge verfassen. Letzteres ist deutlich aussagekräftiger als die reine Zahl der registrierten Profile. Zur Erinnerung: Googles Facebook-Rivale Google+ galt 2011 als das am schnellsten wachsende soziale Netzwerk der Geschichte. 2019 wurde es eingestampft, weil nur eine kleine Minderheit der registrierten User aktiv war.
Threads könnte es gleich ergehen. Ob es je die gesellschaftliche Bedeutung von Twitter erreichen wird, steht in den Sternen. Der Start aber ist geglückt.
Zugleich macht der Erfolg von Zuckerbergs Twitter-Kopie die Unzufriedenheit mit dem Wandel von Twitter unter Elon Musk deutlich. Unter seiner Regie lockerte Twitter unter anderem die Massnahmen gegen die Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungstheorien.
Das schnelle Wachstum lässt sich teils damit erklären, dass es mit einem bestehenden Instagram-Konto spielend einfach ist, ein Threads-Profil zu erstellen. Theoretisch können sich mehr als eine Milliarde Instagram-User sofort einloggen, ohne ein neues Benutzerkonto anlegen zu müssen.
Was Kritiker als Datenschutz-Albtraum bezeichnen – ein gemeinsamer Login und das Zusammenführen von persönlichen Daten aus verschiedenen Apps des Unternehmens – ist aus Meta-Sicht zumindest kurzfristig erfolgreich. Der für die User bequeme Anmeldeprozess führt dazu, dass Threads auch ohne uns Europäer nur sieben Stunden benötigte, um den Meilenstein von zehn Millionen Nutzern zu erreichen. Zum Vergleich: Der 2016 gestartete Twitter-Rivale Mastodon kam im März 2023, also nach sieben Jahren, auf zehn Millionen registrierte Konten.
Meta weiss, dass die Verknüpfung von Threads mit dem Instagram-Account mit grösster Wahrscheinlichkeit gegen EU-Gesetze verstösst. Deshalb wird die App bei uns vorerst auch nicht angeboten. Problematisch ist insbesondere das Kombinieren von persönlichen Daten aus verschiedenen Apps, ohne den Usern eine Wahl zu lassen. Das Anmelden bei Threads ohne Instagram-Konto ist derzeit nicht möglich.
Meta verzichtet beim Start von Threads auf den europäischen Millionenmarkt, um ausserhalb der EU – ohne «störende» Datenschutz-Regeln – möglichst schnell zu wachsen. Erst einmal scheint das Kalkül aufzugehen.
Zur Einordnung: Die EU hat Meta jüngst als sogenannte Gatekeeper-Firma eingestuft, die besonders strenge Auflagen erfüllen muss. Vereinfacht gesagt versucht die EU mit ihren neuen Digitalgesetzen Missbrauchsmöglichkeiten durch marktbeherrschende Techkonzerne zu verhindern. Nebst Meta unterliegen Alphabet (Google), Amazon, Apple, TikTok-Betreiber ByteDance, Microsoft und Samsung diesen Regeln.
Threads gleicht Twitter frappant und ist offensichtlich Mark Zuckerbergs Frontalangriff auf Elon Musk. Bekanntlich sind sich die Tech-Milliardäre spinnefeind und Zuckerberg sieht in den aktuellen Turbulenzen bei Twitter eine Gelegenheit, unzufriedene Twitter-User an Bord zu holen.
Vordergründig klingt es daher seltsam, wenn Instagram-Chef Adam Mosseri sagt, Threads ziele nicht darauf ab, Twitter zu ersetzen. Auf den zweiten Blick verfolgt Meta mit Threads eine Strategie, die sich von Twitter abgrenzt.
Zwar würden politische Themen und Nachrichten früher oder später auch auf Threads auftauchen, man fördere dies aber nicht aktiv, erläuterte Mosseri. Er liess durchblicken, dass politische Themen unweigerlich Fake-News anziehen und er daher keinen Gewinn darin sieht, dass Threads zu einem zweiten Twitter wird. Die zusätzlichen Kontrollen und der Aufwand, um etwa Fake-News zu entfernen – was insbesondere von der EU vorgeschrieben wird –, seien das «zusätzliche Engagement oder die zusätzlichen Einnahmen» nicht wert, so Mosseri. Vielmehr solle Threads Menschen ein Ort für Diskussionen bieten, die mit Twitter nie warm wurden.
Mosseri möchte Threads als Plattform für unverfängliche Themen wie Sport, Musik, Mode und Unterhaltung etablieren, ist sich aber offenbar bewusst, dass mit dem Userwachstum auch Akteure mit politischen Zielen das neue Social Network für sich entdecken werden. Ergänzend schrieb er daher später, dass die Sichtbarkeit politischer Themen auf Threads nicht künstlich herabgestuft werde.
Während Threads einen Raketenstart hinlegt, scheint der Datenverkehr von Twitter, seit Musk am Ruder ist, zu sinken. Darauf lässt zumindest eine von Cloudflare-CEO Matthew Prince am Sonntag auf Threads und Twitter veröffentlichte Grafik schliessen.
Twitter traffic tanking. https://t.co/KSIXqNsu40 pic.twitter.com/mLlbuXVR6r
— Matthew Prince 🌥 (@eastdakota) July 9, 2023
Cloudflare ist eines der weltweit grössten Content-Delivery-Netzwerke (CDN), die im Internet betrieben werden. Vereinfacht gesagt verteilt Cloudflare die Inhalte von Websites und Online-Diensten auf Cloudflare-Servern weltweit, sodass die Inhalte beschleunigt ausgeliefert werden. Cloudflare hat somit einen guten Einblick, wie populär einzelne Webseiten sind. Für Twitter sieht es demnach nicht gut aus.
Facebook und Instagram haben Twitter bei den Nutzerzahlen längst abgehängt. Der Kurznachrichtendienst meldete einst mehr als 300 Millionen Nutzer. Später wurde nur noch die Zahl der Nutzer genannt, die Twitter mit seiner Werbung erreicht - sie lag bei rund 230 Millionen. Seit der Übernahme durch Musk im vergangenen Oktober gibt es gar keine Nutzerzahlen mehr. Zugleich war die Bedeutung von Twitter stets gross, weil der Dienst von vielen Politikern wie Ex-Präsident Donald Trump genutzt wurde - und zahlreichen Journalisten als Informationsquelle diente.
Zuckerberg gab derweil das Ziel aus, Threads zu einer Plattform mit mehr als einer Milliarde Nutzern zu machen.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.
Für Twitter wie Threads meint ihr wahrscheinlich mit "gesellschaftliche Bedeutung", inwiefern sich die Tweets oder Threads für "journalistische Zwecke" verwenden lassen, wenn wieder mal ein belangloses Thema "viral" geht....
Oder meint ihr damit, wie stark sich die Programme durch zwielichtige und machtgierige Politiker manipulieren lassen?
Die Welt wäre ein Mü besser ohne...