Signa-Gründer René Benko vor Gericht: Die wichtigsten 6 Fragen zum Prozess
Signa, ein Immobilien- und Handelsimperium bestehend aus einem verwirrenden Verbund von 1000 Einzelgesellschaften vornehmlich in Österreich, Deutschland und der Schweiz, ist vor rund zwei Jahren in Konkurs gegangen. Zurück geblieben sind Forderungen in Höhe von fast 28 Milliarden Euro. Zu den Gläubigern von Signa gehören auch Schweizer Banken. Unter ihnen die Zürcher Vermögensverwaltungsbank Julius Bär, die im Zuge der Signa-Insolvenz im November 2023 Kredite im Wert von 606 Millionen Euro vollständig abschreiben musste.
Signa war unter anderem Mitbesitzerin prestigeträchtiger Warenhäuser in Deutschland (KaDeWe), Grossbritannien (Selfridges) und der Schweiz (Globus) und Eigentümerin des markanten Chrysler Buildings in New York.
Signa-Gründer René Benko sitzt seit Januar in Wien in einem Untersuchungsgefängnis. Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt strafrechtliche Ermittlungen in viele Richtungen. Ein erster Strafprozess gegen den 48-jährigen Selfmadeunternehmer beginnt am 14. Oktober in Innsbruck.
Was wird René Benko vorgeworfen?
Die Staatsanwaltschaft wirft René Benko vor, im Rahmen seiner Insolvenz als Einzelunternehmer die Befriedigung von Gläubigerforderungen verhindert respektive geschmälert zu haben. Benko habe Vermögenswerte beiseitegeschafft, indem er für die Anmietung eines Hauses auf einer Anhöhe in Innsbruck eine wirtschaftlich und sachlich unvertretbare Vorauszahlung von Miet- und Betriebskosten für vier Jahre in Höhe von 360'000 Euro geleistet habe. Das Haus gehört der nach Benkos Tochter benannten Laura Privatstiftung, deren Begünstigte Benkos Mutter Ingeborg ist. Die Vorauszahlung sei unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer absehbaren Konkurseröffnung erfolgt, ebenso wie die Schenkung von 300'000 Euro, die Benko im November 2023 veranlasst hatte.
Was sagt Benko zu diesen Vorwürfen?
Laut österreichischen Medien hat Benko in Einvernahmen erklärt, dass solche Mietzinsvorauszahlungen bei langfristigen Mietverträgen in der Immobilienbranche üblich seien, wenn dafür im Gegenzug eine entsprechende mietzinsfreie Zeit eingeräumt werde. Auch im Zusammenhang mit der Schenkung bestreitet Benko den Vorwurf der Gläubigerschädigung. Die 300'000 Euro seien ein Restbetrag aus früheren Zuwendungen seiner Mutter, die er für den Lebensunterhalt nicht benötigt habe.
Welche Strafe droht Benko?
Im vorliegenden Fall beträgt der Strafrahmen gemäss der Staatsanwaltschaft ein bis zehn Jahre Gefängnis. Allerdings sind noch weitere Strafverfahren gegen ihn hängig. Am 11. September hat die Staatsanwaltschaft eine zweite Anklage erhoben, die Benko und einer nicht namentlich genannten Mitangeklagten vorsätzliche Gläubigerschädigung vorwirft. Die Beklagten hätten 120'000 Euro in bar sowie elf hochpreisige Uhren, Manschettenknöpfe, Uhrenarmbänder und anderes im Gesamtwert von fast 250'000 Euro in einem Tresor im Haus von Angehörigen versteckt.
Auch hier liegt der Strafrahmen bei ein bis zehn Jahren Gefängnis. Benko bestreitet auch in diesem Fall, die Vermögenswerte versteckt zu haben, um sie in Erwartung seiner Insolvenz dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Das Geld sei aus Sicherheitsgründen in einem anderen Haus aufbewahrt worden und die Uhren seien nicht sein Eigentum. Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Wie geht die Staatsanwaltschaft vor?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gleichzeitig in mehr als einem Dutzend Verfahrenssträngen. Diese werden offensichtlich nicht in einem Gesamtpaket, sondern einzeln zur Anklage gebracht. Ein nicht genannt werden wollender Beobachter in Österreich erklärt sich das Vorgehen mit dem Umstand, dass die einzelnen Tatbestände innerhalb des Signa-Benko-Komplexes relativ einfach eingrenzbar sind. Zudem gilt in Österreich der Grundsatz, dass die Staatsanwaltschaft in Verfahren von besonderem öffentlichem Interesse – den sogenannten «clamorosen Causen» – verpflichtet ist, nach Abschluss auch von Teilermittlungen ihr Vorhaben den Oberbehörden zu berichten. Vor diesem Hintergrund ist mit weiteren Anklagen und Gerichtsprozessen gegen Benko zu rechnen.
Wie viel Geld verstecken die Benkos in den Privatstiftungen?
Die Laura Privatstiftung und andere Stiftungen innerhalb des Signa-Benko-Komplexes sind intransparent. Die Staatsanwaltschaft vermutet René Benko als Begünstigten und nicht dessen Mutter, die in der Laura Privatstiftung offiziell als Stifterin beurkundet ist. Aber es scheint, dass der Beweis dafür schwer zu erbringen ist. In den Stiftungen werden erhebliche Werte in dreistelliger Millionenhöhe vermutet. Das exakte Vermögen der Stiftungen ist aber nicht bekannt.
Werden Signa-Gläubiger auf die Stiftungen zugreifen können?
Den Masseverwaltern, die im gerichtlichen Auftrag mit der Abwicklung und Verteilung der in den Signa-Gesellschaften verbliebenen Vermögenswerte beauftragt sind, ist es bislang nicht gelungen, Zugriff auf die Stiftungen zu erlangen. Ein von CH Media angefragter Insolvenzexperte von der österreichischen Gläubigerschutzorganisation Creditreform glaubt auch nicht, dass dies noch gelingen wird.
Der Innsbrucker Wirtschaftswissenschafter Andreas Exenberger sagte vor einigen Monaten in einer Sendung des ORF: Die steuerlichen Vorteile von Stiftungen seien durchaus legitim und nachvollziehbar, doch Stiftungen taugten auch zu missbräuchlicher Verwendung. In Österreich habe man noch immer die Situation, dass Privatstiftungen einen vollständig eigennützigen Zweck verfolgen können. «Der Eigennutz ist in Österreich schon sehr weit entwickelt, da könnte man sich schon überlegen, ob man da Einschnitte macht.»