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Attentat in Solingen: Wie die AfD die Tat für sich instrumentalisiert

Björn Höcke: Seit Jahren befürwortet er ein "großangelegtes Remigrationsprojekt".
Björn Höcke ist Spitzenkandidat der Thüringer AfD.Bild: Sean Gallup/Getty Images

Attentat in Solingen: Wie die AfD den Anschlag für sich instrumentalisiert

Binnen nur weniger Stunden nach dem Attentat wird im Netz bereits über den Täter spekuliert. Das eignet sich auch gut für den Wahlkampf, wie die AfD anscheinend findet.
26.08.2024, 18:3527.08.2024, 01:21
Luca Klinck / t-online
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t-online

Am 1. September werden in Thüringen und Sachsen neue Landtage gewählt. In den beiden Bundesländern hat die AfD Umfragen zufolge eine realistische Chance, die stärkste Kraft zu werden. Nach dem Messerattentat in Solingen instrumentalisiert die Rechtsaussen-Partei das Ereignis und nutzt die hitzigen Debatten für ihre Agenda.

Das Attentat in Solingen hat sich vergangenen Freitag auf der 650-Jahr-Feier der Stadt ereignet. Am Samstag teilte die Polizei mit, den mutmasslichen Täter festgenommen zu haben und ebenfalls am Samstag proklamierte die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) den Angriff für sich.

Innerhalb der wenigen Stunden zwischen der Tat und der Festnahme spekulierten AfD-Politiker in den sozialen Netzwerken jedoch bereits über die Herkunft des Täters und dessen Motive, wie der «Tagesspiegel» berichtet. Der Täter habe ein «südländisches Erscheinungsbild» und einen «dichten, kurzen Vollbart», hiess es etwa auf Facebook oder dem Kurznachrichtendienst X.

Björn Höcke spekuliert auf Wahlkampfveranstaltung

Auch der AfD-Spitzenkandidat in Thüringen Björn Höcke spekulierte bereits am Samstag auf einer Wahlveranstaltung – vor dem veröffentlichten Statement des IS – über die Motive des Täters. «Schick die Kartellparteien in die Wüste», forderte er dem Deutschlandfunk zufolge auf X. Und auch nach der Bekanntgabe der Nationalität des mutmasslichen Täters nutzt er vor allem diese, um gegen seine politischen Gegner vorzugehen. Es sei die CDU gewesen, die die Migrationspolitik gestaltet habe, so Höcke.

Das Stadtfest in Solingen fand unter dem Motto «Fest der Vielfalt» statt. Mit dieser Vielfalt, habe der Attentäter jedoch nichts am Hut gehabt, sagte Höcke bei einer Wahlveranstaltung und ergänzte: «Und mit dieser Vielfalt, die die bunten Ideologen auf Staatskosten propagieren, habe ich auch nichts am Hut.»

Alice Weidel fordert erneut Aufnahmestopp von Migranten

So teilte auch der frühere Freiburger AfD-Stadtrat Dubravko Mandic ein Video, in dem zwei mutmassliche Täter gezeigt werden sollen, die eine «marokkanischer oder türkischer Herkunft» hätten. Ins Internet gestellt wurde das Video von zwei mutmasslichen Augenzeugen eines rechten YouTube-Kanals, so der «Tagesspiegel» weiter.

Auch die AfD in Sachsen nutzte die kurze Zeitspanne zwischen Tat und dem Statement der Terrororganisation für ihren Wahlkampf und teilte auf X ein Video der Bundes-Co-Chefin Alice Weidel. «Migrantengewalt gegen Deutsche ist zu einer grauenhaften neuen Normalität geworden», so Weidel in dem Video. Sobald die AfD in der Regierung sitze, würden «diese Menschen (…) erst gar nicht in unser Land gelassen werden», fügte die Politikerin hinzu. Auch zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine näheren Details zum Tatverdächtigen.

epa11445359 AfD party and faction co-chairwoman Alice Weidel (L) and AfD co-chairman Tino Chrupalla (R) attend the Alternative for Germany (AfD) conference in Essen, Germany, 29 June 2024. The AfD is  ...
Alice Weidel und Tino Chrupalla sind Co-Präsidenten der AfD.Bild: keystone

Am Montag meldete sich Weidel dann erneut mit einem Post auf X. Darin fordert sie ein «Einwanderungs-, Aufnahme- & Einbürgerungsstop für mind. 5 Jahre.» Zudem seien die Grenzen zu schliessen und die Personengruppen mit der höchsten Kriminalitätsbelastung abzuschieben, so die Co-Chefin.

Gewerkschaftschef der Polizei zeigt sich besorgt über Spekulation

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, Michael Mertens, äusserte sich besorgt über die Vermutungen auf X und Konsorten. «Spekulationen über die Tat in Solingen verbieten sich. Ich appelliere an alle, besonders an die Nutzer in den sozialen Medien, darauf zu verzichten, Gerüchte zu verbreiten», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland Stunden vor dem IS-Statement.

Derweilen läuft die Instrumentalisierung der Tat in den sozialen Netzwerken weiter wie zuvor. Zahlreiche AfD-Anhänger teilen ein Bild, veröffentlicht von Höckes Wahlbüro, auf dem Björn Höcke vor rot-weissem Hintergrund zu sehen ist, wie er nach rechts schaut. Das Bild trägt die Aufschrift: «Höcke oder Solingen». Dabei hätte auch Höcke das Attentat nicht verhindern können.

Und auch der österreichische rechtsextreme Aktivist Martin Sellner ruft infolge des Attentats in seiner öffentlichen Telegram-Gruppe, die 71'000 Mitglieder zählt, zur «Remigration» auf – ein Begriff, der von Rechtsextremen und auch von AfD immer häufiger genutzt wird.

Aber nicht nur in den sozialen Netzwerken reagiert die rechte Szene auf das Attentat. Es habe auch bereits drei verschiedene Versammlungen rund um die Innenstadt und den Tatort gegeben, sagte ein Sprecher der Polizei. Mit dabei war unter anderem die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als «gesichert rechtsextremistisch» eingestuft wird. Zeitgleich fanden jedoch auch Demos gegen rechts in der Innenstadt Solingens statt.

Quellen:

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206 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ursus3000
26.08.2024 18:45registriert Juni 2015
Na ja, die SPD und die Grünen können das nicht instrumentalisieren um noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Und die AFD ist nicht schuld, dass Syrer die gar nicht in Deutschland sein dürften, messerstechend durch Städte laufen
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Chluisi
26.08.2024 18:50registriert August 2024
Trotz Hasses auf die AFD bin ich immer skeptischer ggn. dem Begriff der Instrumentalisierung. So funktionierte Politik immer. Man könnte ja dann auch sagen, die Grünen instrumentalisieren den Klimawandel. In Bezug auf die Islamisierung wurde jeder Kritiker, sogar in der Wissenschaft, in F 30 Jahre lang der Instrumentalisierung bezichtigt. Das Problem ist: Sie hatten diagnostisch Recht.
20227
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Schlaf
26.08.2024 19:08registriert Oktober 2019
Natürlich lässt sich mit diesem Thema gut Wahlkampf betreiben! Das ist ein hoch emotionales Thema, welches die grössten Teile der Politik Europas zu lange beschönigt und totgeschwiegen haben.

Ist immer schlecht, wenn ein Thema die Bevölkerung mehr beschäftigt als die Politik, dann macht die Politik ihren Job nicht richtig!
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