Tunesiens Präsident Kais Saied hat Ministerpräsident Hichem Mechichi in einem überraschenden Schritt seines Amtes enthoben und die Arbeit des Parlaments vorerst ausgesetzt. Er selbst werde die Regierungsgeschäfte gemeinsam mit einem neuen Ministerpräsidenten übernehmen, kündigte Saied am Sonntagabend nach einem Krisentreffen mit Vertretern von Militär und Sicherheitsbehörden an. Zudem werde die Immunität sämtlicher Abgeordneter aufgehoben.
Die Ankündigungen folgen auf regierungskritische Proteste in mehreren Teilen des Landes wegen stark steigender Corona-Fallzahlen und einer anhaltenden Wirtschaftskrise. Die Demonstranten forderten dabei den Rücktritt der Regierung und die Auflösung des Parlaments.
Die islamisch-konservative Ennahda, die grösste Partei im Land, sprach am Sonntagabend von einem «Staatsstreich». Saied erklärte dagegen, die von ihm angekündigten Schritte bewegten sich im rechtlichen Rahmen der Verfassung.
Tunesien erlebt derzeit einen starken Anstieg der Corona-Fallzahlen. Bisher wurden 555'000 Corona-Infektionen und etwa 18'000 Todesfälle gemeldet. Das Land hat seit den arabischen Aufständen von 2011 als einziges Land der Region den Übergang in die Demokratie geschafft. Es kämpft aber weiterhin mit einer Wirtschaftskrise, hoher Arbeitslosigkeit und weit verbreiteter Korruption. Viele Tunesier haben das Vertrauen in die herrschende Elite verloren. (sda/dpa)