Nationaler Verteidigungsrat soll Madagaskar übergangsweise regieren
Nach dem Militärputsch im Inselstaat Madagaskar soll dort ein nationaler Verteidigungsrat für eine Übergangszeit regieren. Das kündigte Oberst Michael Randrianirina von der Spezialeinheit Capsat an, der am Dienstag die Machtübernahme durch das Militär bekanntgegeben hatte. Der Rat werde die Befugnisse des Präsidenten haben.
Gleichzeitig erklärte der Oberst, das derzeitige Kabinett bleibe zunächst weiter im Amt. Ob die Regierungsmitglieder in den Rat eingegliedert werden oder unter diesem arbeiten sollten, war zunächst nicht klar.
Weiterhin bleiben zudem die Abgeordneten der Nationalversammlung (NA) im Amt, hiess es. Ein Oberstes Gericht für Erneuerung werde eingerichtet. Der heute beginnende Übergang werde maximal zwei Jahre dauern, um das Vertrauen in die Institutionen vor einem Verfassungsreferendum und allgemeinen Wahlen wiederherzustellen.
Gen Z ist in Gesprächen mit dem Militär
Ein Sprecher der Gen Z – die Jugendbewegung, die seit Ende September den Protest gegen den mittlerweile ausser Landes geflohenen Präsidenten Andry Rajoelina geprägt hatte – sprach im Rundfunksender RFI von einer «zweiten Phase des Kampfes», die nun begonnen habe.
«Wir erwarten von dieser zweiten Phase viele Verhandlungen, eine Einigung und einen echten Wiederaufbau», sagte Sarika, der zu den Führern der Strassenproteste gehört hatte. Bereits am Montagabend hätten Gespräche begonnen, nachdem sich Teile des Militärs am Wochenende auf die Seite der Protestbewegung gestellt hatten. «Es ist nicht sicher, ob wir einen Platz in der Regierung bekommen. Es ist schwer zu sagen, ob das gut ist. Sicher ist jedoch, dass wir vom Militär gehört werden.»
Militär übernahm nach wochenlangen Protesten die Macht
Die Machtübernahme des Militärs wurde von vielen Demonstranten bejubelt, auf den Strassen der Hauptstadt Antananarivo wurden die Soldaten gefeiert.
Kurz zuvor hatte das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rajoeilina eingeleitet. Der Präsident liess über sein Büro erklären, er betrachte sich weiterhin als im Amt. Sein Aufenthaltsort ist weiterhin unbekannt. Das Verfassungsgericht hatte dem Militär dann übergangsweise die Funktion des vakanten Präsidentenamts zugesprochen, gleichzeitig aber auch zeitnahe Wahlen gefordert.
Der riesige Inselstaat vor der Südostküste Afrikas ist doppelt so gross wie Italien, zählt aber mit rund 30 Millionen Menschen nur etwa die Hälfte der Einwohner. Das Land zählt als weltweiter Hauptexporteur von Vanille. Seit Ende September hatten dort vor allem junge Menschen mit teils gewalttätigen Demonstrationen den Rücktritt des Präsidenten gefordert. Hintergrund sind hohe Lebenshaltungskosten und mangelnde Perspektiven für die junge Generation. Auslöser der Aufstände waren Strom- und Wasserausfälle, Missstände im Bildungssystem sowie hohe Arbeitslosigkeit und weit verbreitete Armut. (sda/dpa)