Militär verkündet Machtübernahme in Madagaskar
Nach wochenlangen regierungskritischen Protesten in Madagaskar hat das Militär nach eigenen Angaben die Macht in dem riesigen Inselstaat übernommen. Die Verfassung sei ausgesetzt und ein Präsidentschaftsrat aus Angehörigen der Armee und Gendarmerie eingesetzt worden, sagte Oberst Michael Randrianirina, Kommandant der Spezialeinheit Capsat, vor dem Präsidentenpalast in der Hauptstadt Antananarivo. «Wir ergreifen die Macht.» Zuvor hatte das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen den geflohenen Präsidenten Andry Rajoelina in Gang gesetzt.
Die Einheit des Militärs hatte bereits am Wochenende erklärt, sie habe die Kontrolle über die Land-, Luft- und Seestreitkräfte des Inselstaates vor der südöstlichen Küste Afrikas übernommen. Zahlreiche Soldaten schlossen sich den seit Wochen vor allem für bessere Lebensbedingungen demonstrierenden jungen Menschen an. Das Präsidentenbüro schon am Wochenende von einem Putschversuch gesprochen.
Die zivile Regierung bleibe in ihrer derzeitigen Zusammensetzung bestehen, hiess es weiter. Ein Oberster Gerichtshof für Reformen werde eingerichtet. Innerhalb von zwei Jahren soll ein Referendum abgehalten werden. «Wir werden einen Premierminister ernennen, der rasch eine Zivilregierung bilden wird», hiess es.
Präsident erklärte Auflösung der Nationalversammlung auf X
Der ausser Landes geflohene Präsident von Madagaskar, Andry Rajoelina, hate zuvor auf seinem X-Profil die Auflösung der Nationalversammlung des Inselstaates per Dekret erklärt.
J’ai décidé de dissoudre l’Assemblée nationale, dans le respect de la Constitution.
— Andry Rajoelina (@SE_Rajoelina) October 14, 2025
Ce choix s’impose pour rétablir l’ordre au sein de notre Nation et renforcer la démocratie. Le Peuple doit être à nouveau entendu. Place aux jeunes🇲🇬 pic.twitter.com/cha6IhqLWL
Dies sei zur Wiederherstellung der Ordnung in dem Inselstaat und der Stärkung der Demokratie nötig, schrieb er. «Das Volk muss wieder gehört werden. Platz für die Jugend.» Der stellvertretende Parlamentspräsident Siteny Randrianasoloniaiko zweifelte die Legalität der Parlamentsauflösung an.
Die Opposition wollte am Dienstag im Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rajoelina einleiten. Die Abgeordneten hatten sich zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Dekrets zwar im Parlament versammelt, es fand aber keine reguläre Sitzung statt.
Aufenthaltsort Rajoelinas weiterhin unbekannt
Wo sich Rajoelina derzeit aufhält, ist unbekannt. Er hatte am Montagabend in einer live übertragenen Videoansprache angegeben, er habe sich an einen sicheren Ort begeben müssen, um sein Leben zu schützen. Zu einem möglichen Rücktritt äusserte Rajoelina sich nicht. Stattdessen appellierte er an die Bevölkerung seines Landes, die bestehende Ordnung zu achten
Einem Bericht des französischen Rundfunksenders RFI zufolge war Rajoelina nach wochenlangen Protesten auf Madagaskar bereits am Sonntag von einer französischen Militärmaschine ausgeflogen worden. Dazu gab es demnach eine entsprechende Vereinbarung mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Rajoelina hatte 2014 die französische Staatsbürgerschaft erhalten.
Proteste dauern seit Wochen an
Seit Ende September fordern vor allem junge Menschen mit teils gewalttätigen Demonstrationen den Rücktritt Rajoelinas. Hintergrund sind hohe Lebenshaltungskosten und mangelnde Perspektiven für die junge Generation.
Am Wochenende hatte eine aufständische Einheit der Armee erklärt, sie habe die Kontrolle über die Land-, Luft- und Seestreitkräfte des Inselstaates vor der südöstlichen Küste Afrikas übernommen. Zahlreiche Soldaten schlossen sich den Protesten an.
Bereits in der Vergangenheit spielte die Spezialeinheit Capsat eine Rolle bei Machtwechseln im Inselstaat: Bei einem Staatsstreich im Jahr 2009 hatte Capsat Rajoelina zur Macht verholfen. Von 2009 bis 2014 war Rajoelina zunächst Übergangspräsident. Von Januar 2019 bis September 2025 regierte er als Präsident. Dass sich die Einheit auf die Seite der Demonstranten gestellt hat, hat ihnen in Madagaskar grosses Ansehen unter der Bevölkerung eingebracht. (sda/dpa)