Michael Dukakis lag 1988 im Wahlkampf gegen George H. Bush in den Umfragen deutlich in Führung. Da beschloss er, sich in Militärmontur in einem Panzer ablichten zu lassen. Er sah dabei so lächerlich aus, dass er in den Umfragen abstürzte und die Wahl verlor.
Dass ein Bild mehr als tausend Worte sagen kann, muss derzeit auch Josh Hawley, republikanischer Senator aus dem Bundesstaat Missouri, schmerzhaft erfahren. Der junge Möchte-gern-Volkstribun ist zum Gespött der Nation geworden. Und das kam so:
Hawley stammt aus gehobenen Verhältnissen. Er hat teure Privatschulen besucht und an der renommierten Yale University Jus studiert. Seine ersten Praxisschritte hat er bei Antonin Scalia, dem legendären konservativen Richter am Obersten Gerichtshof, absolviert.
Trotz seiner grossbürgerlichen Herkunft gibt sich Hawley als Mann des Volkes. Seit 2019 sitzt er im Senat. Dabei lässt er nichts unversucht, sich bei Donald Trump und der MAGA-Meute einzuschmeicheln. Vor allem profiliert hat er sich mit seinen Angriffen auf die Hi-Tech-Giganten. Auf Fox News, am liebsten bei Tucker Carlson, wettert er regelmässig gegen die «woken» Google, Facebook & Co.
Als es um die Zertifizierung der Elektorenstimmen ging, stellte sich Hawley publikumswirksam gegen die eigene Parteileitung. Als erster Senator verlangte er eine Überprüfung der Resultate in den umstrittenen Swingstates, gegen den Willen von Minderheitsführer Mitch McConnell. Um den Anschluss nicht zu verpassen, sprangen weitere konservative Senatoren wie Ted Cruz oder Ron Johnson auf den Hawley-Zug auf.
Am Morgen des 6. Januars zeigte sich Hawley der Trump-Meute, die sich bereits vor dem Kapitol versammelt hatte, und liess sich dabei mit einem «fist bump», mit kämpferisch erhobener Faust, ablichten. Damit wollte er die bereits aufgeheizte Meute noch weiter anfeuern. Natürlich machte Hawley seine pseudo-revolutionäre Geste gut geschützt hinter einem Polizei-Kordon.
Als der Mob später tatsächlich das Kapitol stürmte, bekam es Hawley sehr rasch mit der Angst zu tun. Der Ausschuss zur Abklärung der Ereignisse vom 6. Januar 2021 hat in seinem letzten Hearing genüsslich eine Video-Sequenz gezeigt. Darin sieht man, wie der Senator vor ebendiesem Mob, den er Stunden zuvor angefeuert hat, panikartig flieht.
Die Bilder sind verheerend. Hawley ist zum Sinnbild eines Feiglings und Heuchlers geworden. Über jede Menge Memes im Internet und hämische Kommentare in allen Medien braucht er sich seither nicht mehr zu sorgen. Die Karriere des überehrgeizigen Senators – ihm werden auch Ambitionen aufs Weisse Haus nachgesagt – hat zumindest einen kräftigen Knick, wenn nicht gar einen Todesstoss erhalten.
Inhaltlich ist Hawleys Flucht nicht relevant. Der Ausschuss konnte es sich offenbar schlicht nicht verkneifen, ihm eine Lektion zu erteilen. Insgesamt jedoch hat dieser Ausschuss Trump und der Grand Old Party (GOP) arg zugesetzt. «Der Damm beginnt zu bröckeln», stellt Liz Cheney, Vize-Präsidentin des Ausschusses, fest.
Das ist mehr als die Feststellung einer resoluten Politikerin, die es sich zum erklärten Ziel gemacht hat, zu verhindern, dass Trump jemals wieder einen Fuss ins Oval Office setzen kann. Zahlreiche Umfragen und eine Flut von Kommentaren in den US-Medien kommen zum gleichen Ergebnis. So schreibt etwa E. J. Dionne in der «Washington Post»: «Die Aufgabe des Ausschusses besteht darin, dafür zu sorgen, dass Trump zu Verantwortung gezogen wird – moralisch, politisch und rechtlich. An all diesen Fronten zeigt der Damm tatsächlich Risse.»
Es ist nicht so, dass die Republikaner nun Trump massenhaft die Liebe aufkündigen. Aber sie werden seiner allmählich überdrüssig. Die Fixierung des Ex-Präsidenten auf die verlorenen Wahlen wird für diesen zu einem Handicap, vor allem, weil sein interner Rivale Ron DeSantis dies geschickt auszunutzen weiss. Während Trump immer noch von der Big Lie schwafelt und dabei in Selbstmitleid versinkt, greift der Gouverneur die Themen auf, welche die Basis beschäftigen: der Krieg gegen die Woke-Kultur, die Inflation, die Situation an der Grenze zu Mexiko und die zunehmende Kriminalität.
Erschwerend für Trump kommt hinzu, dass die Republikaner im Gegenwind der Entwicklungen der letzten Wochen stehen. Die Schwangerschafts- und Waffenurteile des Supreme Court mögen die Konservativsten der konservativen Basis der GOP erfreuen, die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner lehnt sie ab.
Die aktuelle Hitzewelle macht einmal mehr klar, wie dringend der Kampf gegen die Klimaerwärmung geworden ist – und wie absurd das Verleugnen dieses Problems bei den Republikanern ist. Zu glauben, dass allein der Benzinpreis es bei den Zwischenwahlen richten wird, könnte sich daher als Irrtum herausstellen.
Geradezu verheerend für Trump könnte es sein, dass er im Begriff ist, die Unterstützung des mächtigen Verlegers Rupert Murdoch zu verlieren. Bei Fox News mögen Sean Hannity & Co. noch felsenfest hinter dem Ex-Präsidenten stehen, die wichtigsten Printmedien von Murdoch haben ihn jedoch bereist fallengelassen.
«Trump hat bewiesen, dass er unwürdig ist, das Amt des Präsidenten auszuüben», stellt das einflussreiche Boulevardblatt «New York Post» fest. Das vornehme «Wall Street Journal» sekundiert wie folgt: «Der Charakter offenbart sich in einer Krise. Mr. Pence hat am 6. Januar seinen Charakter-Test bestanden. Mr. Trump hat total versagt.»
Ja was denn sonst. Hawley ist Rechtspopulist. Das sind nun mal Heuchler und Profiteure.
Das wird ihn kaum daran hindern es nicht zu versuchen. Wer ihn aufstellt und auch wählt, weiss diesmal was er bekommen wird.
Tja, wo kein Charakter ist, gibt’s auch nichts zu testen.