Bis zum November 2020 war Dominion Voting Systems ein kleines, relativ unbekanntes Unternehmen. Der Hersteller von Wahlmaschinen aus Denver besass nicht einmal einen Kommunikationschef. Dominion war daher völlig unvorbereitet, als nach den Wahlen ein Sturm von gewaltigem Ausmass über das Unternehmen hereinbrach.
Donald Trump und seine Anwälte stellten ohne Beweis die Verschwörungstheorie in die Welt, die Wahlmaschinen seien zugunsten Bidens manipuliert gewesen. Weil Fox News, der grösste News-Sender des Landes, begann, diesen Unsinn fast täglich in die Welt hinauszuposaunen, sah sich Dominion unverhofft in seiner Existenz bedroht. Mehrere konservative Bundesstaaten kündigten an, künftig auf seine Dienste verzichten zu wollen.
Dominion gab jedoch nicht klein bei. Es engagierte den Kommunikationsspezialisten Tony Fratto, einst stellvertretender Pressesprecher von Präsident George W. Bush. Unter dessen Führung wurde ein Rechercheteam zusammengestellt, das 3600 E-Mails an Mitarbeiter von Fox News verschickte, in der Absicht, zu ermitteln, wie der TV-Sender zu seinen absurden Behauptungen kam.
Das Ergebnis übertraf die kühnsten Erwartungen. Interne E-Mails wurden gefunden, in denen Starmoderatoren wie Sean Hannity und Laura Ingraham offen bekannten, dass sie nicht eine Sekunde an die These der manipulierten Wahlmaschinen glaubten. Tucker Carlson schrieb gar, dass er Trump «leidenschaftlich» hasse. Gleichzeitig forderte der aktuelle Fox-News-Superstar jedoch, dass man eine Journalistin, die darauf hinwies, dass die Fakten die Verschwörungstheorie in keiner Weise unterstützen würden, sofort entlassen müsse. Zu gross sei der Schaden für den Aktienkurs.
Ausgerüstet mit diesem Material reichten die Anwälte von Dominion eine Verleumdungsklage gegen Fox News beim Delaware Superior Court ein. In diesem Bundesstaat ist der Murdoch-Sender als Aktiengesellschaft eingetragen. Einen solchen Zivilprozess zu gewinnen, ist äusserst schwierig. Dank des ersten Zusatzes der amerikanischen Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert, und eines Urteils des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1964 sind die US-Medien sehr wirksam gegen Klagen dieser Art geschützt.
Dominion ist dieses Kunststück gelungen, einmal, weil das Beweismaterial so erdrückend ist, dass die erforderliche «bewusste Boshaftigkeit» nachgewiesen werden kann. Geholfen hat auch die Arroganz der Anwälte von Fox News, welche die Klage lange auf die leichte Schulter nahmen. Schliesslich wollte es das Schicksal, dass der Fall vor Richter Eric Davis landete, einem Mann, mit dem nicht zu spassen ist. Schon vor Prozessbeginn erklärte er unmissverständlich: «Die Beweise in diesem Zivilprozess zeigen glasklar, dass keine der Aussagen bezüglich Dominion und der Wahlen 2020 der Wahrheit entspricht.»
Gestern hätte der Prozess beginnen sollen. Alles war bereit für ein Spektakel. Es wurde erwartet, dass die Starmoderatoren höchstpersönlich in den Zeugenstand treten und eine peinliche Befragung über sich ergehen lassen müssen. Selbst der Verleger Rupert Murdoch war als Zeuge vorgesehen.
Im letzten Moment wurde das Ganze abgeblasen. Fox News stimmte einem Vergleich zu, in dem sich das Unternehmen verpflichtet, 787,5 Millionen Dollar Schadenersatz zu bezahlen. Das entspricht fast der Hälfte der 1,6 Milliarden Dollar, die Dominion ursprünglich gefordert hatte, und es ist eine der höchsten Summen, die je ein Medienunternehmen als Schadenersatz entrichten musste. Es entspricht auch zwei Dritteln des Gewinns von Fox News im letzten Jahr.
Trotz des Sieges von David Dominion über Goliath Fox News macht sich eine leise Enttäuschung breit. In diesem Prozess wäre es um weit mehr als um schnöden Mammon gegangen, die Grenzen der Meinungsfreiheit in einer Demokratie hätten ausgelotet werden sollen. Daraus wird nun nichts, und Fox News wird eine wochenlange Demütigung erspart. Selbst eine öffentliche Entschuldigung muss der Murdoch-Sender offenbar nicht leisten. «Geld ist Rechenschaftspflicht, und das haben wir heute von Fox erhalten», erklärte Stephen Shakelford, einer der Anwälte von Dominion.
Fox News liess derweil verlauten: «Wir anerkennen, dass das Gericht entschieden hat, dass einige unserer Behauptungen über Dominion nicht der Wahrheit entsprechen. Der Vergleich reflektiert das kontinuierliche Bemühen von Fox, die höchsten journalistischen Standards einzuhalten.»
Die leise Enttäuschung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Dominion enorm viel erreicht hat und dass es sein gutes Recht ist, zunächst für sich selbst zu sorgen. Wir sprechen hier von einem Zivilprozess, in dem es tatsächlich primär um Geld geht.
Fox News wurde dabei gedemütigt wie noch nie und wird möglicherweise künftig ein bisschen vorsichtiger agieren. So sind die beiden letzten Interviews mit Trump nicht live gesendet, sondern aufgezeichnet worden, weil man offensichtlich befürchtet hat, der Ex-Präsident hätte mit seinen notorisch unbedachten Äusserungen noch mehr Öl ins Feuer giessen können.
Ebenso ist die Scheinheiligkeit und der blanke Zynismus des Senders und vor allem dessen Starmoderatoren öffentlich demonstriert worden. Carlson, Hannity & Co, die jährlich Honorare in der Höhe von 30 Millionen Dollar und mehr kassieren, geben sich als Vertreter des kleinen Mannes, wüten gegen eine Elite und verkaufen Fox News als grosse glückliche Familie. Dieses Bild hat nun nicht nur bei Insidern Risse bekommen.
Schliesslich ist Fox News noch nicht aus dem Schneider. Auch Smartmatic, ein Hersteller für Software für die Wahlmaschinen, hat den Sender verklagt, und zwar gar auf 2,7 Milliarden Dollar. Ein Richter in New York hat diese Klage zugelassen. Smartmatic-Anwalt Erik Connolly hat denn auch bereits angekündigt: «Die Klage von Dominion hat einen Teil des Schadens aufgezeigt, der durch die Desinformationskampagne von Fox entstanden ist. Wir werden den Rest erledigen.»
Auch die halten (zu Recht) ihre Wähler für strohdumm. Tischen Lüge um Lüge auf, um Wähler zu generieren. Wie die Republikaner in den USA und deren Haussender Fox News.
Schade, kommt es nicht zu einer Gerichtsverhandlung.