International
Analyse

Iranischer Vergeltungsschlag gegen Israel: Verzögerung wegen Olympia?

epaselect epa11538059 Nahid Kiyanichanden of Iran reacts defeated by Yuin Kim of South Korea during their Women 57kg Gold Medal bout of the Taekwondo competitions in the Paris 2024 Olympic Games, at t ...
Die Iranerin Nahid Kiani freut sich über ihre Silbermedaille im Taekwondo.Bild: keystone
Analyse

Hat der «Olympische Frieden» einen Angriff Irans auf Israel verhindert?

Seit Tagen wird ein Vergeltungsschlag Irans gegen Israel für die Tötung von Hamas-Chef Ismail Hanija befürchtet. Passiert ist bislang nichts. Das lag vielleicht an Olympia in Paris.
12.08.2024, 16:3612.08.2024, 17:43
Mehr «International»

Der «Olympische Frieden» ist Teil des Mythos um das weltgrösste Sportereignis. Es geht zurück auf das antike Griechenland. Damals verpflichteten sich die Teilnehmer zu einem Waffenstillstand, um eine sichere Durchführung der Spiele in Olympia zu ermöglichen. In den meisten Fällen wurde die sogenannte Ekecheira eingehalten, allerdings nicht immer.

Die Spiele der Neuzeit versuchen, an diese Tradition anzuknüpfen. Mit geringem Erfolg. Während der beiden Weltkriege mussten die Olympischen Spiele abgesagt werden. Zwischen 1976 und 1984 wurden drei Sommerspiele in Folge durch Boykotte erschüttert. Und nicht nur in Berlin 1936 wurden sie für Propagandazwecke instrumentalisiert.

People attend a flash mob to highlight the plight of hundreds of Ukrainian athletes and coaches, both amateur and professional, who were killed as a result of Russia's war in Ukraine in Paris, Fr ...
Ein Flashmob protestierte am 31. Juli in Paris gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.Bild: keystone

Die Idee des «Olympischen Friedens» aber lebt. Im letzten November verabschiedete die UNO-Generalversammlung eine Resolution für einen Waffenstillstand von sieben Tagen vor den Olympischen Spielen bis sieben Tagen nach den Paralympischen Spielen in Paris, also vom 19. Juli bis 15. September 2024. Auch in diesem Fall mit wenig Erfolg.

Drei Tötungen durch Israel

Im Ukraine-Krieg haben sich die Kampfhandlungen zuletzt intensiviert. Auch der Gaza-Krieg wird mit grosser Härte weitergeführt. Und doch kann man sich fragen, ob die Olympischen Spiele in Paris in einem damit verbundenen Konflikt eine deeskalierende Wirkung hatten. Es geht um den drohenden Vergeltungsschlag Irans und seiner Verbündeten gegen Israel.

Am 31. Juli, als die Spiele bereits im Gang waren, wurde Ismail Hanija, der Chef der Terrororganisation Hamas, bei einem Besuch in Teheran getötet. Verübt wurde der Anschlag vermutlich vom israelischen Geheimdienst Mossad. Zuvor hatte Israel einen Kommandanten der Hisbollah im Libanon getötet, ebenso Mohammed Deif, den Hamas-Militärchef in Gaza.

Flächenbrand wäre Tatsache

Der iranische Revolutionsführer Ali Chamenei kündigte eine harte Bestrafung an. Er soll einen direkten Angriff auf Israel befohlen haben. Daran könnten sich die von Iran unterstützten und finanzierten Milizen in Irak, Syrien, Libanon und Jemen beteiligen. Der befürchtete regionale Flächenbrand, der im April vermieden werden konnte, wäre Tatsache.

Mehrfach hiess es in den letzten Tagen, der Angriff stehe unmittelbar bevor. Am letzten Mittwoch sorgte Ägypten mit der Anweisung an seine Airlines, den iranischen Luftraum in der folgenden Nacht für drei Stunden zu meiden, für Unruhe. Doch bislang ist nichts passiert. Die befürchtete Gewalteskalation in Nahost hat (noch) nicht stattgefunden.

Macron telefoniert mit Peseschkian

Liegt es an den martialischen Drohungen aus Israel an die Adresse Irans und Libanons? An den hektischen Bemühungen arabischer und westlicher Staaten, eine Gewaltspirale zu verhindern? An ihnen beteiligte sich auch der französische Staatschef Emmanuel Macron. Er telefonierte letzte Woche mit dem neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian.

Hat er ihn ermahnt, den «Olympischen Frieden» einzuhalten? In der offiziellen Mitteilung des Élysée-Palasts steht nichts dergleichen. Aber für Macron als Olympia-Gastgeber wäre dies naheliegend. Tatsächlich könnten die Spiele beim Entscheid Irans, bislang auf einen Militärschlag zu verzichten, eine Rolle gespielt haben, aus einem bestimmten Grund.

Medaillen in Ringen und Taekwondo

Die Islamische Republik Iran schnitt in Paris mit insgesamt zwölf Medaillen, davon drei aus Gold, ansprechend ab. Was auffällt: Sie wurden ausschliesslich in zwei Sportarten gewonnen: Ringen und Taekwondo. Beide wurden erst in der zweiten Olympiawoche ausgetragen. Noch am Samstag bejubelten die Iraner einen Olympiasieg im Taekwondo.

epa11544981 Amir Ali Azarpira of Iran (red) wins the Men's Freestyle 97kg Bronze Medal Match against Kyle Frederick Snyder of the US at the Wrestling competitions in the Paris 2024 Olympic Games, ...
Am letzten Olympiatag gewann der Iraner Amir Ali Azarpira (r.) Bronze im Freistilringen – und das ausgerechnet gegen den Amerikaner Kyle Snyder.Bild: keystone

Die Feiern über diese Erfolge wären beträchtlich getrübt, wenn nicht verunmöglicht worden, wenn Iran und seine Verbündeten gleichzeitig ein Inferno gegen Israel angezettelt hätten. So aber konnten die Medaillen ohne «Nebengeräusche» vergeben werden. Es ist zumindest denkbar, dass der Vergeltungsschlag aus diesem Grund bisher nicht stattfand.

Putins doppelter «Friedensbruch»

Allzu viel erhoffen darf man sich davon nicht. Das hat der russische Machthaber Wladimir Putin zweimal vorgemacht. Noch vor dem Ende der Heim-Winterspiele in Sotschi 2014 gab er den Befehl zu Annexion der Krim. Und nur vier Tage nach Abschluss der Winterspiele in Peking im Februar 2022 liess er seine Armee in der Ukraine einmarschieren.

Zur Eröffnungsfeier hatte sich Putin mit Chinas Machthaber Xi Jinping getroffen. Ob er ihn in seine Invasionspläne eingeweiht hat, wird von Analysten und Geheimdiensten kontrovers beurteilt. Die Vermutung aber drängt sich regelrecht auf, dass Putin aus Rücksicht auf das Sportfest beim wichtigsten Verbündeten mit dem Angriffsbefehl zugewartet hat.

Das Internationale Olympische Komitee (IOK) immerhin reagierte, indem es Russland und seinen Vasallen Belarus von den Spielen in Paris ausschloss. Athleten aus diesen Ländern durften nur unter neutraler Flagge antreten. Ob das Iran beeindrucken wird? Wohl kaum. Der «Olympische Frieden» hat die Eskalation in Nahost bestenfalls hinausgezögert.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die besten Bilder der Olympischen Spiele 2024 in Paris
1 / 100
Die besten Bilder der Olympischen Spiele 2024 in Paris
Die Französin Marie Oteiza wählt im Modernen Fünfkampf eine eher weniger elegante Variante des Absteigens vom Pferd.
quelle: keystone / mosa'ab elshamy)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Irans nützliche Idioten» – Das war Netanjahus Rede vor dem US-Kongress
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
36 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
uicked
12.08.2024 16:50registriert Oktober 2017
Wohl kaum.
795
Melden
Zum Kommentar
avatar
TC mekanik
12.08.2024 17:19registriert September 2020
Nein, der Mars ist rückläufig, deshalb ist nichts passiert.

*Ironie-off*
626
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tschowanni
12.08.2024 18:18registriert Oktober 2015
Ja genau. Dem Iranischen Regime sind Sportveranstaltungen ja auch so wichtig, vorallem wenn die Medien das dann "Olympischer Frieden" nennen. 🤦
222
Melden
Zum Kommentar
36
    Wegen Massentourismus: Playa de Palma will Billig-Hotels modernisieren oder schliessen
    Mallorca will den Massentourismus eindämmen. Der Bürgermeister von Palma hat dazu auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin ehrgeizige Pläne vorgestellt.

    Weg vom Massentourismus und hin zu exklusiveren Gästen: Palma auf Mallorca will sein Strandquartier Playa de Palma modernisieren und sicherer machen. Palmas Bürgermeister Jaime Martínez kündigte dazu auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin an, 21,5 Millionen Euro in die Modernisierung des Tourismusortes investieren zu wollen. Der Etat solle zur Verbesserung von öffentlichen Einrichtungen und Sicherheit genutzt werden.

    Zur Story