Die seltsame Wandlung der Marjorie Taylor Greene
Bekannt wurde Marjorie Taylor Greene mit ihrem Ausspruch, die Waldbrände in Kalifornien seien durch jüdische Laserkanonen aus dem All ausgelöst worden. Damit war klar: Die 2021 gewählte Abgeordnete aus dem Bundesstaat Georgia hat nicht nur ein IQ-Problem, sie ist auch gefangen von Verschwörungstheorien, wie sie von der Sekte QAnon verbreitet werden.
Dass sich Greene in der Folge gerne mit Sturmgewehren ablichten liess, und dass sie sich bei der «State of the Union»-Rede von Präsident Joe Biden unflätig benahm und auch in einem unpassenden Outfit erschien, verbesserte ihr Image nicht wirklich. Kurz: MTG, wie sie gerne auch genannt wird, war der Inbegriff der MAGA-Meute und von dem, was gelegentlich abschätzig «white trash» genannt wird.
Plötzlich ist alles anders. Greene fordert gegen den ausdrücklichen Willen von Donald Trump, dass die Epstein-Files veröffentlicht werden. Mehr noch, sie hält zusammen mit Ro Khanna, einem progressiven Abgeordneten aus Kalifornien und Thomas Massie, einem republikanischen Abgeordneten aus Kentucky, der jedoch mit Trump im Streit liegt, und mehreren Epstein-Opfern eine viel beachtete Pressekonferenz auf den Stufen des Kapitols ab. «Ms. Green ist kein Teamplayer für die Republikaner mehr», stellt die «New York Times» erstaunt fest. «Und sie wird nicht mehr länger als Witz angesehen.»
Selbst Progressive geben sich beeindruckt. So erklärt Zaid Jilani, der für einen linken Thinktank arbeitet, ebenfalls in der «New York Times»: «Marjorie Taylor Greene ist im Begriff, meinen Respekt zu gewinnen.»
Die Tage, an denen MTG belächelt wurde, sind vorbei. «Sie weiss bei allen wichtigen Themen genau, wie die Basis fühlt, und sie weiss, wohin der Puck sich bewegt», lobt sie Steve Bannon, der ehemalige Chefstratege von Trump.
MTGs Emanzipation von Trump geht soweit, dass sie nicht mehr auf dessen Unterstützung angewiesen ist. Sie habe ihre Primärwahlen ohne eine Empfehlung des Präsidenten gewonnen, sagt sie selbstbewusst und fügt hinzu: «Ich bin jetzt sehr selbstständig geworden.»
Ihr neuer Freund, der Journalist Brian Glenn – ja der, der Wolodymyr Selenksyj im Oval Office angepflaumt hatte, weshalb er keinen Anzug trage – geht gar einen Schritt weiter und bezeichnet MTG als «moderne Feministin».
Mit den Juden kann es MTG immer noch nicht. Sie hat es gewagt, das Vorgehen der Israeli im Gazastreifen als «Völkermord» zu bezeichnen. «Man kann tote Kinder nicht ungesehen machen», erklärt sie dazu. «Das ist kein Fake. Das ist keine Kriegspropaganda. Das sind keine Schauspieler. Und werden nicht auch Journalisten in die Luft gejagt und umgebracht? Das geschieht in keinem anderen Krieg, und es schockiert mich.»
MTG geht damit auf Konfrontationskurs mit einem Teil der Juden und dem Weissen Haus. Sie ist ihrer Sache jedoch sicher. «Ich habe mehrere christliche Pfarrer befragt», sagt sei. «Sie sagten mir, es handle sich tatsächlich um Völkermord. Unschuldige Menschen werden getötet.»
AIPAC, die Lobbyorganisation der Juden, nimmt MTG deshalb ins Visier. Ihr Sprecher Marshall Wittmann erklärt, Ms. Greene sei im Verbund mit «Ilhan Omar (einer muslimischen Abgeordneten aus Minnesota, Anm. d. Verf.) und Bernie Sanders und widerspreche vollständig dem Kurs ihrer republikanischen Kollegen und Präsident Trump, welche sich unerschütterlich hinter den jüdischen Staat stellen würden».
Auch das kümmert MTG nicht. Sie kommt aus einem Wahlkreis, der nicht nur christlich, sondern gar evangelikal geprägt ist. Diese würden ihr sagen: «Marjorie, wir geben dir Recht. Das ist Völkermord.»
Nicht nur ihre Wählerinnen und Wähler stehen hinter ihr. MTG ist Teil einer Bewegung, die innerhalb von MAGA immer mächtiger wird: die christlichen Nationalisten. Seit dem Mord an Charlie Kirk erhält dieser Flügel der Grand Old Party mächtig Aufwind. An dessen Bestattungsfeier rief Jack Posobiec, ein rechtsextremer Aktivist, den Anwesenden zu: «Seid ihr bereit, Gottes Rüstung anzuziehen und dem Bösen an der Spitze ins Auge zu schauen und einen spirituellen Krieg zu führen? Dann zieht die ganze Rüstung von Gott an, und zwar jetzt. Die Zeit ist gekommen. Der Ort ist hier.»
Die christlichen Nationalisten streben einen autoritären Staat an, in dem die Teilung von Kirche und Staat wieder aufgehoben wird. Sie organisieren sich in einer Bewegung, die New Apostolic Reformation (NAR) genannt wird, und sie wollen das Attentat auf Kirk als Anlass zu einem neuen «Great Awakening» nehmen. Als «Grosses Erwachen» bezeichnet man eine Reihe von Erweckungsbewegungen, die in der Vergangenheit die USA erschüttert haben.
Lance Wallnau, einer der Führer der NAR, bezeichnet Kirk gemäss dem Magazin «The Atlantic» als «den ersten Märtyrer des Dritten Awakenings». Er sei von «satanischen Mächten» umgebracht worden. «Dämonische Kräfte» würden sich «wie ein Krebs» in den USA verbreiten. Und ein texanischer Pastor postete auf X: «Christen müssen wieder lernen, zu hassen.»
So weit geht MTG (noch) nicht. In einem Punkt stimmt sie immer noch mit Trump überein: Auch sie will von einer Versöhnung mit den Demokraten nichts wissen. Stattdessen fordert sie eine «friedliche nationale Scheidung».