Trump und die dekadente Great-Gatsby-Party
«The Great Gatsby» von F. Scott Fitzgerald gilt als Kultroman, mit dem jedes amerikanische Kind irgendwann in der Highschool konfrontiert wird. Erschienen ist er 1925 und er beschreibt die Zustände in einer fiktiven Stadt auf der Insel Long Island in der Nähe von New York. Jay Gatsby, die Schlüsselfigur, ist ein junger Millionär – heute wäre er Milliardär –, der mit undurchsichtigen Geschäften reich wurde und einen üppigen, dekadenten Lebensstil pflegt.
«The Great Gatsby» ist ein Sittengemälde, eine Abrechnung mit einer Periode, in der die USA von gierigen und dekadenten Menschen dominiert wurden. Wie Donald Trump deshalb auf die Idee kam, seine Halloween-Party vom vergangenen Wochenende in seiner Residenz Mar-a-Lago unter dieses Motto zu stellen, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Da er nie liest, hat er den Roman sicher nicht gelesen. Okay, vielleicht hat er den Film gesehen.
Auf jeden Fall wurde seine Party ganz im Stil der Zwanzigerjahre gehalten. Dekoration, Kleider und Musik waren originalgetreu. Champagner floss in Strömen. Was konnte da schon schiefgehen? Schliesslich habe «eine kleine Party noch nie jemandem geschadet», wie die Sprecherin des Weissen Hauses verlauten liess.
Vielleicht doch. Um es milde auszudrücken: Zeitpunkt und Motto für Trumps «kleine Party» waren suboptimal gewählt. Während sich seine Entourage im dekadenten Zwanzigerjahre-Sumpf suhlte, erloschen wegen des Shutdowns für rund 40 Millionen Menschen – die Hälfte davon Kinder – die sogenannten «Food Stamps», die Gutscheine für den Bezug von Lebensmitteln.
Staatsangestellte müssen ebenfalls wegen des Shutdowns seit Wochen auf ihren Lohn warten, sofern sie nicht schon gefeuert wurden. Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern müssen ab kommendem Jahr mit teilweise massiv erhöhten Krankenkassenprämien rechnen, sofern sie den Schutz nicht völlig verlieren. Gleichzeitig werden Rindfleisch und Kaffee fast täglich teurer, von den Mieten gar nicht zu sprechen.
Kein Wunder, ist der Präsident derzeit alles andere als beliebt. So hat eine Umfrage von CNN soeben ergeben, dass bloss noch 37 Prozent der Befragten seinen Kurs billigen. Eine Umfrage von ABC hat ähnlich miserable Werte ergeben. Aufgeschreckt durch diese Resultate hat das Weisse Haus jetzt plötzlich noch eine Kasse gefunden, um zumindest die Hälfte der Food Stamps weiter zu finanzieren.
Ins traurige Bild, das die Trump-Regierung derzeit abgibt, passt auch der Ballroom. Dieses glamouröse Monster wächst wie ein Krebsgeschwür. Anfänglich sollte es 200 Millionen Dollar kosten und 600 Besuchern Platz bieten. Zudem hatte der Präsident versprochen, bestehende Bauten nicht anzutasten. Inzwischen hat er den Ostflügel abreissen lassen, die Kosten sind auf über 300 Millionen Dollar gestiegen – ein Zwischenresultat – und rund 1000 Menschen sollen sich dereinst darin vergnügen, und das im besten Fall ein halbes Dutzendmal pro Jahr.
Die sinnlose Protzerei mit dem Ballroom stösst ebenfalls auf wenig Gegenliebe. Die Amerikaner lehnen das geplante Monster im Verhältnis von zwei zu eins ab. Nicht nur der aggressive Goldglanz missfällt ihnen, auch die Art und Weise, wie er finanziert wird, denn nicht Steuergelder sollen dazu verwendet werden, wie es sich eigentlich für staatliche Bauten gehört. Trump hat vielmehr die Oligarchen und die multinationalen Konzerne dazu aufgerufen, zu spenden. Gedacht hat er dabei an einen Scheck in der Höhe von 25 Millionen Dollar.
Einen solchen Betrag mögen Unternehmen wie Microsoft, Apple, Amazon, BlackRock oder Lockheed Martin aus der Porto-Kasse berappen. Trotzdem erwarten sie eine Gegenleistung, Aufträge in Milliardenhöhe von der Regierung, die sie auch erhalten. Mit dem Ballroom treibt die ohnehin schon wuchernde Korruption der Trump-Regierung neue Blüten.
Nun kann man einwenden, dass auch andere Präsidenten zu Spenden aufgerufen haben. Die Clintons beispielsweise haben seinerzeit eine Stiftung gegründet, dank der man sich Zugang zum Weissen Haus kaufen konnte. Doch im Vergleich zu Trump war das ein Klecks. Oder wie es Jonathan Chait im «Atlantic» formuliert: «Eine Spende zur Clinton-Stiftung lässt sich vergleichen mit dem Bezahlen eines Diners für seine Begleitung an einem Ball. Wer für die Trump-Stiftung spendet, bringt eine Faust voll Dollar mit in ein Bordell.»
Die Parallelen erstrecken sich nicht nur auf Äusserlichkeiten. Wie die Zwanzigerjahre ist auch die Gegenwart von grossen technischen und wirtschaftlichen Veränderungen geprägt. Was heute Nvidia ist, war damals RCS, der führende Radiohersteller. An der Börse blähte sich eine Blase auf und in der realen Wirtschaft öffnete sich die Schere von Reich und Arm immer weiter.
Auch in der Politik mangelt es nicht an ähnlichen Phänomenen. Die Machtübernahme von Benito Mussolini in Italien beflügelte Rechtsextremisten auch in den USA. Heute lassen ihre Gesinnungs-Nachkommen zunehmend ihre Maske fallen. So hat das Nachrichtenportal «politico» kürzlich enthüllt, dass junge Führungskräfte sich in einem Chat über den Holocaust lustig gemacht und Schwarze beschimpft haben. Die Trump-Regierung musste derweil den Anwärter für einen Kabinettsposten zurückziehen, weil dieser sich gerühmt hatte, «eine Neigung zu Nazis» zu haben.
Scott Fitzgeralds Roman hat kein Happy End. Jay Gatsby wird erschossen und der Erzähler der Geschichte schildert ihn und seine Geliebte wie folgt: «Sie zerbrachen Dinge und Menschen und zogen sich dann in ihr Geld und ihre unendliche Rücksichtslosigkeit zurück, oder was immer sie verband, und liessen andere die Sauerei aufräumen, die sie verursacht hatten.»
