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Wie mächtig ist Donald Trump wirklich?

Trump als Joker
KI-Bild: Wikimedia Commons
Analyse

Wie mächtig ist Donald Trump wirklich?

Vor seinem Amtsantritt scheint der wieder gewählte Präsident auf dem Gipfel seiner Macht zu sein.
14.01.2025, 12:0214.01.2025, 13:12
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Seit dem 5. November kann man den Zustand der politischen Welt in einem kurzen Satz zusammenfassen: Warten auf Donald Trump. Das Schicksal der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, aber auch die Zukunft der Weltwirtschaft und der Weltordnung scheinen von den nicht voraussehbaren Launen des Mannes abhängig zu sein, der in einer Woche wieder ins Weisse Haus einziehen wird.

Kleinere Störmanöver wie aktuell der Bericht des Sonderermittlers Jack Smith oder die Verkündung des Strafmasses im Schweigegeld-Urteil können daran nichts ändern. Trump wischt sie weg wie lästige Fliegen, denn fast alles scheint sich derzeit zu seinen Gunsten zu entwickeln:

  • Der Nominierungs-Flop mit Matt Gaetz als Justizminister wird voraussichtlich die Ausnahme bleiben. Die anderen Mitglieder des «Clown-Zirkus» – Peter Hegseth als Verteidigungsminister, Tulsi Gabbard als Chefin der Geheimdienste, Kash Patel als neuer FBI-Chef und Robert F. Kennedy als Gesundheitsminister – haben gute Chancen, vom Senat bestätigt zu werden.
  • Die Demokraten scheinen nicht in der Lage zu sein, eine wirkungsvolle Opposition zu bilden. Zu tief sitzt der Schock der verlorenen Wahl.
  • Die Tech-Oligarchen fressen Trump aus der Hand, nicht nur Elon Musk. Ob Jeff Bezos, Mark Zuckerberg oder Tim Cook, sie alle haben nicht nur eine Million Dollar für die Inaugurationsfeier gespendet, sie haben auch unisono den Ring des Präsidenten in Mar-a-Lago geküsst. «ALLE WOLLEN MEIN FREUND SEIN», konnte Trump auf seiner Plattform Truth Social frohlocken.
  • Die Medien werden mit ihrer Kritik an Trump zurückhaltender. Der zum Disney-Konzern gehörende TV-Sender ABC hat 15 Millionen Dollar bezahlt, um eine Verleumdungsklage von Trump abzuwehren; eine Klage, wohlverstanden, die auf mehr als wackligen juristischen Füssen stand. Twitter, sorry, X entwickelt sich derweil neben Fox News zum wichtigsten Propaganda-Organ der MAGA-Meute, und bei Facebook hat Mark Zuckerberg soeben die Fakten-Prüfer zurückgepfiffen.
  • Auf der internationalen Bühne kommen immer mehr Trump-Klone an die Schalthebel der Macht. Dass in Österreich wohl bald Herbert Kickl neuer Bundeskanzler werden wird, ist nur das jüngste von vielen Beispielen.

Nichts scheint also derzeit den Trump-Zug zum Entgleisen bringen zu können. Betriebsunfälle zeichnen sich allerdings bereits ab. Einige seiner im Wahlkampf ausgesprochenen Versprechen schwächt der wieder gewählte Präsident bereits wieder ab. So gibt er sich neuerdings ein halbes Jahr Zeit, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, obwohl er einst damit geprahlt hat, dieses Ziel an seinem ersten Amtstag zu erreichen. Auch was die Bekämpfung der Inflation betrifft, will sich Trump offenbar mehr Zeit lassen.

Trump hat die Partei im Griff

Die Mitglieder der Grand Old Party folgen Trump zwar wie gut erzogene Hunde. «Wenn Trump sagt, wir sollen einen Meter in die Luft springen und uns dabei am Kopf kratzen, dann tun wir genau das», wie es ein Abgeordneter aus Texas formulierte. Trotzdem kommt es gelegentlich zu Pannen. So konnte der wieder gewählte Präsident das Abgeordnetenhaus nicht davon überzeugen, die Schuldenobergrenze aufzuheben. Zudem hat er die Wahlen nicht erdrutschartig gewonnen, die Mehrheitsverhältnisse im Kongress sind äusserst knapp.

Als Zeitbombe könnte sich auch der Konflikt zwischen Elon Musk und Steve Bannon erweisen. Dabei geht es um Folgendes: Musk will mit einem speziellen Visum im grossen Stil Software-Ingenieure aus Asien einreisen lassen. Bannon ist strikt dagegen. Der Konflikt der beiden hat sich in den letzten Tagen zugespitzt.

Bannon hat Musk in einem Interview mit der italienischen Zeitung «Corriere della Sera» aufgefordert, doch bitte nach Südafrika zurückzukehren und ihn als «wirklich üblen Typ» beschimpft. Musk antwortet derweil auf seiner Plattform X mit Posts wie «F… dich. Ich werde in dieser Angelegenheit einen Krieg anzetteln, wie du ihn dir nicht vorstellen kannst».

In den letzten vier Jahren war Trump in der Opposition und konnte – wie es einst Präsident Lyndon Johnson vulgär formulierte – von draussen ins Regierungszelt pissen. In einer Woche ändert sich das schlagartig. Jetzt muss er selbst die Verantwortung übernehmen, und er wird an seinen vollmundigen Versprechen gemessen werden.

Joe Biden hat Trump zwar eine intakte Wirtschaft hinterlassen. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich dies bald ändern könnte:

  • Die amerikanischen Finanzmärkte sind überhitzt und damit Crash-anfällig. Ein krasses Beispiel: Tesla und der chinesische Elektroautohersteller BYD erzielen in etwa den gleichen Umsatz. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der BYD-Aktie liegt bei 15, bei Tesla bei 120.
  • Während sich die Tech-Aktien auf gefährlich hohem Niveau befinden, machen sich wieder wie vor der Finanzkrise 2008 dubiose Derivate breit. Der aktuelle Krypto-Boom könnte ebenfalls der Anfang einer neuen Blase sein.
  • Die steigenden Renditen und die fallenden Kurse auf dem Markt der Staatsanleihen deuten derweil darauf hin, dass der Glaube an einen gesunden Staatshaushalt fehlt. Die amerikanische Staatsschulden-Quote hat bereits die 100-Prozent-Marke gerissen, und Trump ist nicht für seine Sparsamkeit bekannt.
  • International beginnen sich die einzelnen Nationen darüber abzusprechen, wie sie allfällige Strafzölle und andere Schikanen der USA umgehen können.
A plane carrying Donald Trump Jr. lands in Nuuk, Greenland, Tuesday, Jan. 7, 2025. (Emil Stach/Ritzau Scanpix via AP)
Der Trump-Jet landet in Grönland.Bild: keystone

Auch aussenpolitisch muss Trump mit Gegenwind rechnen. Seine flapsige Bemerkung, Grönland, Panama und Kanada notfalls militärisch in die Knie zu zwingen, ist auf der internationalen Bühne gar nicht gut angekommen. «Selbst wenn Trump diese Drohungen nicht umsetzen wird, hat er damit bereits grossen Schaden für das amerikanische Ansehen rund um die Welt und bei seinen Alliierten angerichtet», stellt Gideon Rachman in der «Financial Times» fest. «Und dabei ist er noch nicht einmal im Amt.»

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Trump Jr. trifft in Grönland ein
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Trump Jr. trifft in Grönland ein
Donald Trump Jr. posiert für Fotos nach seiner Ankunft in Nuuk.
quelle: keystone / emil stach
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86 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ingmarbergman
14.01.2025 12:35registriert August 2017
Es ist wie immer: Die Demokraten hinterlassen eine stabile Wirtschaft mit Haushaltsüberschüssen, nachdem sie zuerst das hinterlassene Defizit aufräumen mussten. Die Republikaner kommen an die Macht und senken die Steuern für Milliardäre und Konzerne. Der Haushalt kippt, die Wirtschaft crasht. Die Reps werden abgewählt und die Dems dürfen wieder aufräumen.
Und natürlich sind dann die Linken schuld.

In der Schweiz wollen uns SVP/FDP in den gleichen Wahnsinn stürzen mit irrsinnigen Steuersenkungen.
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haniau
14.01.2025 12:36registriert Mai 2021
Hab ich irgendwo mal gelesen, stimmt auch hier.
"Wenn ein Narr in einen Palast einzieht, so wird er nicht zum König - aber der Palast wird zum Narrenhaus !"
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herrelsener
14.01.2025 12:34registriert Juli 2023
Der Schuldenberg der USA wächst Jahr um Jahr und steht aktuell bei 36 Trillionen; das sind über 100k pro Einwohner. Schulden werden als Anleihen (Bonds) verkauft, für die die Anleger Zinsen ausgeschüttet bekommen. Diese Ausschüttungen machen bereits einen grossen Teil des Haushaltsbudgets aus.
Das ist wie, wenn du deinen Kleinkredit nicht bezahlen kannst, nimmst du einen Neuen auf. Jedes Jahr. Topanleger sind übrigens China & Japan. Trump will nun die Schulden massiv erhöhen, damit er seinen Trade-war gegen China führen kann. Ähm...
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