Über Olaf Scholz lässt sich leicht spotten. Der 63-jährige Hamburger ist kein Charismatiker und auch kein grosser Redner. Er wirkt eher linkisch. In der «Kraut’s Edition» der britischen Puppensatire «Spitting Image» (auf Sky Show zu sehen) wird er als Schlumpf verulkt, wegen seines «schlumpfigen» Grinsens, das ihm CSU-Chef Markus Söder im Frühjahr vorwarf.
Der Finanzminister nahm es mit Humor. «Das mit den Schlümpfen gefällt mir super. Die sind klein, listig und gewinnen immer», sagte Scholz bei «Markus Lanz» im ZDF. Gewonnen hat er, und wie. Bei der Bundestagswahl am 26. September führte er die SPD zum Sieg, und nun hat er sich mit Grünen und FDP auf die Bildung einer Ampel-Koalition geeinigt.
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer schier unfassbaren Erfolgsgeschichte. Denn noch im besagten Frühjahr hätte kaum jemand einen Cent auf Olaf Scholz gewettet. Die stolze deutsche Sozialdemokratie befand sich im Umfrage-Jammertal, sogar über den Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur wurde spekuliert. Doch Scholz hatte fast unfassbares Glück.
Glücksfall 1: Vor zwei Jahren wurde der frühere Hamburger Bürgermeister von seiner Partei regelrecht gedemütigt. Bei der Wahl zum SPD-Vorsitz, für den er sich im Jobsharing mit der Brandenburgerin Klara Gleywitz beworben hatte, wurde er von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ausgestochen – einer Hinterbänklerin und einem Pensionär.
Sie befriedigten die Sehnsucht der SPD-Basis nach einer linkeren Politik, während Scholz für den ungeliebten Merkel-Pragmatismus stand. Der Finanzminister aber hielt still und wartete auf seine Chance. Sie kam im August 2020. Esken und Walter-Borjans schlugen Scholz als Kanzlerkandidat vor, weil sie einsahen, dass er allein mehrheitsfähig war.
Glücksfall 2: An seine Siegeschance soll Olaf Scholz seit den letzten Wahlen 2017 geglaubt haben. Trotzdem hätte er es angesichts der schwachen Umfragewerte der SPD schwer gehabt, wenn sich die Konkurrenz von CDU/CSU und Grünen nicht selbst das Bein gestellt hätte. Sie schafften es, bei der Kanzlerwahl auf das falsche Pferd zu setzen.
Statt mit Robert Habeck und Markus Söder bekam es der SPD-Kandidat mit Annalena Baerbock und Armin Laschet zu tun. Beide stolperten über ihre Schwächen: Bei Laschet war es die rheinische Frohnatur, bei Baerbock der zu leichte Rucksack. Scholz konnte sich im Wahlkampf damit begnügen, Seriosität auszustrahlen und keine Fehler zu machen.
Glücksfall 3: Der Erfolg der SPD bei der Bundestagswahl war nur ein Element in Scholz’ Puzzle. Fast noch wichtiger war das Scheitern der Linken, die nur dank drei Direktmandaten die Rückkehr in den Bundestag schaffte und arg gerupft wurde. Damit platzte der Traum des linken SPD-Flügels um Ex-Juso-Chef Kevin Kühnert von einer rot-rot-grünen Regierung.
Es blieben nur eine Neuauflage der verpönten grossen Koalition (unter SPD-Führung) oder die Ampel mit Grünen und FDP, die Olaf Scholz immer angestrebt hatte. Schon in der Endphase des Wahlkampfs umgarnte er die FDP, die sich zierte, auch wenn Parteichef Christian Lindner in weiser Voraussicht die Türe nie ganz zugeschlagen hatte.
Nun steht der Koalitionsvertrag, exakt im Zeitplan und nach «teils absurd geheim gehaltenen Verhandlungen», wie «Bild» lästerte. Daraus spricht der Frust des Boulevards, denn in der Tat ist es verblüffend, wie gut es dem ungleichen Trio gelang, Indiskretionen zu vermeiden, im Unterschied zu den gescheiterten Jamaika-Gesprächen vor vier Jahren.
Einzig die Grünen motzten zwischenzeitlich und spekulierten sogar über Neuwahlen. Nach ihrem Gusto kam Olaf Scholz der FDP zu stark entgegen, also jener Partei, die für die Ampel über ihren Schatten springen musste. Bei den Grünen müssen die Mitglieder in einer Urabstimmung über den Koalitionsvertrag entscheiden, doch das dürfte Formsache sein.
Letztlich gelang Scholz das Kunststück, dass alle drei Parteien ihre «roten Linien» verteidigen konnten. Die SPD bekommt die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, die FDP konnte Steuererhöhungen verhindern, und die Grünen erhalten ein «Super-Ministerium» für Wirtschaft und Klima und einen «möglichst» auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg.
«Wir wollen mehr Fortschritt wagen», sagte Scholz am Mittwoch in Anspielung auf den früheren SPD-Kanzler Willy Brandt, der mit seiner sozialliberalen Regierung 1969 «mehr Demokratie wagen» wollte. Übernächste Woche soll die Ampel im Bundestag vereidigt werden. Auf sie wartet viel Arbeit. Sie muss den Reformstau der Ära Merkel auflösen und kurzfristig die erneut eskalierte Coronakrise meistern.
In der Regierung der ungleichen Partner sind Reibereien programmiert. Es dürfte sich bald zeigen, ob Olaf Scholz sein Glückskonto ausgereizt oder gar schon überzogen hat. Der neue deutsche Bundeskanzler aber denkt in grösseren Zeiträumen. Er hat in Interviews bereits angetönt, dass er mit der Ampel mehr als nur eine Legislaturperiode regieren will.
Die Macher der deutschen Ausgabe von «Spitting Image» wollten ursprünglich gar keine Scholz-Puppe produzieren. Sie glaubten nicht, dass er bei der Bundestagswahl eine Rolle spielen würde, wie der Headautor in einem Interview erklärte. Woraus sich die Erkenntnis ergibt: Man darf Schlümpfe nicht unterschätzen. Und Olaf Scholz erst recht nicht.
raues Endoplasmatisches Retikulum
"Bei Laschet war es die rheinische Frohnatur, bei Baerbock der zu leichte Rucksack."
Aber was ist das bitte für eine Analyse?
Laschet stand einer nach 16 Jahren entkernten, Ideen und visionslosen CDU vor und war persönlich noch ein kompletter ausfall.
Und Baerbock wurde einfach porträtiert weil Frau, obwohl völlig unerfahren und ungeignet und hat dann die Nerven, ein Buch zusammenkopieren zu lassen. Das war kein leichter Rucksack, das war Unfähigkeit gepaart mit Betrug.
Hoodoo
FrancoL
Es ist sicherlich nicht die grosse Wende die einige erhofft haben, aber ich könnte mir vorstellen, dass es eine stabile Regierung wird, wenn denn Grüne und FDP nicht sich zu stark neutralisieren und dann in Sachen Umweltschutz/Klima alles still steht. Ein ruhiges Deutschland kann auch der EU gut dienen.