Jetzt hat es Julianne Moore erwischt. «Freckleface Strawberry», dem teilweise autobiografischen Kinderbuch der Oscar-Preisträgerin, droht die Entfernung aus allen Schulen, die dem US-Verteidigungsministerium unterstehen. Es geht darin um ein Mädchen, das seine Sommersprossen nicht mag und schliesslich lernt, sie zu akzeptieren.
Für das Ministerium handelt es sich offensichtlich um einen Fall von «Diversity, Equity & Inclusion» (DEI), jenes Konzept, das die Gleichbehandlung aller Menschen anstrebt und gegen das die Regierung von Präsident Donald Trump seit ihrem Amtsantritt einen veritablen Kreuzzug führt. Alles, was irgendwie nach DEI aussieht, wird ausgemerzt.
Für Julianne Moore ist es ein «grosser Schock», dass es anscheinend auch ihr Kinderbuch erwischt hat. Sie hatte als Tochter eines Vietnamveteranen eine Armeeschule in Frankfurt besucht. «Ich hätte nie gedacht, dass ich dies in einem Land erleben würde, in dem die Rede- und Ausdrucksfreiheit ein verfassungsmässiges Recht ist», schrieb die Schauspielerin auf Instagram.
Donald Trump und seine Regierung aber stehen mit der Meinungsfreiheit auf Kriegsfuss. Was seinen Vizepräsidenten JD Vance nicht daran hinderte, den Europäern Lektionen in dieser Hinsicht zu erteilen, in seiner Rede an der Münchner Sicherheitskonferenz am letzten Freitag und in seiner Reaktion auf einen Beitrag der CBS-Sendung «60 Minutes».
Darin ging es um deutsche Ermittler, die gegen Hass im Netz vorgehen, was Vance auf X als «Wahnsinn» geisselte. Fast gleichzeitig hat sein Chef im Weissen Haus demonstriert, was er von unliebsamen Meinungen hält. Getroffen hat es die renommierte Nachrichtenagentur AP, die aus dem Oval Office und dem Präsidentenflugzeug Air Force One ausgesperrt wurde.
Ihr «Vergehen»: Sie weigert sich, dem Dekret des Präsidenten Folge zu leisten, den Golf von Mexiko in «Golf von Amerika» umzubenennen, und will weiterhin beide Bezeichnungen verwenden. Die Vereinigung der Korrespondenten im Weissen Haus hat gegen diesen Angriff auf die in der Verfassung garantierte Pressefreiheit protestiert, doch eine Revolte blieb aus.
Für Beobachter ist klar, dass Donald Trump die Medien einschüchtern will. Dazu passt die Klage gegen den Sender ABC, weil ein Moderator angedeutet hatte, Trump sei wegen Vergewaltigung statt juristisch korrekt wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden. Im Dezember knickte der ABC-Mutterkonzern Disney ein und zahlte Trump 15 Millionen Dollar.
Gar auf 20 Milliarden Dollar hat Trump CBS verklagt, wegen eines angeblich manipulierten «60 Minutes»-Interviews mit Kamala Harris. Dabei zeigt das Transkript, dass der Vorwurf unbegründet ist. Doch damit nicht genug: Die Federal Communications Commission (FCC), die staatliche Regulierungsbehörde, nimmt weitere Medien ins Visier.
Dazu gehören NBC und die öffentlich-rechtlichen Sender PBS und NPR, aus teilweise fadenscheinigen Gründen. Verantwortlich dafür ist FCC-Chef Brendan Carr, ein Trump-Gefolgsmann. Er habe «die Jagdsaison auf die Medien eröffnet», schreibt das «Wall Street Journal». Rechte Sender wie Fox News und OANN werden natürlich verschont.
Einige Machenschaften könnten durch die Justiz gestoppt werden, wobei auch dies in der Trump-Welt nicht mehr garantiert ist. Auch in der Bundesverwaltung, die einer gross angelegten «Säuberung» durch Elon Musks Departement of Government Efficiency (DOGE) ausgesetzt ist, werden Mitarbeitende ins Visier genommen, die nicht «auf Linie» sind.
Dies zeigt ein Bericht des NZZ-Korrespondenten in Washington von einer der wenigen Demonstrationen gegen Trump und Musk. Ein Praktikant im Aussenministerium sprach von einem «Klima der Angst» in seiner Behörde. Seinen richtigen Namen wollte er so wenig nennen wie andere, die um mehr als nur ihren Job fürchten.
Das betrifft etwa eine Geheimdienstmitarbeiterin des Militärs, die alles aus ihrem Büro und ihrem Facebook-Profil entfernt hat, was als links oder demokratisch wahrgenommen werden könne. «Ich liebe meinen Job, unsere Mission liegt mir sehr am Herzen, und ich bin eine grosse Patriotin», sagte sie. Aber nun würden die Beamten von der Regierung verteufelt.
In diesem Klima gedeihen Verschwörungstheorien, etwa dass Musks Effizienz-Behörde mit künstlicher Intelligenz alles überwache, was die Staatsangestellten auf ihren Tastaturen tippten, sagte der Praktikant dem NZZ-Korrespondenten. Eine bereits entlassene Beamtin meinte: «Mich belastet auch das Gefühl, dass unsere ganze Demokratie in Gefahr ist.»
Sie ist keineswegs die Einzige, die so denkt. Bevor JD Vance andere Länder wegen angeblicher Missachtung der Meinungsfreiheit anprangert, sollte er vielleicht im eigenen Haus für Ordnung sorgen, und das nicht nur wegen Julianne Moores Kinderbuch.
In dem Sinne: Nur die dümmsten Kälber wählen ihren eigenen Metzger.