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Stirbt am Wochenende die US-Demokratie?

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Stirbt am Wochenende die US-Demokratie?

Soldaten gegen Demonstranten, Massenproteste gegen «König Donald». Wenn das mal gut geht.
13.06.2025, 20:0614.06.2025, 13:20
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Bereits zu Beginn dieses Jahres haben die beiden renommierten Politologen Steven Levitsky und Lucan Way in einem Essay mit dem Titel «The Path to American Authoritarianism» in «Foreign Affairs» gewarnt: «Wahrscheinlich wird die US-Demokratie in der zweiten Amtszeit von Trump zusammenkrachen, und zwar so, dass die Standard-Kriterien einer liberalen Demokratie keine Gültigkeit mehr haben: generelles Wahlrecht für alle Erwachsenen, freie und faire Wahlen und ein breiter Schutz der Bürgerrechte.»

Levitsky und Way waren keine einsamen Rufer in der Wüste. Spätestens seit der Inhalt von «Project 2025» öffentlich gemacht worden war, wusste man nicht nur, dass Trump und seine Hintermänner Demokratie und Rechtsstaat aushebeln wollen, man wusste auch im Detail, wie sie es anstellen wollen. Und heute ist es allen ausserhalb der konservativen Bubble klar. Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien, hat recht, wenn er sagt: «Die Demokratie wird direkt unter unseren Augen angegriffen. Der Moment der Furcht ist gekommen.»

So wurde der Senator verhaftet.Video: YouTube/ABC News

Jüngstes Beispiel für diese Aussage ist die Art und Weise, wie Senator Alex Padilla von Sicherheitsleuten und dem FBI behandelt wurde. Er vertritt Kalifornien und wollte bei einer Pressekonferenz der Heimatschutzministerin Kristi Noem ein paar Fragen stellen. Diese hatte zuvor Aussagen gemacht wie: «Die Soldaten der Nationalgarde sind hier in Los Angeles, um die Stadt von Sozialisten und Unruhestiftern zu befreien.» Kein Witz.

Bevor er eine Frage stellen konnte, und obwohl er sich klar und deutlich als Senator zu erkennen gab, wurde Padilla zu Boden geworfen und in Handschellen gelegt. «Ich kann dazu nur sagen: Wenn man so mit einem Senator verfährt, was müssen dann einfache Landarbeiter, Köche und Tagelöhner in Kalifornien erdulden», erklärte der Senator, der kurz darauf wieder freigelassen wurde.

Dass sich in Los Angeles derzeit Szenen abspielen, die wir sonst nur aus Moskau oder Peking kennen, ist kein Zufall. Trump will an dieser Stadt ein Exempel statuieren. Der Präsident will demonstrieren, dass seine Aussagen im Wahlkampf, der wahre Feind der USA befinde sich im Inneren des Landes, keine leeren Worte waren.

California National Guard are positioned at the Federal Building on Tuesday, June 10, 2025, in downtown Los Angeles. (AP Photo/Eric Thayer)
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Soldaten der Nationalgarde im Einsatz in Los Angeles.Bild: keystone

Um den inneren Feind auszuschalten, schreckt Trump vor nichts mehr zurück. Er bietet 4000 Soldaten der Nationalgarde und 700 Marines auf, um Los Angeles vor ein paar hundert friedlichen Demonstranten zu schützen. Wenn ein Richter ihn am verfassungswidrigen Verhalten hindern will, spielt er sein übliches Spiel: Er ruft die Berufungsinstanz an, und sollte dies nicht klappen, dann vertraut er auf den Obersten Gerichtshof, in dem konservative Richter eine Mehrheit von 6:3 besitzen.

Diese Verzögerungstaktik hat einmal mehr funktioniert: Nachdem ein Richter in erster Instanz den Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles für verfassungswidrig erklärt und die Regierung aufgefordert hat, die Soldaten sofort wieder abzuziehen, hat ein Berufungsgericht dieses Urteil einmal mehr blockiert.

Dabei widerspricht der Einsatz von Soldaten nicht nur der Verfassung, er ist schlicht lächerlich. Nathan Hochman, der Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles, erklärt denn auch: «99,99 Prozent der Menschen, die in diesem Gebiet leben, haben keinerlei illegalen Aktionen im Zusammenhang mit diesen Protesten verübt.» So gesehen ist es absurd, dass in Los Angeles mittlerweile mehr amerikanische Soldaten im Einsatz sind als im Irak oder Syrien.

Für Trump geht es auch nicht darum, einen Aufstand zu verhindern. Ihm gefällt es, wenn er befehlen kann: «Schickt die Marines los!» Der «Economist» kommentiert diese Verhalten wie folgt: «Er kann so das machen, was er am liebsten tut: die Liberalen in Angst und Schrecken versetzen, hart aussehen und die News dominieren.»

epaselect epa12171511 A US Army Paladin is staged on the National Mall ahead of a 14 June military parade in Washington, DC, USA, 12 June 2025. The 14 June parade, which coincides with the Army's ...
Panzer auf dem Weg zur Parade in Washington.Bild: keystone

Trump weist inzwischen die meisten der Verhaltensweisen auf, welche die Historikerin Ruth Ben-Ghiat in ihrem Buch «Strongmen» als typisch für autoritäre Herrscher aufzählt. Dazu gehört auch die Militärparade, die der US-Präsident am Wochenende in Washington durchführen lässt.

Dass man anlässlich des 250. Geburtstags der amerikanischen Armee deren Verdienste ehrt, ist verständlich. Doch darum geht es Trump nicht. «Die Regierung orchestriert eine Militärparade, nicht um die Soldaten zu ehren, sondern um Macht zu demonstrieren», stellt Eliot Cohen im «Atlantic» fest. Deshalb lässt Trump – was bisher in den USA unüblich war – auch schwere Panzer in der Hauptstadt auffahren, um so mit Putin und Kim Jong-un mithalten zu können. Dass dabei Schäden an den Strassen in der Höhe von gegen 50 Millionen Dollar entstehen, lässt ihn kalt; und dass diese Machtdemonstration ausgerechnet an seinem 79. Geburtstag stattfindet, ist für ihn ein zusätzlicher Kick.

Inzwischen regt sich jedoch ziviler Widerstand gegen dieses autoritäre Gehabe. Um das Logo «No King» werden landesweit Demonstrationen gegen Trump stattfinden. Die Hauptstadt wird dabei nicht betroffen sein. Wohlweislich wollen die Organisatoren eine direkte Konfrontation mit der Regierung vermeiden.

Sie tun gut daran, denn die Proteste werden von einem Spektrum von Gruppierungen organisiert, das von Black Lives Matter über Voices for Palestine bis zu kirchlichen Kreisen reicht. Selbst Milliardäre zählen zu den Unterstützern. So hat Christy Walton, eine Erbin des Walmart-Imperiums, in allen Zeitungen des Landes ein ganzseitiges Inserat schalten lassen, das zur Teilnahme an den Demonstrationen aufruft.

Ob es überall gelingen wird, gewalttätige Ausschreitungen zu vermeiden, ist angesichts der Vielfalt der Organisatoren fraglich. Im schlimmsten Fall droht eine Wiederholung der Vorfälle von 1970 an der Kent State University in Ohio. Damals hatten Nationalgardisten das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten gegen den Vietnamkrieg eröffnet und dabei vier Personen getötet.

Die Proteste gegen «König Trump» werden in 2000 amerikanischen Gemeinden stattfinden, von Grossstädten wie Chicago bis hin zu Hot Springs, einem 500-Einwohner-Kaff im konservativen Bundesstaat Montana. Wenn dort auch nur 20 Menschen auf die Strasse gehen, kann man dies als Erfolg werten.

Wie nötig ein solcher Erfolg ist, zeigt die Aussage der beiden eingangs erwähnten Politologen Levitsky und Way: «Die Trump-Regierung hat bereits begonnen, die staatlichen Institutionen gegen ihre Gegner einzusetzen. Die amerikanische Verfassung allein kann die US-Demokratie nicht mehr retten.»

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Die beliebtesten Kommentare
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Celtic Swiss
13.06.2025 20:21registriert Juni 2024
DAS macht mir echt Angst:

«Die Trump-Regierung hat bereits begonnen, die staatlichen Institutionen gegen ihre Gegner einzusetzen. Die amerikanische Verfassung allein kann die US-Demokratie nicht mehr retten.»
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Chrisbe
13.06.2025 20:33registriert Oktober 2019
Trump macht genau das, was er zuvor angekündigt hat. Es hat so verrückt geklungen, dass es kaum jemand geglaubt hat...
Das kommt nicht gut,...für Trump.
Meine Prognose: Er wird keines natürlichen Todes sterben...
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Schlaf
13.06.2025 20:40registriert Oktober 2019
Die Amis sind noch einen Wimpernschlag von einem Bürgerkrieg entfernt.

Schon gestört, was die falschen an der Macht, aus einer funktionierenden Demokratie innert Monaten machen können.

Proteste niederknüppeln, Donald sieht wie das in Russland geht. Nur sind die Russen seit Jahrhunderten gefügig gemacht worden, die Amis eben nicht.
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