Erfolgreiche U-Boot-Attacken: Ukraine trifft Russland an empfindlicher Stelle
Der Zeitpunkt des Angriffs mag Zufall gewesen sein, doch die Botschaft war klar. Während sich Kiews Unterhändler in Berlin gegen die russische Forderung nach einer Aufgabe des Donbass wehren mussten, führte der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU einmal mehr die russische Armee vor – mit einem bislang beispiellosen Angriff auf ein modernes U-Boot der sogenannten Kilo-Klasse im Hafen von Noworossijsk.
Zum ersten Mal ist ein U-Boot mit einem «Sub Sea Baby» in die Luft gejagt worden, schreibt der SBU. Dabei soll sich um eine tauchfähige Variante der selbst entwickelten Seedrohne «Sea Baby» handeln. Mit denen hatte die Ukraine die russische Schwarzmeerflotte einst von ihrem Hauptstützpunkt Sewastopol auf der Krim vertrieben. Selbst russische Kampfflugzeuge müssen sich vor unbemannten ukrainischen Wasserfahrzeugen in Acht nehmen, wie der Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs vom Typ Su-30 über dem Schwarzen Meer Anfang mai zeigte.
Ukraine just blew up a fucking russian submarine 🤯🤯🤯
— Richard Woodruff 🇺🇦 (@frontlinekit) December 15, 2025
In russia... pic.twitter.com/PFY5ieeqWt
Russische U-Boote terrorisieren die Ukrainer
Doch der jüngste Angriff in Noworossijsk war nicht nur ein Schlag gegen die russische Propaganda. Nach Angaben des britischen Marineexperten H. I. Sutton dürfte das getroffene U-Boot so schwer beschädigt sein, dass es unter Kriegsbedingungen kaum zu reparieren sein wird. Zumal die Marinebasis in Sewastopol dafür nicht mehr infrage kommt. Die Explosion habe den hinteren Teil des U-Boots getroffen, an dem sich sensible Teile des dieselelektrischen Antriebs und die Steuerung des Bootes befinden, analysiert Sutton.
Für die Menschen in der Ukraine bedeutet der Angriff in Noworossijsk eine konkrete Verbesserung ihrer Sicherheit. Denn die U-Boote der Kilo-Klasse dienen Putins Truppen als Abschussbasis für Marschflugkörper vom Typ Kalibr, mit denen Russland etwa Kraftwerke in der Ukraine zerstört. Vier Stück davon können die jüngeren Modelle der Kilo-Klasse aufnehmen, zu denen nach Angaben des SBU auch das in Noworossijsk getroffene U-Boot gehört. Es soll sich um eines von sechs Schiffen dieses Typs in Diensten der Schwarzmeerflotte handeln, wie das Fachmagazin «The War Zone» unter Berufung auf einen russischen Kommandeur berichtet.
Für Putins Schwarzmeerflotte wird es eng
Nach dem Angriff steht die Schwarzmeerflotte vor einer neuen strategischen Bedrohung. Bislang hatte die Ukraine russische Schiffe entweder mit Überwasserdrohnen oder mit Raketen angegriffen, vornehmlich mit der selbst entwickelten Anti-Schiffsrakete Neptun. Damit wurde schon im April 2022 das Flaggschiff Moskwa versenkt. Raketen kamen wohl auch zum Einsatz, als die Ukraine Anfang August 2024 erstmals ein russisches U-Boot im Hafen von Sewastopol versenkte. Nun müssen sich die Russen also auch auf Bedrohungen unter der Wasseroberfläche einstellen – doch ihre Optionen seien eher dürftig, glaubt Marineexperte Sutton.
Ausser dem Hafen Otschamtschire im russisch besetzten Teil von Georgien gebe es aber keinen sicheren Ort mehr für die Schwarzmeerflotte. Und das Hafenbecken dort ist zu klein und zu flach, um alle Schiffe aufzunehmen. «Die Russen könnten ihre Schiffe auch im Schwarzen Meer verteilen, aber das macht sie womöglich noch angreifbarer», erklärt Sutton.
In Kupjansk blamiert Selenskyj die Kreml-Propaganda
Doch auch zu Lande konnte die Ukraine den Russen zuletzt zusetzen, beispielsweise bei Kupjansk in der Region Donezk im Osten des Landes. So behauptete ein russischer General Mitte November, der strategisch wichtige Verkehrsknotenpunkt sei wieder vollständig unter russischer Kontrolle. Kurz nach dem russischen Überfall im Februar 2022 hatten Putins Truppen die Kleinstadt mit früher etwa 30'000 Einwohnern erobert. Im September 2022 gelang den Ukrainern jedoch die Befreiung der Stadt, die seither umkämpft ist.
Kriegsherr Putin zeichnete seinen General kürzlich noch mit einem Orden aus für die angebliche Rückeroberung von Kupjansk. Doch nur drei Tage später tauchte plötzlich der ukrainische Präsident Selenskyj auf und nahm vor einem Ortsschild der Stadt ein Video von sich auf – eine Blamage für die russische Propaganda.
Today, I am in the Kupyansk sector, with our warriors who are getting the job done for Ukraine here.
— Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) December 12, 2025
The Russians kept going on about Kupyansk – the reality speaks for itself. I visited our troops and congratulated them. Thank you to each and every warrior! I am proud of you!… pic.twitter.com/kraYEBSSai
Dem Auftritt Selenskyjs war eine wochenlang vorbereitete Gegenoffensive der Ukrainer vorausgegangen, bei der es den Verteidigern offenbar gelang, die Russen aus dem Gebiet nordwestlich der Stadt zu vertreiben. Entlang des Flusses Oskil waren russische Einheiten schon bis ins Zentrum der Stadt vorgedrungen.
Darum geht es in der Schlacht um Pokrowsk
Deren versprengte Überreste sollen sich nach jüngsten ukrainischen Angaben auf nur noch etwa 200 Soldaten belaufen, die auf die Versorgung mit Drohnen aus der Luft angewiesen sind. Den Landweg zu den übrigen russischen Truppen in der Region haben die Ukrainer gekappt. Auch russische Militärblogger beschreiben die Lage ihrer Soldaten in Kupjansk als ausweglos. Dennoch behauptete der Kreml am Dienstag erneut, seine Truppen hätten Kupjansk vollständig erobert.
Weiterhin unübersichtlich ist die Lage am Frontabschnitt zwischen Pokrowsk und Myrnohrad weiter südlich in der Region Donezk. Dort rücken die Russen seit Monaten langsam, aber stetig vor. Doch erobert haben Putins Truppen die Städte noch nicht, auch wenn Putin Anfang Dezember gegenteiliges behauptete. Ihre Logistik sollen die Ukrainer aus dem einst wichtigen Verkehrsknotenpunkt Pokrowsk längst weiter ins Hinterland verschoben haben. Nun geht es den verbleibenden Verteidigern in der Stadt wohl nur noch darum, den vorrückenden russischen Truppen möglichst hohe Verluste beizubringen.
Das wäre der Hauptgewinn für Putin
Doch der Krieg tobt nicht nur auf den Schlachtfeldern in der Ukraine, auch auf strategischer Ebene kämpfen die Kriegsparteien um die Verbesserung ihrer Lage. So dürften die jüngsten Verhandlungen in Berlin aus russischer Perspektive vor allem dazu dienen, schärfere westliche Sanktionen abzuwehren und Europas diplomatische Kräfte zu binden: Statt den Kreml mit eigenen Initiativen unter Druck zu setzen, müssen Bundeskanzler Merz und Co. dieser Tage wieder ein Auseinanderbrechen des westlichen Bündnisses verhindern.
Für den Kreml wäre es der Hauptgewinn, wenn die US-Regierung Kiew zur Aufgabe seines Festungsgürtels in der Region Donezk zwingen könnte. Doch im Zweifel wird die ukrainische Regierung wohl eher auf die Unterstützung der USA verzichten, als ihre wichtigste Verteidigungslinie gegen Russland kampflos aufzugeben. Für den Kreml wäre es freilich auch ein Triumph, sollten die USA der Ukraine tatsächlich keine Satellitenbilder und Geheimdienstinformationen mehr zur Verfügung stellen. Zweimal schon in diesem Jahr hat die Trump-Regierung diese Drohung kurzzeitig wahr gemacht.
Experte hält Zusammenbruch des russischen Staates für möglich
Dieses Szenario wird Kiew versuchen, zu verhindern. Denn wie das «Wall Street Journal» kürzlich berichtete, stellen die USA den Ukrainern auch Zieldaten für Angriffe tief im russischen Hinterland zur Verfügung, zum Beispiel gegen Öldepots und -raffinerien. So greifen die Ukrainer seit Monaten systematisch und in hoher Frequenz die russische Fossilindustrie an – und das mit wachsendem Erfolg.
So sollen die russischen Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas im November im Vergleich zum Vorjahresmonat um 35 Prozent eingebrochen sein, wie die Nachrichtenagentur Reuters errechnet hat. Und die Ukraine hat ihre Angriffe zuletzt ausgeweitet. Hatten die ukrainischen Angriffe bislang vor allem Anlagen auf dem russischen Festland gegolten, nahm die Ukraine zuletzt auch Schiffe der russischen Schattenflotte und sogar Ölfördertürme im Kaspischen Meer ins Visier. Zugleich meiden internationale Kunden zunehmend russisches Öl, um nicht zum Ziel westlicher Sanktionen zu werden.
Bislang zwingen die ukrainischen Angriffe und die westlichen Sanktionen die Kriegsmaschinerie des Kreml nicht in die Knie. Doch die Gefahr wächst für Russland mit jedem Tag, glaubt der Osteuropaexperte Andreas Umland: «In den letzten Monaten sieht man, dass die russische Wirtschaft immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wird und dass wachsende ökonomische Schwierigkeiten für Russland auf der Tagesordnung stehen», sagte Umland kürzlich in einem Interview des Zentrums für Liberale Moderne.
«Wenn diese Probleme mit militärischen Niederlagen in der Ukraine zusammenfallen, wird das Regime kollabieren», so Umland. «Dann könnte gar der russische Staat kollabieren, so wie der zaristische Staat 1917 oder der sowjetische Staat 1991 kollabiert sind. Mit jedem weiteren Kriegstag wird dieses Szenario wahrscheinlicher.»

