Ist Pete Hegseth ein Kriegsverbrecher?
Es ist hinlänglich bekannt, dass Pete Hegseth nicht die hellste Kerze auf der Trump-Torte ist. Der ehemalige Moderator der Morgensendung von Fox News durfte jeweils nur am Wochenende ran, sein militärischer Leistungsausweis ist mager – er war gerade mal Major der Nationalgarde –, und danach hat er wegen seines Alkoholproblems zwei Veteranen-Organisationen gegen die Wand gefahren.
Donald Trump hat Hegseth nur aus einem einzigen Grund ins Pentagon befördert: Der Mann ist bedingungslos loyal und führt jeden seiner Befehle blind aus, selbst wenn er dabei bestehende Gesetze verletzt. Genau dies scheint Hegseth auch getan zu haben. Deshalb steht er jetzt im Verdacht, Kriegsverbrechen angeordnet zu haben. Aber der Reihe nach:
Seit Monaten führt Trump einen versteckten Krieg gegen Venezuela. Es ist offensichtlich, dass er einen «Regime change» in diesem Land anstrebt und Präsident Nicolás Maduro stürzen will. Niemand würde diesem Diktator auch nur eine Träne nachweinen, trotzdem ist das Vorgehen der Amerikaner mehr als fragwürdig.
Unter dem Vorwand, die Einfuhr der Droge Fentanyl in die USA zu unterbinden, hat Trump seinen grössten Flugzeugträger und jede Menge Soldaten ins Karibische Meer entsandt. Gleichzeitig hat er den Befehl erteilt, Boote, welche diese Droge transportieren, zu versenken. Dass nur ein kleiner Teil des Fentanyls, das in die USA gelangt, aus Venezuela stammt, und dass es keine nachgewiesene Verbindung zwischen den Drogenhändlern und dem Maduro-Regime gibt, wischt der US-Präsident grosszügig unter den Tisch.
Völkerrechtlich gesehen ist das Vorgehen der amerikanischen Militärs gegen angebliche Drogenkuriere aus Venezuela somit fraglich – der zuständige Kommandant des US Southern Command ist zurückgetreten, weil er die Aktion nicht verantworten wollte. Die Art und Weise, wie diese Aktionen durchgeführt werden, ist es noch viel mehr. Das zeigt ein Vorfall, der sich bereits im Frühherbst abgespielt hatte, den die «Washington Post» jedoch erst kürzlich aufgedeckt hat.
Ganz im Sinne seines Herrn hat Hegseth die Aktionen im Karibischen Meer martialisch angekündigt. Auf X spricht er in Rambo-Manier von «höchst tödlichen kinetischen Schlägen» und fügt hinzu: «Jeder Schmuggler, den wir töten, hat eine Verbindung zu terroristischen Organisationen.» Inzwischen haben diese «kinetischen Schläge» zum Tod von über 80 Menschen geführt.
Eine Gruppe der Elitetruppe Seal Team 6 hat am 2. September ein Boot versenkt, das angeblich Drogen transportierte. Neun der elf Besatzungsmitglieder sind dabei sofort getötet worden. Zwei von ihnen konnten sich auf die Trümmer des Schiffes retten und trieben hilflos im Meer. Hegseth, der die Aktion in Echtzeit verfolgte, soll darauf einen zweiten Angriff mit den Worten «Tötet sie alle» befohlen haben.
Dieser Befehl ist auch ausgeführt worden. Die «Washington Post» beschreibt das Resultat wie folgt: «Sollte das Video, das die Explosion zeigt, welche die beiden Überleben getötet hat, je veröffentlicht werden, wären die Leute entsetzt. Das sagt jemand, der die Echtzeit-Übertragung verfolgt hat.»
Die Aktion der amerikanischen Militärs im Karibischen Meer sind völkerrechtlich gesehen fragwürdig, die Tötung von Wehrlosen, die Hegseth angeordnet haben soll, ist gar ein klares Kriegsverbrechen. Zudem verstösst es auch klar gegen die internen Vorschriften des amerikanischen Militärs. Deshalb könnte es für den Verteidigungsminister dereinst Folgen haben.
«Die Vorstellung, dass die Trümmer eines kleinen Schiffes, die auf dem Ozean treiben, eine Gefahr für den Schiffsverkehr sein könnten, ist offensichtlich absurd», erklärt denn auch der Abgeordnete Seth Moulton gegenüber der «Washington Post». Er ist ein Veteran der Marine und ein Mitglied des House Armed Service Committees, das über den Vorfall informiert wurde. «Lassen Sie mich festhalten», so Moulton weiter, «es mag eine Weile dauern, aber gegen die beteiligten Amerikaner wird es eine Strafuntersuchung geben, entweder im Sinne eines Kriegsverbrechens oder gar wegen offensichtlichen Mordes.»
Der Präsident steht (noch) hinter Pete Hegseth
Vorläufig muss sich Hegseth deswegen noch nicht den Kopf zerbrechen. Der Präsident deckt ihn. Ihm gegenüber habe der Verteidigungsminister erklärt, er habe diesen Befehl nie erteilt, so Trump, «und ich glaube ihm zu 100 Prozent.»
Doch die Sache ist noch nicht vom Tisch. Am vergangenen Sonntag erklärte der Senator Tim Kaine in der TV-Sendung «Face the Nation»: «Sollten sich die Berichte als zutreffend erweisen, dann sprechen wir von einem Kriegsverbrechen.»
Sollte Trump dereinst seinen Schutzschirm über dem Verteidigungsminister einrollen, dann könnte es somit für Hegseth eng werden. Und dass der Präsident seine Untergebenen wie eine heisse Kartoffel fallen lässt, wenn sie ihm nichts mehr nützen, ist hinlänglich bekannt. Kommt dazu, dass Trump bereits einen möglichen Nachfolger im Auge hat. Er heisst Dan Driscoll und ist bereits als US Army Secretary im Pentagon tätig.
Der 38-jährige Driscoll gilt als aufgehender Stern im Trump’schen Universum. Er spielt bereits eine tragende Rolle in den Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg. Geschildert wird es als freundlich, zuvorkommend, energisch – und sehr ehrgeizig. Er soll es gar wagen, Witze in Gegenwart des Präsidenten zu machen. «Schaut, was für ein nettes Gesicht er hat, aber er ist ein Killer. Ich weiss nicht, wie er das anstellt», hat Trump ihn im Oval Office gelobt, worauf Driscoll geantwortet hat: «Gesichtscreme.»
Seine politische Karriere verdankt Driscoll J.D. Vance. Die beiden kennen sich seit ihren gemeinsamen Tagen an der Yale Law School und sind immer noch in engem Kontakt. Sein Verhältnis zu Hegseth hingegen soll angespannt sein. «Driscoll macht kein Geheimnis daraus, dass er, sollte Hegseth entlassen werden, ein Anwärter für die Nachfolge ist», berichtet die «Financial Times».
Der peinliche Skandal mit einem streng geheimen Chat, in den ein Journalist irrtümlich eingeschleust wurde, der Flop mit der Militärparade am 4. Juli und der peinliche Auftritt des Verteidigungsministers vor den versammelten US-Generälen, all dies ist auch Trump nicht entgangen. Die Luft für Hegseth ist dünn geworden.
