Mit dem Vorschlag einer Waffenruhe in der Luft und auf See sind die Ukrainer bei den Gesprächen mit Vertretern der USA nicht durchgedrungen. Dennoch ist der Ausgang der ersten Verhandlungsrunde in Saudi Arabien nicht vergleichbar mit dem Debakel bei Selenskis Besuch Ende Februar im Weissen Haus.
Aufatmen lässt die Ukrainer vorerst, dass Trump versprach, amerikanische Geheimdienstinformationen ab sofort wieder mit Kiew zu teilen. Das Sperren dieses Informationsflusses hat den ukrainischen Streitkräften bisher mehr geschadet als das Ausbleiben der amerikanischen Waffenhilfe. Aber auch diese soll wieder aufgenommen werden. Positiv für die Ukrainer ist zudem die im vorgeschlagenen Abkommen enthaltene Forderung nach Austausch der Kriegsgefangenen und Freilassung der von Russland entführten ukrainischen Kinder.
Kommt das alles einem Durchbruch gleich? Nein, es ist mehr eine Atempause und vor allem eine willkommene Entspannung zwischen Washington und Kiew. Abgesehen davon löst der Vorschlag aber noch kein einziges Problem. Zwar hat US-Aussenminister Rubio recht, wenn er sagt, dass eine Waffenruhe eine zwingende Vorbedingung für die Aufnahme von Friedensverhandlungen darstelle. Doch die Zustimmung Russlands steht weiterhin aus. Zuerst will sich Moskau von den USA über den genauen Inhalt des Abkommens informieren lassen – möglicherweise bei einem Telefonat zwischen Trump und Putin.
Allerdings hat sich Moskaus Haltung in den letzten Tagen und Wochen eher verhärtet. Das ist Trumps wenig professionellem Verhandlungsstil geschuldet: Ohne Not hat er von Anfang an den Faustpfand eines ukrainischen Nato-Beitritts aus der Hand gegeben. Auch explizite Sicherheitsgarantien oder einen amerikanischen Beitrag zu allfälligen Friedenstruppen hat er ausgeschlossen. Faktisch hat er sich mit seinem Vorgehen auf die Seite Moskaus gestellt. Das hat die Russen dazu motiviert, sich noch weniger kompromissbereit zu zeigen und im Gegenteil sogar noch extremere Maximalforderungen zu stellen.
So kann es nicht erstaunen, dass die Sprecherin des russischen Aussenministeriums vor kurzem klar machte, dass eine Feuerpause ohne klare Vereinbarungen über ein abschliessendes Friedensabkommen «absolut inakzeptabel» sei. Vor diesem Hintergrund kommt Moskau nun aber in die Bredouille. Wenn der Kreml den ukrainisch-amerikanischen Vorschlag tatsächlich schroff ablehnt, wäre Russland und nicht die Ukraine vorerst das grösste Hindernis auf dem Weg zum Frieden.
Moskau will die «Grundursachen» des Konflikts zuerst aus dem Weg räumen. Das ist nichts anderes als ein Euphemismus für die Forderung nach einer faktischen Kapitulation: Regierungswechsel in Kiew, Bekenntnis der Ukrainer zur Neutralität, Abbau der ukrainischen Streitkräfte und Abtretung von mindestens vier Provinzen an Russland. In Tat und Wahrheit hat es Trump zugelassen, dass Putin bisher keine einzige Konzession machen musste, während sich die Ukraine durch Washingtons Erpressungsmanöver bereits zu mehreren Zugeständnissen gezwungen sah.
Als Mindestanforderung sieht Putin die endgültige Abtretung der Halbinsel Krim und vier weiterer Regionen im Süden und Osten des Landes an Russland. Das betrifft rund 22 Prozent der Landesfläche und einen Viertel der Bevölkerung, die vor der Grossinvasion in diesen Gebieten – zum Teil bereits unter russischer Herrschaft – lebte.
Zur Zeit kontrollieren die Russen allerdings noch nicht einmal 19 Prozent des ukrainischen Territoriums. Sollte sich Moskau in den Verhandlungen durchsetzen, müsste die Ukraine nochmals rund drei weitere Prozent seines Territoriums abgeben – inklusive mehrerer Grossstädte. Zum Vergleich: Diese drei Prozent entsprechen mehr als der Hälfte der Schweizer Landesfläche. Ein solches Abkommen würde in der Ukraine wahrscheinlich Grossdemonstrationen bis hin zu Aufständen auslösen. Auch die Forderung nach einem Regierungswechsel – und faktisch nach Einsetzung eines moskaufreundlichen Präsidenten – ist für die meisten Ukrainer inakzeptabel. Derweil klettert Selenskis Popularität vom Tiefstand im letzten Jahr auf neue Höchstwerte. (aargauerzeitung.ch)