So lange ist es nicht her, als Amerikas linksliberale Professoren und Intellektuelle ihren Volvo für einen Tesla eintauschten. Elon Musk ist zwar alles andere als ein musterhafter Unternehmer, aber mit Tesla hat er die geballte Macht der Automobillobby in die Knie gezwungen und dem Elektroauto zum Durchbruch verholfen.
Inzwischen werden die Linksliberalen ihren Tesla lieber heute als morgen los, denn Musk hat sich nicht nur als gewerkschaftsfeindlicher Ausbeuter herausgestellt, er hat sich vor allem auch als naiver Anhänger von Wladimir Putin entpuppt. Seine Putin-Verehrung ist so schlimm geworden, dass ihn das «Wall Street Journal» bereits als «Moskau-Musk» betitelt.
Diesen Titel hat sich Musk auch verdient. So postete er vor einer Woche auf X (früher Twitter): «Putin wird auf keinen Fall verlieren.» Gleichzeitig hat er die Senatoren – ohne Erfolg – aufgefordert, das Hilfspaket für die Ukraine abzulehnen.
Seit seiner Übernahme von Twitter hat Musk die ehemals eher linksliberale Plattform zu einem Sprachrohr der Rechten und der Rechtsextremen gemacht. Er selbst hat für Schlagzeilen gesorgt, indem er eine offen antisemitische Meldung an seine rund 170 Millionen Follower repostet hat – und sich später dafür entschuldigen musste.
Überhaupt hat Musk die Schutzwälle gegen rechtsextreme Propaganda systematisch niedergerissen, indem er rund 1700 ehemalige Twitter-Mitarbeiter entlassen hat, die diese Inhalte bis anhin verhindert hatten. Inzwischen sind es bloss noch 100 Mitarbeiter, die für diese Aufgabe zuständig sind, sie aber nicht mehr erfüllen können. Es hilft auch nicht, dass Musk höchstpersönlich rechte und gar rechtsextreme Botschaften repostet.
Davon profitiert nicht zuletzt Wladimir Putin. Sein Sender RT muss sich dank Musk nicht mehr als staatlicher Propagandasender deklarieren und kann seine Botschaften ungefiltert an die Öffentlichkeit tragen. Caroline Orr Bueno, Professorin für Kommunikation an der University of Maryland, erklärt dazu im «Wall Street Journal»: «Dank Elon Musk und den Änderungen, die er bei Twitter vorgenommen hat, hat die russische Propaganda massiv an Followern gewonnen. Das bedeutet auch, dass diese Propaganda immer mehr Menschen erreicht, ohne dass die Chance besteht, dass sie gestoppt wird.»
Die prorussische Propaganda auf X hat ein Ausmass angenommen, das selbst die EU-Kommission alarmiert. Sie hat deswegen eine Untersuchung wegen «Falschinformationen» angeordnet. Vera Jourova, die dafür bei der EU-Kommission zuständig ist, erklärt dazu: «Russland hat einen Krieg der Ideen lanciert und verschmutzt die Öffentlichkeit mit Halbwahrheiten und Lügen, welche ein falsches Bild der Demokratie entwerfen.»
Den wohl wichtigsten Gefallen an seinen neuen Freund Putin leistet Musk, indem er dem russischen Militär Zugang zu Starlink gewährt. Dieses Satellitensystem ist im Krieg in der Ukraine zu einem wichtigen Faktor geworden. Anfänglich profitierte nur die Ukraine davon. Später wurde bekannt, dass Musk es über der Krim ausschalten liess und so Angriffe der Ukrainer auf russische Militäreinrichtungen verunmöglichte.
Inzwischen sollen die Russen gar Zugang zu Starlink erhalten – ein Skandal, denn Musk lässt sich von der US-Regierung fürstlich dafür entlöhnen, dass er dieses System in Gang hält. «Warum flirtet Musk jetzt mit den Russen? Warum erhält er immer noch Geld von der Regierung?», fragt Adam Kinzinger, ein ehemaliger republikanischer Abgeordneter, auf X.
Freude an Musk hat hingegen Putin. In seinem Interview mit Tucker Carlson stellte er fest: «Elon Musk kann man nicht stoppen. Er macht genau das, wovon er denkt, dass man es machen muss.» Selbstredend wurde dieses Interview auf X ausgestrahlt, denn Musk hat den von Fox News gefeuerten Starmoderator mit offenen Armen empfangen und bietet ihm seither eine Plattform.
Der Tod von Alexej Nawalny hat allerdings einen grossen Kübel kaltes Wasser über Carlsons Interview gegossen, zumal der ehemalige Fox-News-Star Statements nachgeschoben hat, die sich im Nachhinein als mehr als unglücklich erweisen.
Gefragt, weshalb er Putin nicht härter angegangen habe, erklärte Carlson an einem Wirtschaftsgipfel in Dubai gegenüber einem ägyptischen Journalisten: «Ich spreche mein Leben lang mit Leuten, die verschiedene Länder regieren. Dabei bin ich zu folgendem Schluss gekommen: Jeder Führer bringt Menschen um, auch mein Führer. Jeder Führer tötet Leute, einige mehr als andere. Leadership erfordert es, dass man Menschen umbringt. Tut mir leid. Deshalb möchte ich auch kein Führer sein.»
Diese Äusserung fliegt Carlson nach dem Tod von Nawalny um die Ohren, auch wenn er krampfhaft versucht, sie nachträglich zu relativieren. Er sei «entsetzt, was mit Nawalny geschah», lässt er ausrichten. «Das Ganze ist barbarisch und schrecklich. Kein anständiger Mensch würde versuchen, das zu tun.»
Tucker Carlson kennt offensichtlich seinen Seelenverwandten in der Schweiz nicht. Auf seinem YouTube-Kanal versucht der Möchtegern-Carlson Roger Köppel doch tatsächlich, Nawalny zu verzwergen. Zuvor hatte er im Editorial seiner «Weltwoche» den russischen Präsidenten in den Himmel gehoben. Er zeige sich im Carlson-Interview «vital, eloquent, bestens informiert, schlagfertig und sogar humorvoll», schwärmt Köppel und fügt hinzu: «Er redet kontrollierter, sachbezogener und, ja, auch höflicher als seine rhetorisch enthemmten Kritiker im Westen.»
Schliesslich versteigt sich Köppel gar zur These, wonach «Putin ein Kälteschock der Wirklichkeit» sei, «den der Woke-Westen so dringend brauchte». Allerdings: Timing war noch nie Köppels Stärke. Als er das erste Mal Putin zum «Missverstandenen» erklärte, überfiel dieser tags darauf die Ukraine.
Was Carlson und Köppel nicht wahrhaben wollen, ist, dass der Krieg in der Ukraine die «gelenkte Demokratie» Russlands dem Stalinismus ein gutes Stück näher gebracht hat. So schreibt der Russland-Experte Alexander Baunov in der «Financial Times»:
Nawalnys Märtyrer-Tod könnte im Westen tatsächlich einen Schock auslösen, aber einen ganz anderen als den von Köppel erhofften «Kälte»-Schock. Ironischerweise könnte sich das Josef Stalin zugeschriebene Zitat «Ein Toter ist eine Tragödie, 1000 Tote sind eine Statistik» gegen Putin wenden. Die Beseitigung des Putin-Kritikers hat im Westen bereits heftige Reaktionen ausgelöst.
In den USA haben sich über das Wochenende auch namhafte Republikaner dafür ausgesprochen, dass das Abgeordnetenhaus das von der Ukraine dringend benötigte Hilfspaket endlich bewilligt. Bisher verhindert Mike Johnson, der Trump-hörige Speaker, dies mit windigen Argumenten. Der Ex-Präsident selbst hat den Tod Nawalnys noch mit keiner Silbe erwähnt.
Derweil scheinen die Europäer allmählich den Ernst der Lage zu erkennen. Die Einsicht, dass man gegen Russland aufrüsten muss und sich nicht mehr einzig auf die Amerikaner verlassen darf, wird nicht nur in unzähligen Kommentaren der Leitmedien verkündet, sie scheint sich auch in den Köpfen der zuständigen Staatsoberhäupter durchzusetzen. So spricht der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius neuerdings davon, dass sein Land die Militärausgaben nicht nur auf die von der NATO empfohlenen zwei, sondern gar auf gegen vier Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöhen werde.
Die Putin-Trolls werden derweil nicht nur mit Spott überschüttet. Tucker Carlson muss die ultimative Beleidigung wegstecken. Wladimir Putin hat das gehypte Interview nachträglich als «harmlos» abgetan. «Ehrlich gesagt, ich habe mir mehr erhofft», so der russische Präsident.
Heutzutage entscheidet ein einziger Mensch, wofür Satelliten eingesetzt werden. Geht es nur mir so, oder empfinden auch andere eine Entwicklung in die Falsche Richtung?
Egal ob es um das Erstarken der Rechtspopulisten, oder um die Wahl Trumps, oder um den ganzen Fake-News Tsunami geht, überall taucht irgendwo der Name dieses Massenmörders auf.