Gehen Russland in der Ostukraine bald die Kämpfer aus? Teile der mit Russland verbündeten Miliz der sogenannten Volksrepublik Luhansk (LNR) weigern sich, die Kämpfe in der benachbarten Oblast Donezk fortzusetzen. Das berichtet das amerikanische Institute for the Study of War (ISW).
Ein in den sozialen Medien verbreitetes Video soll zeigen, wie sich Soldaten eines LNR-Bataillons weigern, weiterzukämpfen. Sie behaupten, dass sie ihren «Sieg» bereits am 3. Juli mit der vollständigen Einnahme der Oblast Luhansk gefeiert hätten und dass ihre «Arbeit» damit getan sei. Die Milizionäre beklagen sich zudem über das zermürbende Tempo der Offensiven ausserhalb des Gebiets Luhansk.
Mercenaries of the self-proclaimed "#Luhansk People's Republic" declared that they won't fight on the territory of the self-proclaimed "#Donetsk People's Republic". pic.twitter.com/U80kcB3fMx
— NEXTA (@nexta_tv) August 15, 2022
Man sei «müde von Gefechten jenseits der eigenen Grenzen», werden die Kämpfer zitiert. Die Authentizität des Videos kann nicht unabhängig überprüft werden. Von Miliz-Einheiten der sogenannten Volksrepublik Donezk (DNR), die in den Oblasten Charkiw und Cherson operieren, gab es zuvor ähnliche Anzeichen von Kriegsmüdigkeit. Dies könnte laut ISW darauf hindeuten, dass die separatistischen Gruppierungen die expansiven Invasionspläne des Kremls nicht vollständig unterstützen.
Das ISW schätzt die Unterstützung der regulären russischen Streitkräfte durch die prorussischen Milizen als essenziell für weitere russische Gebietsgewinne ein. Gerade auch deshalb, weil Russland aufgrund der hohen personellen Verluste zunehmend versucht, neue Soldaten aus den Gebieten Luhansk und Donezk zu rekrutieren. Nur so können die jüngsten Verluste ausgeglichen werden - ohne dass Russland aufgrund fehlender «Manpower» eine Generalmobilmachung im eigenen Land durchführen muss.
Gleichzeitig wird die Ost-Offensive der russischen Armee unvermindert weitergeführt. Russlands Präsident Wladimir Putin verkündete auf einem Militärforum in der Region Moskau, dass am Ziel der vollständigen Einnahme des Gebiets Donezk festgehalten werde.
Experten bezeichnen die verstärkte russische Initiative in der Ostukraine zuweilen auch als «Ablenkungsmanöver», da es in der vergangenen Woche etliche Meldungen über Truppenverschiebungen in Richtung Süden gab. So hoffe Russland möglicherweise, durch die Ostoffensive den «taktischen und rhetorischen Schwerpunkt» vom Süden weg zu verlagern.
Auf dem Süden ruhen die Hoffnungen der sich erbittert verteidigenden Ukrainer. Knapp 20 Kilometer stehen noch zwischen ihnen und der Gebietshauptstadt Cherson. Die russischen Besatzer stehen dort offenbar unter massivem Druck. Zuletzt hat sich, gemäss dem ukrainischen Gouverneur der gleichnamigen Region, das russische Militärkommando auf die Ostseite des Flusses Dnipro zurückgezogen. In der seit Kriegsbeginn besetzten Stadt Cherson auf der Westseite des Flusses hat Russland damit kein Kommandozentrum mehr.
Die ukrainischen Streitkräfte nehmen seit einigen Wochen strategische Ziele in der Oblast Cherson unter Beschuss, auch mithilfe westlicher Waffensysteme - wie den vielgelobten Mehrfachraketenwerfern vom Typ Himars.
Vor allem die wichtige Antoniwka-Brücke über den Dnipro wurde mehrmals betroffen und ist gemäss dem britischen Verteidigungsministerium für Fahrzeuge unpassierbar. Tausende russische Soldaten auf der Westseite des Dnipro müssen nun über improvisierte Schwimmbrücken des Militärs versorgt werden. Diese sind ein leichtes Ziel für die ukrainische Artillerie.
Auf der seit 2014 von Russland besetzten Halbinsel Krim kam es am Dienstagmorgen erneut zu einer grossen Explosion nahe der Kleinstadt Dschankoj. Bei dem Angriff sei ein Militärlager getroffen worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Dieses spricht von einem «Sabotageakt». Es sei eine Reihe von zivilen Objekten beschädigt worden, darunter Stromleitungen, ein Kraftwerk und Bahngleise sowie einige Wohngebäude. Auf Videos in den sozialen Netzwerken waren ein grosses Feuer und eine Rauchwolke zu sehen.
Ein weiteres Video von gemeldeten Explosionen in der Nähe von #Dzhankoi , #Russia |n-besetzt #Crimea , Süden #Ukraine , wo es heute Morgen eine Explosion in einem gemeldeten russischen Munitionsdepot / Militärgelände gab. Via @sternenko
— Stephan Brock 🇩🇪🇪🇺 (@_StephanBrock) August 16, 2022
pic.twitter.com/7mmeeIHt3y
Mehr als 3000 Menschen wurden den Behörden zufolge bis zum frühen Nachmittag in Sicherheit gebracht. Über Dschankoj laufen die Bahnverbindungen von Moskau über die neue Krimbrücke auf die Halbinsel. Diese sind nun unterbrochen. Ein weiterer Schlag gegen den Tourismus auf der Krim also, denn aufgrund der Einstellung des Flugverkehrs nutzen viele russische Touristen die Bahn, um die Kurorte am Schwarzen Meer zu besuchen.
Am Nachmittag soll gar erneut ein Brand auf einem russischen Militärflugplatz im Ort Gwardeiskoje nahe Simferopol ausgebrochen sein, wie Augenzeugen berichten. Erst am Dienstag vor einer Woche gab es schwere Explosionen auf dem südlicher gelegenen russischen Luftwaffenstützpunkt Saki nahe dem Kurort Nowofedorowka.
Experten gehen davon aus, dass bei dem mutmasslichen Angriff ukrainischer Spezialeinheiten und Widerständler mehrere russische Kampfjets zerstört wurden. Moskau behauptet, ein Brand sei die Ursache gewesen. Kiew hüllt sich in Schweigen.
Neben den in Gefahr geratenen Luftwaffenbasen befindet sich auch die ebenfalls auf der Krim stationierte russische Schwarzmeerflotte in der Defensive, wie das britische Verteidigungsministerium berichtet. Die Patrouillen seien auf Gewässer in Sichtweite der Krimküste beschränkt. Laut der britischen Behörde fühlen sich die Russen in der ukrainischen Schwarzmeerregion nicht mehr sicher. Ein Erfolg für die ukrainischen Streitkräfte also.
Die Schwarzmeerflotte setze zwar weiterhin Langstrecken-Marschflugkörper zur Unterstützung von Bodenoffensiven ein, habe jedoch derzeit Schwierigkeiten, «eine effektive Seekontrolle auszuüben», so das britische Verteidigungsministerium weiter.
Die begrenzte Effektivität der russischen Flotte untergrabe damit die allgemeine Strategie Russlands. Die ukrainische Hafenstadt Odessa sei somit vor allfälligen Landungsversuchen von russischen Booten weitgehend geschützt.
Die Stadt Cherson ist für die Ukraine zum Symbol der Hoffnung geworden. Mit einer Rückeroberung der Stadt durch ukrainische Truppen hätte die Regierung in Kiew einen ersten grossen Erfolg im Zuge ihrer lang angekündigten Gegenoffensive im Süden des Landes vorzuweisen.
Experten sind sich jedoch weitgehend einig, dass der Ukraine sowohl Waffen als auch Soldaten fehlen, um eine gross angelegte Gegenoffensive zum Erfolg zu bringen.
Eine ukrainische Panzerhaubitze im Einsatz bei Kherson. Nur wenige Male feuert die Gvozdika, dann müssen die Soldaten die Position wechseln, um nicht unter russischen Beschuss zu kommen. So sieht der Abnutzungskampf im Südosten momentan aus, ohne größere Geländegewinne. @welt pic.twitter.com/3YTO9fTi15
— Steffen Schwarzkopf (@S_Schwarzkopf) August 15, 2022
Kiews Truppen rücken zwar vor, aber nur sehr langsam. Beobachter vor Ort berichten, dass seit Wochen und vonseiten beider Kriegsparteien kaum relevante militärische Geländegewinne gab. Die Gefechte bestehen aus einem langwierigen Abnützungskampf. Dieser könnte sich weiter hinziehen, nachdem Russland fortwährend Truppen in den Süden verlegt. (aargauerzeitung.ch)
Seit wann leiden Menschen im Krieg nicht? Seit wann leiden nicht die Zivilisten am meisten. Wir wissen das alle.
Aber es ist nicht unsere Entscheidung wie lange die Ukrainer ihr Land gegen eines der schlimmsten Regime verteidigen will. Den die Geschichte lernt uns das solche Besatzer oft schlimmer sind als der Kampf gegen sie. Das sind Entscheidungen die nur den Ukrainern zustehen.