Warum «Gerrymandering» in den USA zum Problem für die Demokratie wird
Die republikanischen Abgeordneten von Texas haben es geschafft: Nach einem wochenlangen Machtkampf haben sie im texanischen Repräsentantenhaus dafür gestimmt, mehrere Wahlkreise neu zuzuschneiden. In den USA wird dies «Gerrymandering» genannt (siehe Infobox).
Bevor die Änderung tatsächlich in Kraft treten kann, muss die republikanische Mehrheit im Senat sowie Gouverneur Greg Abbott dem Gesetz noch zustimmen. Dies gilt allerdings als Formsache.
Für die Republikaner ist das ein Grund zum Jubeln, denn davor ging ein regelrechtes politisches Theater über die Bühne, inklusive Flucht von demokratischen Abgeordneten, Drohungen von Festnahmen und Geldbussen, Polizeibegleitung und mehr. Ein politischer Krimi – der allerdings schwerwiegende Folgen haben könnte.
Dabei werden die Grenzen so gelegt, dass eine Partei möglichst viele eigene Stimmen bündelt und gleichzeitig die Stimmen der Gegenseite auf mehrere Wahlkreise verteilt. So kann eine Partei mehr Sitze im Kongress erringen, selbst wenn sie insgesamt nicht mehr Stimmen erhält.
Oft entstehen auf diese Weise Wahlkreise mit ungewöhnlich verschlungenen Zuschnitten, die Gemeinden künstlich zerteilen. Sowohl Republikaner als auch Demokraten haben «Gerrymandering» schon genutzt, um sich Vorteile bei Wahlen zu verschaffen; zuletzt geschah dies jedoch vor allem in republikanisch geführten Bundesstaaten.
2019 stellte der Supreme Court in einem umstrittenen Urteil fest, dass die Taktik zwar undemokratisch, aber verfassungsrechtlich zulässig ist – solange dabei keine Minderheiten benachteiligt werden. (ome)
Denn mittlerweile regt sich in demokratischen Reihen Widerstand, es wird mit konkreten Vergeltungen gedroht. Nicht in Texas, aber in demokratisch dominierten Bundesstaaten wie New York, Illinois oder Kalifornien. Ganz nach dem Motto: «Wie du mir, so ich dir.»
Fakt ist aber auch: Das Ganze ist nicht neu. «Gerrymandering» ist in den USA schon lange gang und gäbe und wird von beiden Parteien vorangetrieben, um sich einen Wahlvorteil zu verschaffen. Allerdings geschah «Gerrymandering» zuletzt vor allem in republikanischen Bundesstaaten, wie jetzt zum Beispiel in Texas.
Zudem kommt, dass ein umstrittenes Urteil des Supreme Courts 2019 der Praxis nicht etwa Einhalt geboten hatte, sondern «Gerrymandering» damals zwar als «undemokratisch, aber nicht verfassungswidrig» erklärte – «solange keine Minderheiten benachteiligt werden».
Newsom droht mit Konsequenzen – und bekommt Unterstützung
Ein Demokrat ist mittlerweile zum Gesicht des Widerstands gegen das texanische «Gerrymandering» geworden: Gavin Newsom, demokratischer Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien.
In den Sozialen Netzwerken macht Newsom seit einiger Zeit gehörig Stimmung gegen «Gerrymandering» und vor allem gegen den Bundesstaat Texas. Er droht mittlerweile offen damit, die gleiche Praxis in Kalifornien anzuwenden.
California’s action this week is a DIRECT response to Trump and his lapdogs in Texas.
— Governor Newsom Press Office (@GovPressOffice) August 18, 2025
If they stand up for democracy, and say no to Trump, California will stand down.
Otherwise, its go time! pic.twitter.com/aeStPIDt96
Zwar werden die Wahlkreise in Kalifornien von einer unabhängigen Wahlkreisreformkommission festgelegt, während in Texas dafür parteiische Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber zuständig sind, Newsom droht aber damit, diese Kommission zu umgehen, indem er Wählerinnen und Wähler im Herbst über eine von Demokraten entworfenen Karte abstimmen lässt.
Newsom betonte zwar immer wieder, dass solch eine Abstimmung nur durchgeführt wird, wenn Texas seine «Gerrymandering»-Pläne fortsetzt. Mit der Abstimmung in der Nacht auf Donnerstag ist die Sache in Texas allerdings durch. Und darum ist nun die grosse Frage:
Macht Newsom seine Drohung wahr?
Die Demokraten hielten sich lange Zeit eher bedeckt, was solche politischen Kniffe und Tricks angeht. Aber seit dem Fall Texas mehreren sich auch in demokratischen Reihen die Stimmen, dass man das Spiel jetzt nun halt mitspielen müsse – demokratische «Werte» hin oder her.
Newsom erhielt diese Woche erstaunliche Unterstützung aus den eigenen Reihen; und zwar von Ex-Präsident Barack Obama. Dieser sprach Newsom an einer Spendenveranstaltung seine Unterstützung zu.
🚨 HUGE NEWS: PRESIDENT OBAMA BACKS CALIFORNIA’S FIGHT TO SAVE DEMOCRACY WITH REDISTRICTING. pic.twitter.com/FgtpGhEq5Q
— Governor Newsom Press Office (@GovPressOffice) August 20, 2025
Er, wie auch alle anderen Demokraten, werden dabei auch nicht müde zu betonen, dass man «nur» auf das texanische Vorgehen reagiere – und nicht agiere. Sprich: Hätte Texas ihre «Gerrymandering»-Pläne nicht weitergetrieben, wäre man nicht auf Vergeltung in anderen Bundesstaaten aus.
Obama bezeichnet darum das Vorgehen Newsoms als «klugen Schachzug». Denn so können sich die Demokraten weiterhin als eine Partei verkaufen, die die demokratischen Werte und das bestehende politische Wahlsystem hochhält. Und gleichzeitig kann man die Republikaner der Absicht beschuldigen, dass solche «Gerrymandering»-Gesetze nur darauf hinauslaufen, dass schlussendlich Politiker ihre Wähler auswählen – und nicht umgekehrt. In einem Land, das sich mit seinen demokratischen Werten rühmt, ist das ein Vorwurf, der bei Wählerinnen und Wählern schlecht ankommen dürfte.
«Gerrymandering» als Gefahr für die Demokratie
Ob man das Vorgehen oder konkret die Vergeltung der Demokraten nun gutheisst oder nicht, eines ist klar: das ganze Theater schadet der US-amerikanischen Demokratie.
In einem Gastbeitrag der Washington Post zum Beispiel heisst es:
In die gleiche Kerbe schlägt auch der britische Guardian in einem Meinungsbeitrag. Dort heisst es:
Das Theater rund um das «Gerrymandering» verdeutlicht einmal mehr, wie schwer sich die Demokraten damit tun, eine Antwort auf Trump und seine Politik zu finden. Immer wieder stellt sich die Frage:
Ist es sinnvoll, «Feuer mit Feuer zu bekämpfen»?
Das Vorgehen in Kalifornien zeigt jedenfalls, dass die Demokraten diesem Vorgehen nicht mehr ganz abgeneigt zu sein scheinen. Der Graben zwischen den Parteien – und damit auch zwischen den Wählerinnen und Wählern – wächst damit weiter. Gleichzeitig wird die Glaubwürdigkeit demokratischer Institutionen immer mehr untergraben.
