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Warum Gerrymandering in den USA zum Problem für die Demokratie wird

epa12301062 California Governor Gavin Newsom speaks during a news conference to respond to the Trump administration's recent gerrymandering attempts, in Los Angeles, California, USA, 14 August 20 ...
Er stellt sich dem «Gerrymandering» der Republikaner entgegen: der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom.Bild: keystone
Analyse

Warum «Gerrymandering» in den USA zum Problem für die Demokratie wird

Nach dem Gesetz zur Umverteilung der Wahlkreise in Texas werden in demokratischen Reihen ebenfalls Pläne für «Gerrymandering» geschmiedet. Warum das für die US-amerikanische Demokratie langfristig eine gefährliche Entwicklung ist.
21.08.2025, 13:1721.08.2025, 13:47

Die republikanischen Abgeordneten von Texas haben es geschafft: Nach einem wochenlangen Machtkampf haben sie im texanischen Repräsentantenhaus dafür gestimmt, mehrere Wahlkreise neu zuzuschneiden. In den USA wird dies «Gerrymandering» genannt (siehe Infobox).

Bevor die Änderung tatsächlich in Kraft treten kann, muss die republikanische Mehrheit im Senat sowie Gouverneur Greg Abbott dem Gesetz noch zustimmen. Dies gilt allerdings als Formsache.

Für die Republikaner ist das ein Grund zum Jubeln, denn davor ging ein regelrechtes politisches Theater über die Bühne, inklusive Flucht von demokratischen Abgeordneten, Drohungen von Festnahmen und Geldbussen, Polizeibegleitung und mehr. Ein politischer Krimi – der allerdings schwerwiegende Folgen haben könnte.

Was ist «Gerrymandering»?
Jeder der 435 Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus vertritt einen eigenen Wahlkreis. Die Kreise sollen laut Gesetzgebung ungefähr gleich viele Einwohner haben. Grundlage dafür ist eigentlich der alle zehn Jahre stattfindende Zensus, der als Basis für die Festlegung der Wahlkreise dient. Das gezielte parteipolitische Zuschneiden dieser Wahlkreise wird in den USA «Gerrymandering» genannt.

Dabei werden die Grenzen so gelegt, dass eine Partei möglichst viele eigene Stimmen bündelt und gleichzeitig die Stimmen der Gegenseite auf mehrere Wahlkreise verteilt. So kann eine Partei mehr Sitze im Kongress erringen, selbst wenn sie insgesamt nicht mehr Stimmen erhält.

Oft entstehen auf diese Weise Wahlkreise mit ungewöhnlich verschlungenen Zuschnitten, die Gemeinden künstlich zerteilen. Sowohl Republikaner als auch Demokraten haben «Gerrymandering» schon genutzt, um sich Vorteile bei Wahlen zu verschaffen; zuletzt geschah dies jedoch vor allem in republikanisch geführten Bundesstaaten.

2019 stellte der Supreme Court in einem umstrittenen Urteil fest, dass die Taktik zwar undemokratisch, aber verfassungsrechtlich zulässig ist – solange dabei keine Minderheiten benachteiligt werden. (ome)
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Links die aktuellen Wahlkreise in Texas, rechts der Vorschlag der Republikaner, der ihnen wahrscheinlich 5 zusätzliche Sitze im Kongress bescheren würde. Bild: CBS News

Denn mittlerweile regt sich in demokratischen Reihen Widerstand, es wird mit konkreten Vergeltungen gedroht. Nicht in Texas, aber in demokratisch dominierten Bundesstaaten wie New York, Illinois oder Kalifornien. Ganz nach dem Motto: «Wie du mir, so ich dir.»

Fakt ist aber auch: Das Ganze ist nicht neu. «Gerrymandering» ist in den USA schon lange gang und gäbe und wird von beiden Parteien vorangetrieben, um sich einen Wahlvorteil zu verschaffen. Allerdings geschah «Gerrymandering» zuletzt vor allem in republikanischen Bundesstaaten, wie jetzt zum Beispiel in Texas.

Zudem kommt, dass ein umstrittenes Urteil des Supreme Courts 2019 der Praxis nicht etwa Einhalt geboten hatte, sondern «Gerrymandering» damals zwar als «undemokratisch, aber nicht verfassungswidrig» erklärte – «solange keine Minderheiten benachteiligt werden».

Newsom droht mit Konsequenzen – und bekommt Unterstützung

Ein Demokrat ist mittlerweile zum Gesicht des Widerstands gegen das texanische «Gerrymandering» geworden: Gavin Newsom, demokratischer Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien.

In den Sozialen Netzwerken macht Newsom seit einiger Zeit gehörig Stimmung gegen «Gerrymandering» und vor allem gegen den Bundesstaat Texas. Er droht mittlerweile offen damit, die gleiche Praxis in Kalifornien anzuwenden.

Zwar werden die Wahlkreise in Kalifornien von einer unabhängigen Wahlkreisreformkommission festgelegt, während in Texas dafür parteiische Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber zuständig sind, Newsom droht aber damit, diese Kommission zu umgehen, indem er Wählerinnen und Wähler im Herbst über eine von Demokraten entworfenen Karte abstimmen lässt.

Newsom betonte zwar immer wieder, dass solch eine Abstimmung nur durchgeführt wird, wenn Texas seine «Gerrymandering»-Pläne fortsetzt. Mit der Abstimmung in der Nacht auf Donnerstag ist die Sache in Texas allerdings durch. Und darum ist nun die grosse Frage:

Macht Newsom seine Drohung wahr?

Die Demokraten hielten sich lange Zeit eher bedeckt, was solche politischen Kniffe und Tricks angeht. Aber seit dem Fall Texas mehreren sich auch in demokratischen Reihen die Stimmen, dass man das Spiel jetzt nun halt mitspielen müsse – demokratische «Werte» hin oder her.

Newsom erhielt diese Woche erstaunliche Unterstützung aus den eigenen Reihen; und zwar von Ex-Präsident Barack Obama. Dieser sprach Newsom an einer Spendenveranstaltung seine Unterstützung zu.

Er, wie auch alle anderen Demokraten, werden dabei auch nicht müde zu betonen, dass man «nur» auf das texanische Vorgehen reagiere – und nicht agiere. Sprich: Hätte Texas ihre «Gerrymandering»-Pläne nicht weitergetrieben, wäre man nicht auf Vergeltung in anderen Bundesstaaten aus.

Obama bezeichnet darum das Vorgehen Newsoms als «klugen Schachzug». Denn so können sich die Demokraten weiterhin als eine Partei verkaufen, die die demokratischen Werte und das bestehende politische Wahlsystem hochhält. Und gleichzeitig kann man die Republikaner der Absicht beschuldigen, dass solche «Gerrymandering»-Gesetze nur darauf hinauslaufen, dass schlussendlich Politiker ihre Wähler auswählen – und nicht umgekehrt. In einem Land, das sich mit seinen demokratischen Werten rühmt, ist das ein Vorwurf, der bei Wählerinnen und Wählern schlecht ankommen dürfte.

«Gerrymandering» als Gefahr für die Demokratie

Ob man das Vorgehen oder konkret die Vergeltung der Demokraten nun gutheisst oder nicht, eines ist klar: das ganze Theater schadet der US-amerikanischen Demokratie.

In einem Gastbeitrag der Washington Post zum Beispiel heisst es:

«Extremes ‹Gerrymandering› schadet den Wählerinnen und Wählern der Gesetzgeber. Ein Repräsentantenhaus, das den Volkswillen maximal repräsentiert, wird als legitimer wahrgenommen. Im Idealfall sollten Republikaner und Demokraten gleichermassen parteiisches ‹Gerrymandering› zugunsten einer wirklich unabhängigen Neufestlegung der Wahlbezirke aufgeben. Wenn dies nicht möglich ist, sollten sie zumindest vermeiden, die Flammen des parteipolitischen Kampfes weiter anzufachen.»
Washington Post

In die gleiche Kerbe schlägt auch der britische Guardian in einem Meinungsbeitrag. Dort heisst es:

«Es gibt einen triftigen Grund, warum es keine gute Idee ist, ‹Feuer mit Feuer zu bekämpfen›, wenn das Ziel darin besteht, die Demokratie vor angeblichen Angriffen zu schützen: Das ‹Feuer› stellt eine Verletzung eines der Grundwerte der Demokratie dar – letztendlich des Grundsatzes der Wahlgleichheit – und würde somit den Feinden der Demokratie in die Hände spielen.»
Guardian

Das Theater rund um das «Gerrymandering» verdeutlicht einmal mehr, wie schwer sich die Demokraten damit tun, eine Antwort auf Trump und seine Politik zu finden. Immer wieder stellt sich die Frage:

Ist es sinnvoll, «Feuer mit Feuer zu bekämpfen»?

Das Vorgehen in Kalifornien zeigt jedenfalls, dass die Demokraten diesem Vorgehen nicht mehr ganz abgeneigt zu sein scheinen. Der Graben zwischen den Parteien – und damit auch zwischen den Wählerinnen und Wählern – wächst damit weiter. Gleichzeitig wird die Glaubwürdigkeit demokratischer Institutionen immer mehr untergraben.

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118 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Truth Hurts
21.08.2025 14:05registriert Mai 2016
Das WIRD nicht zum Problem, das IST schon lange eins!
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FrancoL
21.08.2025 13:47registriert November 2015
Nebst dem ausarbeiten von guten Programmen sind die DEMs gut beraten wenn sie FEUER mit FEUER bekämpfen. Sie müssen wahlen gewinnen und ncht inmoralischer Schönheit sterben.
Also Känpfen mit allen Mitteln und den REPs mit gleicher Münze zurückzahlen bzw begegnen!
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Quieselchen
21.08.2025 14:30registriert Januar 2021
Um die Diskussion hier noch ein wenig anzufeuern:

Gerrymandering ist undemokratisch. Punkt. Der Rest des SCOTUS-Urteils ist ein Scandal.

Oder anders gesagt: die Karten werden gezinkt und das ist angeblich nicht verfassungswidrig, nicht mehr nicht weniger.

Fakt ist auch, nicht nur aktuell, sondern auch historisch betrachtet, haben Republikaner in 70% aller Fälle diese unfaire Praxis betrieben.

Mittlerweile haben sie dadurch die Möglichkeit, ungestraft noch weitere unfaire Mittel zur Anwendung zu bringen…

Und das hat NICHTS mit links-grün-versifft zu tun!
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