International
Analyse

Das Quadrell: Die Viererdebatte hielt nicht, was sie versprach

epa11901882 Chancellor candidates (L-R), incumbent German Chancellor Olaf Scholz (Social Democratic Party, SPD), German Minister for Economic Affairs and Climate Action Robert Habeck (Alliance 90/The  ...
Olaf Scholz, Robert Habeck, Friedrich Merz und Alice Weidel in der RTL-Debatte.Bild: keystone
Analyse

Ein Kanzler-«Quadrell» mit seltsamen Schweiz-Bezügen

Eine Woche vor der Bundestagswahl trafen sich die Spitzen der vier grössten Parteien zur Fernsehdebatte. Der Erkenntnisgewinn war bescheiden, und davon profitiert vor allem einer.
17.02.2025, 00:4617.02.2025, 12:46
Mehr «International»

Als ARD und ZDF am letzten Sonntag ein Duell mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und CDU-Chef Friedrich Merz durchführten, mangelte es nicht an Kritik. Es sei ein Format im Stil der alten Bundesrepublik, das nicht zur heutigen Politiklandschaft passt, hiess es. Diese ist unübersichtlicher als in den Zeiten des «Dreiklangs» von CDU/CSU, SPD und FDP.

Bei RTL/n-tv liess man sich die Gelegenheit nicht entgehen und erweiterte das ebenfalls geplante Duell zum «Quadrell» mit Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD). Alle vier bewerben sich bei der Bundestagswahl am nächsten Sonntag für das Kanzleramt. Die Ausgangslage war spannend, vor allem angesichts der unterschiedlichen Charaktere.

«Sie eiern rum!» – so haben sich Merz und Weidel im TV-Duell angepöbelt

Video: watson

Das Fazit nach der zweistündigen Debatte zur Primetime aber ist eher ernüchternd. Allen Vieren gelangen vereinzelte Treffer, doch oft keilten sie gegeneinander und verloren sich in mühsamer Erbsenzählerei. Das lag nicht zuletzt am Moderatoren-Duo: Pinar Atalay und Günther Jauch waren nicht auf der Höhe von Maybrit Illner und Sandra Maischberger.

Jauch und sein Schweiz-Fimmel

Vor allem Jauch war eine Enttäuschung. Ein Tiefpunkt war sein penetranter Versuch, Alice Weidel auf ihre Schweiz-Conncetion festzunageln. Ist sie wirklich in Deutschland gemeldet? Ja, auch ihre Frau und die beiden Kinder. Versteuert sie alle Einkünfte in Deutschland? Ja, betonte Weidel nicht weniger als dreimal. Ist sie Doppelbürgerin? Nein.

Wenn Günther Jauch damit versuchte, das Image der AfD-Kanzlerkandidatin als deutsche Superpatriotin anzuzweifeln, ist ihm das gründlich misslungen. Es war nicht der einzige seltsame Schweiz-Bezug in der Sendung. Beim Thema Wohnungsnot wurde im Hintergrund das Foto der Warteschlange vor der Zürcher Überbauung Kronenwiese eingeblendet.

Da sieht es plötzlich nach Zürich aus hinter Robert Habeck.Video: youtube/NTV

Ade Wirtschaftswunder?

Ein Highlight immerhin konnte Jauch platzieren, als er im Stil seines Dauerbrenners «Wer wird Millionär?» nach dem Prozentanteil der deutschen Beamten fragte, die bis zum ordentlichen Rentenalter arbeiten. Es sind ganze 20 Prozent, was nur Olaf Scholz wusste. «Wenn das Schule macht, ist das deutsche Wirtschaftswunder erst recht Geschichte», meinte Jauch.

Die schwierige Lage der deutschen Wirtschaft war neben der Migration das Hauptthema des Quadrells. Sie sind die grösste Sorge der Wählerinnen und Wähler. Doch niemandem aus dem Quartett gelang ein überzeugender Auftritt oder auch nur ein zündender Moment. Zeitweise fragte man sich als unbeteiligter Zuschauer, was das eigentlich sollte.

So haben sich die vier Teilnehmer geschlagen:

Olaf Scholz (SPD)

epa11901903 Incumbent German Chancellor Olaf Scholz, chancellor candidate for the Social Democratic Party (SPD), takes part in the TV debate 'Quadrell' on the German federal election campaig ...
Der Bundeskanzler zeigte, dass ihm das Debattieren liegt.Bild: keystone

Das ARD/ZDF-Duell mit Friedrich Merz hatte der Bundeskanzler laut einer Blitzumfrage knapp gewonnen. Und doch hatte Scholz keine gute Woche, mit der «Hofnarr»-Kontroverse und dem neusten Terroranschlag in München. Nun sind dem Hamburger Selbstzweifel eher fremd, und entsprechend trat er im Quadrell auf: Angriffig und zeitweise fast schon witzig.

Einmal mehr zeigte sich: Dem oft drögen Scholz liegt das Debattenformat. Darin blüht er auf, vor allem im «Nahkampf» mit Merz und Weidel. «Wir haben von Ihnen nichts gehört ausser heisser Luft», blaffte er die AfD-Chefin an. Emotional wurde er, als er sich stolz darüber zeigte, dass in seiner Amtszeit der Niedriglohnsektor in Deutschland stark geschrumpft sei.

Robert Habeck (Grüne)

epa11901905 German Minister for Economic Affairs and Climate Action Robert Habeck, chancellor candidate for the Alliance 90/The Greens (Greens) takes part in the TV debate 'Quadrell' on the  ...
Robert Habeck kam sympathisch rüber, aber viel mehr war da nicht.Bild: keystone

Als Vizekanzler und Wirtschaftsminister der gescheiterten Ampel-Regierung befindet sich Habeck in einer schwierigen Lage. Seine Grünen kommen in den Umfragen nicht vom Fleck. Zumindest bezüglich Sympathie konnte er am Sonntag punkten. Er übertraf in der RTL-Nachbefragung seine Mitstreiterin und die beiden Mitstreiter deutlich.

Inhaltlich aber tat sich Robert Habeck schwer, mit seinem Hang zu philosophischen Exkursen zur Geltung zu kommen. Die pessimistische Sicht vieler Deutscher auf die Wirtschaft kommentierte er mit dem Satz «Wir sollten aufhören, rumzuheulen». Einzig bei seinem Kernthema Klimaschutz konnte er im Clinch mit Friedrich Merz aufblühen.

Friedrich Merz (CDU/CSU)

epa11901915 Christian Democratic Union (CDU) party leader and chancellor candidate Friedrich Merz checks his glasses during the TV debate 'Quadrell' on the German federal election campaign,  ...
Ihm fehlte vielleicht manchmal der Durchblick, aber am Ende wurde Merz als Debattensieger beurteilt.Bild: keystone

Die Union liegt in den Umfragen seit Monaten deutlich in Front. Deshalb ging es für Merz nur darum, «keine grossen Fehler zu machen», wie der «Spiegel» festhielt. Das ist ihm gelungen. Seine Performance war solide, aber nicht überragend. Ein Sympathieträger wird der CDU-Chef nicht mehr, aber es gelang ihm, sich staatsmännisch zu inszenieren.

Die besten Momente hatte er ganz am Anfang und am Ende des Quadrells. «In vier Tagen kommen so viele Leute, wie wir in einem Monat abschieben», rieb er den Ampel-Vertretern beim Thema Migration unter die Nase. Sein «Flirt» mit der AfD hatte viele empört, doch in seinem Schlusswort betonte Merz klipp und klar:

«Mit der AfD ganz sicher nicht.»

Alice Weidel (AfD)

epa11901917 Alternative for Germany (AfD) party co-leader and chancellor candidate Alice Weidel takes part in the TV debate 'Quadrell' on the German federal election campaign, in Berlin, Ger ...
Für Alice Weidel war das Quadrell eine grosse Chance. Sie hat sie nicht genutzt.Bild: keystone

Das Format war für die AfD-Kanzlerkandatin eine grosse Chance, um sich dem Wahlvolk als verantwortungsbewusste Politikerin zu empfehlen. Es ist ihr misslungen. Alice Weidel schaffte es nie, ein klares Profil zu entwickeln. Mit der Lobhudelei auf Donald Trump, den sie zum Friedensstifter in der Ukraine hochjubelte, dürfte sie selbst Anhänger irritiert haben.

Die Rezepte der Ökonomin in der Wirtschaftspolitik wirken von gestern («zurück zum Verbrenner»). Das Quadrell machte deutlich, wie isoliert Weidel und ihre Partei in der deutschen Politik sind, und das liegt nicht nur an rechtsextremen Positionen und Personen wie Björn Höcke. Sondern auch an einem Programm, das nur die Kernklientel begeistert.

Die RTL-Nachbefragung ergab ein klares Bild: Friedrich Merz wurde von 32 Prozent als Sieger beurteilt. Olaf Scholz folgte mit respektablen 25 Prozent, die aber für eine echte Trendwende nicht reichen werden. Robert Habeck und Alice Weidel waren abgeschlagen. Noch deutlicher «siegte» Merz mit 42 Prozent bei der Frage nach den Führungsqualitäten.

Wenn nicht etwas Verrücktes geschieht, ist die Bundestagswahl gelaufen, und der neue deutsche Bundeskanzler heisst Friedrich Merz. Mit wem er regieren wird, bleibt offen. Mehr wissen wir am nächsten Sonntag um 18 Uhr.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Karriere von Bundeskanzler Olaf Scholz in 8 Bildern
1 / 10
Die Karriere von Bundeskanzler Olaf Scholz in 8 Bildern
Scholz wird 1958 in Osnabrück geboren und wächst als ältester von drei Brüdern auf. Nach bestandenem Abitur und Zivildienst, studiert Scholz Rechtswissenschaften in Hamburg und wird Anwalt. Bereits 1975 als Gymnasiast beginnt er sich bei den Jusos zu engagieren und wird später stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender.
quelle: gladstone~dewiki, cc by-sa 4.0 via wikimedia commons
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Sie eiern rum!» – so haben sich Merz und Weidel im TV-Duell angepöbelt
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
86 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Alnothur
17.02.2025 02:39registriert April 2014
«Mit wem er regieren wird, bleibt offen.» - Eigentlich nicht, nein, zumindest wenn man die Aussagen ernst nimmt. Dann bleibt nur die SPD übrig.
615
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hansueli_4
17.02.2025 08:34registriert Februar 2019
Bei der Behauptung von Frau Weidel, dass sie trotz Familie und Kind hier in der Schweiz keine Steuern zahlt - sollte dringend einmal die Schweizer Steuerbehörde einschreiten.
7519
Melden
Zum Kommentar
avatar
Max Dick
17.02.2025 05:55registriert Januar 2017
Eher peinliche Moderation, auch die Dschungelcamp Frage und ähnliches. Rein inhaltlich sind sich Scholz und Merz viel näher als man anhand des gereizten Wahlkampfes meinen könnte. Aber die schlechte Leistung der letzten 11 und vorallem der letzten drei Jahre sprechen dann halt klar für Merz und nicht für Scholz als geeigneten Kanzler.
3417
Melden
Zum Kommentar
86
    Täter ist Republikaner und auf der Flucht – das ist über das Attentat in Minnesota bekannt
    Er arbeitete bei einem Sicherheitsdienst, predigte gegen Abtreibung und wählte Trump: Nach den Schüssen auf demokratische Politiker in Minnesota fahndet das FBI nach einem 57-jährigen Mann.

    Nach tödlichen Schüssen auf eine demokratische Politikerin und ihren Ehemann läuft im US-Bundesstaat Minnesota eine Grossfahndung nach dem flüchtigen Täter.

    Am frühen Samstagmorgen (Ortszeit) hatte ein bewaffneter Mann die demokratische Abgeordnete Melissa Hortman, die dem Parlament von Minnesota angehörte, und deren Ehemann Mark in ihrem Wohnhaus in der Stadt Brooklyn Park getötet. Bei einem weiteren Angriff im nahegelegenen Champlin wurden ein demokratischer Senator aus dem Parlament des Bundesstaats, John Hoffman, und dessen Ehefrau Yvette niedergeschossen und schwer verletzt.

    Zur Story