In einem sogenannten Space auf X sind sich am Donnerstagabend Alice Weidel, die Chefin der AfD, und Elon Musk, der Besitzer des sozialen Netzwerks, begegnet. Natürlich war die Aufregung in gewissen Berliner und Brüsseler Kreisen im Vorfeld gross, gilt Musk doch als enger Vertrauter des künftigen amerikanischen Präsidenten Donald Trump; ausserdem hat er mehrfach erklärt, nur Weidels AfD könne Deutschland retten.
Das Gespräch, dessen Teilnehmer nur zu hören, nicht aber zu sehen waren, war vor allem eines: öde. Weidel, deren Englisch ein wenig schleppend, aber auch nicht schlechter als das der meisten deutschen Politiker daherkam, dozierte über die Fehler der «so-called traffic light coalition», der zerbrochenen Berliner Ampel-Koalition, wobei sie altbekannte Themen wie Energiewende, Migrationspolitik und Bürokratie abspulte.
Er sei ein grosser Fan der Solarenergie, aber es brauche auch andere Energiequellen, etwa die Kernkraft, sagte Musk. Da blieb Weidel nur noch, mit einem «absolutely» Zustimmung zu signalisieren. «Absolutely» dürfte das Wort sein, das sie mit am häufigsten in den Mund nahm, denn es war ein Gespräch, in dem man sich gegenseitig die Bälle zuspielte.
Interessanter als die Inhalte war die Entwicklung der Zuhörerzahlen: Rund 190'000 verfolgten den Talk zu Beginn um 19 Uhr; fünf Minuten später waren es nur noch 130'000. Nach etwa einer Viertelstunden fingen die Zahlen mysteriöserweise wieder an zu steigen – an der Qualität der Darbietung konnte dies kaum gelegen haben, sodass man sich fragen musste, ob hier alles mit rechten Dingen zuging.
Doch selbst wenn Musks Leute manipuliert haben sollten: Mehr als 200'000 lauschten auch nach X-Angaben zu keinem Zeitpunkt. Die ARD-«Tagesschau», dies zum Vergleich, hat im Durchschnitt neun Millionen Zuschauer. Wer fürchtet, Musk und sein Netzwerk könnten die Bundestagswahl im Februar entscheidend beeinflussen, sollte womöglich sein Verhältnis zur Realität überdenken.
Kritische Fragen stellte der Tesla-Chef nicht. So durfte sich Weidel freuen, «ein normales Gespräch führen zu können» und konnte die AfD als «libertär-konservativ» darstellen, ohne mit rassistischen, geschichtsrevisionistischen oder antiamerikanischen Äusserungen vieler ihrer Parteikollegen konfrontiert zu werden.
Zu einem Zeitpunkt, als viele Zuhörer bereits am Wegdämmern gewesen sein dürften, erwähnte die AfD-Chefin unvermittelt Adolf Hitler. «Er war ein Kommunist und Antisemit wie alle Linken», behauptete sie. Doch die Ungeheuerlichkeit verpuffte, denn jemand, der sich darüber hätte empören können, war nicht anwesend: Anders als bei anderen X-Spaces konnten die Zuhörer keine Fragen stellen.
Einmal schien es für Weidel noch heikel zu werden: Was sie über Israel denke, fragte Musk. «Sehr kompliziert», antwortete sie. Für den Nahostkonflikt sehe sie keine Lösung. Ob er eine habe? Musk setzte nach: Er habe etwas anderes gemeint. Ob sie das Existenzrecht des jüdischen Staates befürworte? Aber natürlich, entgegnete Weidel sinngemäss. Damit hatte sie die letzte Klippe umschifft; dass sie deutsche Waffenlieferungen an Israel kritisch sieht, wusste ihr Gesprächspartner womöglich nicht.
Je länger das Gespräch dauerte, desto mehr wirkten Weidel und Musk wie zwei, die sich bei einem Blind-Date begegnet waren, nun Konversation machen mussten und verzweifelt nach Gesprächsthemen suchten. Immer wieder kicherten beide etwas unmotiviert. Gegen Ende nahm Weidel das Heft in die Hand und begann, Musk zu befragen, sodass dieser ausführlich seine Pläne zur Kolonisation des Mars erläuterte.
Zum Abschluss redeten die beiden dann wie zwei philosophierende Teenager im Ethik-Grundkurs: Ob er an Gott glaube, fragte Weidel. Er sei offen für die Idee, begann Musk zu dilettieren: Die Frage, woher das Universum komme, ob da etwas Höheres sei. Nach etwa einer Stunde war das Gespräch vorüber, und auch diejenigen, die den Talk aus beruflichen Gründen bis zum Ende verfolgen mussten, waren erlöst. (aargauerzeitung.ch)