Ausgerechnet Alaska. So lautete der deutsche Titel einer ziemlich schrägen Fernsehserie aus den 1990er-Jahren (im Original hiess sie «Northern Exposure»). Ausgerechnet Alaska, haben sich auch viele US-Politikbeobachter am Mittwoch gesagt. Der riesige, aber dünn besiedelte Bundesstaat im hohen Norden ist eigentlich eine Bastion der Republikaner.
Sie hatten den einzigen Sitz des Staates im Repräsentantenhaus während fast 50 Jahren gehalten. Nach dem Tod des bisherigen Amtsinhabers wurde eine Nachwahl fällig, deren Ergebnis am Mittwoch bekannt wurde. Dabei siegte die indigene Demokratin Mary Peltola gegen niemand geringeren als Ex-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin.
Das Wahlverfahren in Alaska ist ziemlich speziell. Und Palin ist trotz Unterstützung durch Donald Trump in ihrem Heimatstaat alles andere als unumstritten. Dennoch wurde Peltolas Erfolg als mittleres Erdbeben eingestuft. Und als weiteres positives Signal für Präsident Joe Biden und seine Demokraten im Hinblick auf die Zwischenwahlen am 8. November.
Noch vor einem halben Jahr sah es stockfinster aus. Bidens ambitionierte Pläne steckten im Kongress fest. Die hohe Inflation machte der Bevölkerung zu schaffen. Die Popularitätswerte des Präsidenten sackten in den Keller. Es galt als praktisch sicher, dass die Demokraten ihre Mehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus verlieren würden.
Die Stimmung in der Partei war entsprechend mies, zwischen demotiviert und deprimiert. Die Republikaner würden sie windelweich prügeln, waren viele Demokraten überzeugt. Nun aber herrscht plötzlich Zuversicht. Gestützt wird sie durch eine aktuelle, am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des konservativen «Wall Street Journal».
So haben die Demokraten einen Vorsprung von drei Prozentpunkten auf die Republikaner bei der Frage, welche Partei die Wählerschaft in ihrem Wahlkreis bevorzugt. Bei der letzten Befragung im März lagen sie noch fünf Punkte hinter den Republikanern. Verantwortlich sind die parteilosen Wählerinnen und Wähler, die einen Schwenk nach links vollzogen haben.
Zu diesem Umschwung haben mehrere Entwicklungen der letzten Monate beigetragen:
Zum eigentlichen Sprengsatz für die Republikaner aber entwickelt sich das Thema Abtreibung. Immer mehr zeigt sich, dass die rechte Mehrheit des Obersten Gerichtshofs mit ihrem Entscheid vom Juni, das fast 50 Jahre alte Grundsatzurteil im Fall Roe vs. Wade zu kippen, einen schlafenden Löwen geweckt hat. Viele Frauen reagierten empört auf diese Bevormundung.
Die Zahl der registrierten Wählerinnen hat deutlich zugenommen, vor allem in Staaten, in denen das Recht auf Abtreibung stark eingeschränkt wurde oder werden soll. Einen spektakulären Erfolg erzielten sie Anfang August im erzkonservativen Kansas, wo das Stimmvolk die Streichung des Abtreibungsartikels aus der Verfassung klar abschmetterte.
Manche Demokraten sahen in dem Ergebnis in Kansas einen Gamechanger im Hinblick auf die Midterms. Die Hoffnung ist nicht unberechtigt. In allen fünf Nachwahlen für das Repräsentantenhaus, die seit dem Urteil des Supreme Court stattfanden, konnten die Demokraten laut der «Washington Post» ihr Ergebnis gegenüber der Wahl 2020 steigern.
Das ist für ein Zwischenjahr ungewöhnlich. Letzte Woche konnten sie so einen hart umkämpften Wahlkreis im Bundesstaat New York wider Erwarten verteidigen, dank dem Thema Schwangerschaftsabbruch und obwohl New York in dieser Hinsicht ein «Safe State» ist. Auch Mary Peltola in Alaska hatte sich als «Pro Choice»-Kandidatin empfohlen.
Nun wollen die Demokraten im Hinblick auf die Midterms erst recht darauf setzen. Die Umfrage des «Wall Street Journal» verleiht ihnen Rückenwind. Demnach sind Abtreibungen zum Topthema für die Motivation der Wählerschaft aufgerückt, vor Inflation oder Kriminalität, mit denen die Republikaner eigentlich die Wahlen im November gewinnen wollten.
Jetzt flattern bei ihnen die Nerven. Einige Kandidaten haben ihre Websites von knallharten Anti-Abtreibungs-Statements «gesäubert». Andere betonen, sie würden im Kongress gegen ein landesweites Abtreibungsverbot stimmen. Dennoch gilt es für US-Politanalysten inzwischen als fast sicher, dass die Demokraten ihre Mehrheit im Senat verteidigen werden.
Selbst der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell musste einräumen, es werde «eher das Repräsentantenhaus kippen als der Senat». Doch selbst bei der grossen Kammer wittern die Demokraten Morgenluft. Diese Hoffnung wirkt verwegen, auch weil viele Wahlkreise nach der Volkszählung 2020 im Sinne der Republikaner «umstrukturiert» wurden.
Das Statistik-Tool Fivethirtyeight berechnet die Chancen auf einen Sieg der Demokraten mit 25 Prozent, wobei ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen ist. Oder eine Dynamik. Für den auf «klassische» Analysen setzenden Cook Report jedenfalls ist eine republikanische Kontrolle des Repräsentantenhauses «nicht länger eine Selbstverständlichkeit».
Es wäre ungewöhnlich, wenn eine Regierungspartei in einem immer noch schwierigen Umfeld die Kontrolle über den Kongress bei den Midterms verteidigen könnte. Aber es ist in diesem speziellen Jahr kein Ding der Unmöglichkeit. Oder wie CNN analysierte: «Aus einem republikanischen ‹Tsunami› ist eine ‹Pfütze› geworden.»
Nur schon das unterscheidet ihn von Klein - Donald.