International
Analyse

Was Trump mit Venezuela macht, ist längst hybrider Krieg

President Donald Trump attends a joint news conference with Ukraine's President Volodymyr Zelenskyy following a meeting at Trump's Mar-a-Lago club, Sunday, Dec. 28, 2025, in Palm Beach, Fla. ...
Der «Friedenspräsident» gebärdet sich zunehmend wie ein Kriegspräsident: Donald Trump.Bild: keystone
Analyse

Was Trump mit Venezuela macht, ist längst hybrider Krieg – wie weit geht er?

Ein Drohnenangriff, dann eine «gewaltige Explosion»: Erstmals haben die USA auf venezolanischem Boden angegriffen. Das könnte Maduro gefährlich werden. Trump auch.
31.12.2025, 06:2631.12.2025, 06:26
Alexander Kauschanski / Zeit Online
Ein Artikel von
Zeit Online

Stehen die USA und Venezuela am Rande eines Krieges? Bisher galten die US-Angriffe vermeintlichen Drogenhändlern in der Karibik. Doch am 24. Dezember soll eine «gewaltige Explosion» eine venezolanische Hafenanlage erschüttert haben. US-Präsident Donald Trump war der Erste, der darüber sprach und erklärte, der von Drohnen angegriffene Ort «existiere nicht mehr».  Erstmals seit Beginn des Konflikts attackierten die USA damit ein Ziel direkt auf Venezuelas Territorium.

Noch ist wenig über den Angriff bekannt. Die CIA soll ihn ausgeführt haben, berichtet der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf US-Quellen. Eigentlich operiert der Auslandsgeheimdienst im Verborgenen, doch Trump hatte schon Wochen zuvor einen Schlag angekündigt. Die US-Regierung habe laut CNN vermutet, das getroffene Dock habe einem Kartell als Umschlagplatz für Drogen gedient. Zum Zeitpunkt der Explosion habe sich niemand vor Ort befunden, daher gebe es keine Toten.

Dass die USA nicht mehr davor zurückschrecken, auf venezolanischem Boden anzugreifen, zeigt: Die Trump-Regierung führt längst einen Krieg gegen Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro. Es ist ein hybrider Krieg, einer, der die Grenze zwischen Frieden und bewaffnetem Kampf verwischen soll. Und sein Ziel hat der US-Präsident bereits klar benannt: Maduros Regime zu stürzen.

Nicolas Maduro speaks at a rally marking the anniversary of the Battle of Santa Isabel, which took place during Venezuela's 19th-century Federal War, in Caracas, Venezuela, Wednesday, Dec. 10, 20 ...
Mauduro muss weg, wenn es nach Trump geht.Bild: keystone

Dafür spannt die US-Regierung ein Netz aus offenen und verdeckten Aktionen, die militärischen und wirtschaftlichen Druck ausüben. Es soll sich langsam um den Hals des Regimes legen und irgendwann zuziehen. Doch wie weit will Trump in seiner Aggression gegen Venezuela gehen? Würde der Präsident am Ende gar einen offenen Krieg mit US‑Bodentruppen riskieren?

Militärischer Druck, wirtschaftliche Erpressung, diplomatische Isolation

Der erste Zug zielte psychologisch auf Maduro: Im Sommer setzte die US-Regierung ein Kopfgeld von 50 Millionen Dollar auf Maduro aus. US-Aussenminister Marco Rubio warf ihm vor, die venezolanische Präsidentschaftswahl 2024 manipuliert zu haben. Er sprach seinem Regime jede Legitimität ab: Maduro, so Rubios Vorwurf, stehe an der Spitze eines Drogenkartells. US‑Generalstaatsanwältin Pam Bondi kündigte an, man werde Maduro für seine «verabscheuungswürdigen Verbrechen» zur Rechenschaft ziehen. Seitdem sägt die US-Regierung offen am Machtanspruch Maduros.

Im zweiten Schritt setzte die Trump-Regierung auf militärischen Druck: Mitte August verlegten die USA 15'000 Soldaten in die Karibik, begleitet von Kampfflugzeugen und einem der weltweit grössten Kriegsschiffe, der USS Gerald R. Ford. Seit September jagt die US-Marine vermeintliche Drogenboote in die Luft: Sie zerstörte bis heute mehr als 30 Boote und tötete mindestens 107 Menschen. Die Botschaft ist unmissverständlich: Trump ist bereit, Gewalt als politisches Mittel einzusetzen.

epa12547830 A US military Black Hawk helicopter (L) carries US Army Europe and Africa Commanding General Gen. Christopher Donahue (not pictured) for an aerial inspection of the US Army Garrison Black  ...
Trump ist bereit, das Militär direkt gegen Venezuela einzusetzen: US-Black-Hawk-Helikopter. (Symbolbild)Bild: keystone

Der dritte Schritt war die diplomatische Isolation: Mitte November stufte das US-Aussenministerium Maduros Regierung als ausländische Terrororganisation ein und stellte sie damit auf eine Stufe mit Terrorgruppen wie Al-Kaida. Parallel band die US-Regierung die venezolanische Opposition in ihr Vorgehen ein. Die Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado erklärte, eine US-Eskalation sei der «einzige Weg», Maduro zu stürzen. Ende November gab es ein Telefonat mit Maduro: Trump stellte ihm ein Rücktrittsultimatum. Er soll ihm und seiner Familie sicheres Geleit im Exil zugesagt haben. Maduro lehnte ab.

Als Viertes schalteten die USA auf wirtschaftliche Erpressung: Ende November wies Trump internationale Fluggesellschaften an, den venezolanischen Luftraum als vollständig gesperrt zu betrachten. Airlines stellten ihre Flüge über Venezuela ein. Im Dezember dann ordnete Trump eine «totale und vollständige Blockade» aller sanktionierten Öltanker Venezuelas an. Kurz darauf begannen US-Einheiten, venezolanische Tanker gewaltsam zu entern und zu beschlagnahmen. Maduros Einnahmequellen sollten so nach und nach wegbrechen.

Der fünfte Schritt bestand darin, dass die USA gewissermassen die Haustür zu Venezuela eintraten: Mit dem Drohnenangriff auf venezolanischem Boden überschritten die USA die Schwelle zu Operationen auf dem Staatsgebiet des Gegners. Die Aktion sei weitgehend symbolisch gewesen, berichten die US-Quellen gegenüber CNN. Getroffen worden sei schliesslich nur eine von vielen Hafenstrukturen, die Drogenhändler nutzen.

Der Schlag läutet eine neue Phase der Aggression ein. Die USA sind nun offensichtlich bereit, die Souveränität Venezuelas für gezielte Attacken zu ignorieren. Nur: mit welchem Ziel?

Offiziell begründet die US-Regierung ihr Vorgehen mit nationaler Sicherheit und dem Kampf gegen Drogen. Doch der Grossteil der Drogen in den USA kommt aus anderen Ländern; fast das gesamte Kokain im Land stammt aus Kolumbien. Mit der Behauptung, Maduro sässe einem Drogenkartell vor, schafft Trump vielmehr die rechtliche Grundlage für militärische Gewalt. Die wahren Motive, Maduro aus dem Amt zu drängen, liegen anderswo.

Mit ihrer Mitte Dezember veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie, dem Leitfaden der US-Aussen- und Sicherheitspolitik, hat Trump offengelegt, worum es wirklich geht: Die USA wollen ihre «Vormachtstellung» in der westlichen Hemisphäre ausbauen. Den Einfluss gegnerischer Mächte wie Russland, China und Kuba, zu denen Maduro enge Beziehungen pflegt, wollen sie zurückdrängen. «Wir nehmen uns, was wir wollen, und fragen nicht um Erlaubnis», so fasst der US-Historiker Alan McPherson gegenüber der ZEIT die Sicherheitsstrategie in Lateinamerika zusammen.

«Alle ihre Ressourcen, Meerengen, Kanäle, Landkorridore und Infrastruktur gehören demnach den USA.»

Ein weiterer Treiber ist das Interesse am venezolanischen Öl. Venezuela verfügt über die grössten Reserven der Welt. Von mehr politischem Einfluss erhoffen sich US-Konzerne bessere Förderrechte. Trump fordert ausserdem die Rückgabe von Öl, Land und Anlagen, die den USA «gestohlen» worden seien. Er meint damit die Renationalisierung der Ölindustrie Venezuelas ab 2007, bei der auch Vermögenswerte von US-Firmen verstaatlicht wurden. Inzwischen hat Venezuela von seinem Netzwerk sanktionierter Staaten wie Iran und Russland gelernt, Öl verdeckt zu transportieren, um Sanktionen zu umgehen. Trump kündigte an, beschlagnahmtes Öl nicht zurückzugeben, sondern zu behalten oder zu verkaufen.

Trump zögert bisher, noch weiter anzugreifen

Wie kommt es, dass Maduro unter dem massiven Druck der USA noch nicht eingeknickt ist? Bei öffentlichen Auftritten vor Anhängern zeigt der Autokrat sich betont gelassen: Er lacht, tanzt Salsa, singt John Lennons Antikriegshymne Imagine. Dann droht er, bezeichnet das Vorgehen der USA als «imperialen Wahnsinn» und «Piraterie». Seine autokratischen Partner stärken ihm dabei den Rücken. Russland und China drängen im UN-Sicherheitsrat auf Dringlichkeitssitzungen, um die «US-Aggression» und die Blockade anzuprangern.

Auch militärisch versucht Maduro, Stärke zu zeigen. Er will vier Millionen Militärangehörige mobilisiert und Grossmanöver abgehalten haben. Um die US-Seeblockade zu umgehen, setzt seine Marine nun eigene Kriegsschiffe als Geleitschutz für Öltanker ein. Und dennoch soll sich Maduro um seine Sicherheit sorgen: Es wird berichtet, dass er und seine Familie die Nächte seit Jahren in einer riesigen Militärbasis verbringen. 

Maduro wird wissen: Militärisch ist Venezuela weit unterlegen. Die Vereinigten Staaten verfügen über die stärkste Armee der Welt und ein Verteidigungsbudget von fast einer Billion Dollar.

Warum also zögert Trump bisher, Venezuela noch weiter anzugreifen? Der US-Präsident kämpft mit miserablen Umfragewerten, rund 62 Prozent sind unzufrieden mit seiner bisherigen Arbeit, nur 35 Prozent unterstützen ihn noch. Ein Bodenkrieg in Venezuela könnte seine Zustimmungswerte weiter abstürzen lassen. Laut einer CBS-Umfrage vom November lehnen 70 Prozent der Befragten einen US-Militäreinsatz dort ab. Für den politisch angeschlagenen Trump wäre ein offener Krieg also ein sehr riskantes Spiel.

«Die Mehrheit der Amerikaner würde erst von Krieg sprechen, wenn Zehntausende Soldaten losziehen», sagte der US-Historiker McPherson der ZEIT. «Spätestens, wenn die Söhne und Töchter der Menschen in Leichensäcken zurückkommen.» Doch ein solch langwieriger Konflikt mit US-Toten passt nicht in das Selbstbild Trumps, der die «endlosen Kriege» seiner Vorgänger stets verflucht hat und den Friedensnobelpreis will.

Auch im US-Kongress wächst der Widerstand gegen den Kurs von Trump. Demokraten und einige Republikaner prüfen inzwischen, ob die Regierung bei ihren Angriffen in der Karibik Kriegsverbrechen begangen hat. Der republikanische Senator Rand Paul nannte die Tötungen ohne Verfahren «verabscheuungswürdig». Auch drängen die Demokraten darauf, weitere Angriffe nur mit Zustimmung des Kongresses zu erlauben. Bisher blockiert die republikanische Mehrheit jeden Vorstoss.

Jetzt auf

Doch selbst wenn Trump angreifen wollte, spricht die Realität des Krieges gegen ihn. Um ein Land der Grösse Venezuelas einzunehmen, bräuchte es laut Experten mehr als 100'000 US-Soldaten. Militärschläge könnten das Land in einen Bürgerkrieg stürzen, sagt der US-Soziologe David Smilde der ZEIT. Statt Demokratie zu bringen, würde Venezuela in Chaos verfallen.

Was also folgt? Trump dürfte hoffen, Maduro ohne einen einzigen Bodensoldaten in Venezuela aus dem Amt zu drängen. Ob Drohnenangriffe dafür ausreichen, ist ungewiss. Greifen die Druckmittel der USA weiter nicht, dürfte der nächste Schlag nicht lange auf sich warten lassen.

Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
32 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Steibocktschingg
31.12.2025 08:02registriert Januar 2018
Unabhängig davon, wie man es nennt, eines ist sicher: Es ist illegal und sollte Konsequenzen nach sich ziehen.
423
Melden
Zum Kommentar
avatar
Big Picture
31.12.2025 08:26registriert November 2023
Wenn jemand ein anderes Land bombardiert, ist dies Krieg und nichts anderes als was Putin, das grosse Vorbild für Trump, tat mit der Ukraine.
414
Melden
Zum Kommentar
avatar
Basler Bebbi
31.12.2025 07:39registriert April 2020
Und dann zieht er mit seinen Truppen ab und behauptet dann, er habe Frieden geschaffen. Dies wäre dann der 9. Frieden. Infantino hält schon den 2. Friedenspreis bereit.
341
Melden
Zum Kommentar
32
Beute von rund 30 Millionen Euro bei Tresor-Coup in Deutschland
Bei einem Einbruch in den Tresorraum einer Filiale der Sparkasse in der deutschen Stadt Gelsenkirchen haben die Täter nach erster Schätzung von Ermittlern rund 30 Millionen Euro erbeutet.
Zur Story