Vor ein paar Tagen hat Steve Bannon in der NZZ grossspurig verkündet, Liberale und Linke würden bei den kommenden Europawahlen «ein Stalingrad erleben». Was immer er damit auch gemeint haben mag: Es könnte auch ganz anders kommen. Die neue Rechte Europa hat nämlich soeben einen ihrer wichtigsten Generäle verloren, den FPÖ-Chef und österreichischen Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache.
Strache musste seinen Hut nehmen nach einem Skandal, der so wahrscheinlich nur in Wien möglich ist. Er hatte sich zusammen mit seinem Adlatus Johann Gudenus in eine Falle locken lassen. Eine angebliche russische Oligarchin mit sehr viel Geld gaukelte vor, Österreichs wichtigstes Medium, die «Kronenzeitung», zu übernehmen und in den Dienst der Nationalisten zu stellen.
Der FPÖ-Mann machte begeistert mit, wusste aber nicht, dass das Treffen heimlich gefilmt wurde. Der «Spiegel» und die «Süddeutsche Zeitung» haben die Videos veröffentlicht und den Skandal perfekt gemacht.
Strache ist so etwas wie die österreichische Antwort auf Roger Köppel – nur viel schlimmer. In seiner Jugend verkehrte er in rechtsradikalen und deutschnationalen Kreisen. Das politische Handwerk brachte ihm Jörg Haider bei, die schillernde Gallionsfigur der österreichischen Rechten der Neunziger- und Nullerjahre.
Vor den letzten Wahlen hatte Strache versprochen, die wilden Jahre lägen nun endgültig hinter ihm, er werde sich fortan an die Spielregeln von Demokratie und Rechtsstaat halten. Das zahlte sich aus: Die FPÖ legte gewaltig zu und bildet nun mit der ÖVP die Regierung. Strache ist, respektive war, Vizekanzler und seine Partei mehr als Juniorpartner. Es gibt Gerüchte, wonach Strache und seine Mannen das Sagen in der Regierung haben.
Der nun aufgeflogene Skandal wird tiefe Spuren hinterlassen, nicht nur in Österreich. Strache ist eine wichtige Figur in der neuen Rechten Europas. Er gehört zusammen mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orban und Italiens Innenminister Matteo Salvini zu einem Trio, das die Führung der europäischen Nationalisten für sich beansprucht. Im Vorfeld der Europawahlen hat Strache Orban in Budapest besucht und mit ihm die Strategie abgesprochen.
Die Nationalisten versprechen sich von den Wahlen ins EU-Parlament einen Durchbruch. Sie finden zwischen dem 23. und dem 26. Mai statt und es werden insgesamt 751 Sitze vergeben. Bisher war das Europaparlament fest in den Händen der traditionellen Konservativen, der Volkspartei. Die neuen Rechten erhoffen sich nicht nur massive Stimmen- und Sitzgewinne.
Sie spielen auch mit dem Gedanken, das österreichische Modell auf Brüssel zu übertragen. Das heisst konkret: Orbans Fidesz Partei, die bisher Teil der Volkspartei war, tritt aus und bildet zusammen mit anderen Nationalisten, etwa der Lega und dem Front National, eine eigene Fraktion. Diese Fraktion soll dann die Volkspartei unter Druck setzen und so helfen, die Ziele der Rechten durchzusetzen.
Unter dem Eindruck des Brexit-Debakels hat bei Europas Rechten ein Umdenken stattgefunden. Austritte aus der EU sind nicht mehr angesagt. Vielmehr wollen die Nationalisten nun Europa nach ihrem Gusto umgestalten.
Europa hat ein schwieriges Jahrzehnt hinter sich. Euro- und Flüchtlingskrise haben die europäische Solidarität auf eine Zerreissprobe gestellt. Inzwischen jedoch schlägt die Stimmung um. Neuste Umfragen zeigen, dass 62 Prozent der Europäer die Zugehörigkeit zur EU grundsätzlich befürworten.
Für diesen Stimmungsumschwung gibt es verschiedene Gründe: Die Wirtschaft erholt sich, wenn auch zögerlich, und die Briten machen vor, wie man es nicht machen soll. Dazu kommt auch allmählich die Einsicht, dass die Jahre, in denen Europa unter dem militärischen Flügel der USA es sich gut gehen lassen konnte, vorbei sind. Will Europa nicht im zunehmend schärferen Wettbewerb zwischen den USA und China zermalmt werden, muss es gemeinsam auftreten.