Über die Motive des schändlichen Verrats an der Ukraine von Donald Trump kann man nur spekulieren. «Vielleicht gibt es die Pee-Pee-Tapes ja tatsächlich», raunen Zyniker. Unstrittig ist jedoch, was der amerikanische Präsident in den letzten Tagen getan hat. «Er ist letztlich vor Putin in die Knie gegangen», sagt John Bolton, sein ehemaliger Sicherheitsberater.
Wahrscheinlich reichen deshalb die Krim-Sekt-Vorräte in Moskau nicht aus, um alle Freudenfeiern zu versorgen, auf denen derzeit auf das unverhoffte Glück angestossen wird. Im Kreml muss es sich derzeit anfühlen, wie wenn Weihnachten, Ostern und alle muslimischen und jüdischen Feiertage auf ein Datum gefallen wären. Selbst die kühnsten Hoffnungen, die man in Trump gesetzt hat, werden übertroffen.
Der US-Präsident beschimpft Wolodymyr Selenskyj, sein Vize J.D. Vance die Europäer, und beide machen Konzessionen an Russland, bevor Friedensverhandlungen begonnen haben. Die Ukraine wird derweil dazu gedrängt, ja erpresst, einen Vertrag abzuschliessen, der sie dazu zwingt, einen grossen Teil ihrer Rohstoffe den USA auszuhändigen. «Die Bedingungen dieses Vertrages erinnern an den Friedensvertrag von Versailles, der dem besiegten Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg aufgezwungen wurde», stellt die Historikerin Anne Applebaum im «Atlantic» fest.
Wladimir Putin fühlt sich als Sieger und sieht keinen Grund, von seinen ursprünglichen Zielen abzurücken. «Letztlich will er die Ordnung, die nach dem Kalten Krieg in Europa entstanden ist, wieder neu verhandeln», schreiben die beiden Russland-Experten Andrea Kendall-Taylor und Michael Kofman in «Foreign Affairs». «Er will die Vereinigten Staaten schwächen und ein internationales System errichten, in dem Russland wieder den Einfluss hat, von dem Putin glaubt, er sei angemessen.»
Der russische Präsident wähnt sich dabei auf dem richtigen Weg. Er hat allen Grund dazu. Die USA haben in den wichtigsten Punkten bereits nachgegeben. Putin darf die eroberten Gebiete und die Krim behalten und die Ukraine wird nicht in die NATO aufgenommen, falls sie als souveräne Nation erhalten bleibt. «Sollte Selenskyj sich nicht beeilen, wird er bald kein Land mehr haben», droht Trump zudem.
Dass sich die Amerikaner mit ihrem ruppigen und überhasteten Vorgehen selbst ins Knie schiessen könnten, wird dabei gefliessentlich übersehen. Dabei ist offensichtlich, was die Konsequenzen sein werden. «Die Frage lautet nicht, ob Russland eine Gefahr für die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten darstellen wird, sondern wie man diese Gefahr einschätzen und Massnahmen dagegen ergreifen kann», stellen die beiden Russland-Spezialisten Kendall-Taylor/Kofman fest.
Die Vorstellung, dass nach einem allfälligen Frieden wieder normale Beziehungen zu Moskau hergestellt und lukrative Deals mit Russland abgeschlossen werden können, ist bestenfalls naiv. Der Krieg gegen die Ukraine hat Russland von Grund auf verändert. Und zwar wie folgt:
Die Kriegswirtschaft hat die zivile verdrängt. Das Rad lässt sich nicht so einfach wieder zurückdrehen. Die Ausgaben für die Militärindustrie sind die höchsten seit Ende des Kalten Krieges und betragen nun offiziell 6,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts, inoffiziell dürften sie noch weit höher liegen. «Nachdem das Land die schmerzvolle Umstellung auf Kriegswirtschaft erlitten hat und sich neue Interessengruppen gebildet haben, wird Putin diese Zustände nicht so rasch wieder abändern wollen», so Kendall-Taylor/Kofman.
Die Aussenpolitik wurde neu ausgerichtet. Ob man es «Neue Achse des Bösen» nennt oder nicht, Tatsache ist, dass sich Russland jetzt vermehrt an China, Iran und Nordkorea angelehnt. «Zusammengenommen ist so eine neue Strategie für Moskau entstanden, eine, die nach Ende des Krieges nicht einfach wieder verschwinden wird», so Kendall-Taylor.
Ebenfalls nicht verschwinden wird die militärische Bedrohung. «Selbst wenn sich das aktuelle Ausmass an Kriegsausgaben nicht aufrechterhalten lassen wird, wird das Verteidigungs-Budget wahrscheinlich noch länger über dem Niveau vor dem Krieg bleiben», so Kendall-Tylor/Kofman.
Die russische Armee ist zu schwach ist, um einen NATO-Staat direkt anzugreifen. Doch Putin wird sich darin ermutigt fühlen, ständig kleine Nadelstiche in Form von Terrorakten an den Westen zu verteilen. Die grösste Bedrohung stellt jedoch die «neue Achse des Bösen» dar. «Russlands Krieg gegen die Ukraine hat einen Grad an Zusammenarbeit zwischen diesen Ländern ausgelöst, der bisher nicht für möglich gehalten wurde, und der Kreml hat dabei als Katalysator gewirkt», so Kendall-Taylor/Kofman.
Russland mag nicht mehr die Supermacht sein, welche die Sowjetunion einst im Kalten Krieg war. «Doch seine Ambitionen werden nicht an der Grenze der Ukraine enden», warnen Kendall-Taylor/Hofman. «Bleiben Gegenreaktionen des Westens aus, werden die Kosten für die russische Aggression weiter ansteigen.»
Ins gleiche Horn stösst auch der «Economist». Die USA mögen der Ukraine einen unwürdigen Friedensvertrag aufoktroyieren, warnt das Blatt. «Das ist schlimm genug, aber der schlimmste Albtraum Europas geht über die Ukraine hinaus. Mr. Trump will den russischen Präsidenten rehabilitieren und die bisherigen Massnahmen, ihn zu isolieren, ausser Kraft setzen.»
Europa kann sich deshalb nicht mehr länger auf dem Sofa zusammenrollen und abwarten. Es muss das Heft in die eigenen Hände nehmen. Das bedeutet, mit einer Stimme zu sprechen und die Verteidigungsausgaben massiv in die Höhe zu schrauben. Der «Economist» spricht dabei von einer Summe von 300 Milliarden Euro jährlich. Dazu muss ein weiteres Tabu gebrochen werden. Ohne gemeinsame Staatsanleihen ist dies nicht zu stemmen.
«All das mag ausgefallen tönen», stellt der «Economist» fest. «Die NATO ist die erfolgreichste Allianz der Welt gewesen, ihr Verschwinden kann man sich kaum vorstellen. Aber die alten Zustände sind untergegangen, alles ist neu geworden. Europa muss sich damit abfinden, bevor es zu spät ist.»
So ertappen wir uns beim Pläne schmieden, deren freudiges Finale darin gipfelt, die Herren Trump, Putin, Vance usw unter einem Meteorit verdampfen zu wissen.
Wenn Selensky nicht widersprochen hätte, hätte er das Land gleich übergeben können. Wenn er widerspricht, zieht Trump noch mehr mit Putin.
Russland ist der Aggressor und könnte den Krieg jederzeit stoppen. Es verletzt Völkerrecht und mehrere Abkommen mit der Ukraine und anderen Staaten.
Wir werden das Völkerrecht ohne Trump verteidigen müssen und das hoffentlich glasklar.