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Putins Bluff und Trumps Versagen

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Putins Bluff und Trumps Versagen

Der russische Präsident hat schlechte Karten – aber einen Plan. Der US-Präsident fällt darauf rein.
20.02.2025, 13:2320.02.2025, 13:53
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Donald Trump mag Wolodymyr Selenskyj nicht. Der Präsident der Ukraine hat ihm – ungewollt zwar – das erste Impeachment eingebrockt. Als pathologischer Narzisst ist Trump rachsüchtig und wird ihm das nie verzeihen. Eine ideale Ausgangslage für Wladimir Putin, und der russische Präsident weiss, sie auszunützen.

Schach ist der russische Nationalsport. Wer dort siegen will, muss strategisch denken können. Putin ist jedoch kein Schachspieler und kein Stratege. Sein Krieg gegen die Ukraine ist nicht nur ein Völkermord, er ist auch ein geopolitischer Flop ersten Ranges und eine Blamage für die russische Armee. Der russische Präsident ist jedoch ein raffinierter Poker-Spieler, der es versteht, auch das lausigste Blatt hinter einer steinernen Miene zu verstecken und keine Nerven zu zeigen.

Russian President Vladimir Putin chairs a Security Council meeting via videoconference at the Kremlin in Moscow, Russia, Friday, Feb. 7, 2025. (Pavel Byrkin, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)
Putins Markenzeichen: ein Pokerface.Bild: keystone

Genau diese Eigenschaften braucht Putin in den bevorstehenden Friedensverhandlungen. Er versteht es, nach aussen den Mann zu mimen, der alles im Griff hat. Locker plaudert er in der Regierungs-Limousine mit einem TV-Journalisten über den Gang des Krieges und lässt dabei an einem siegreichen Ausgang keinen Zweifel. Dabei hat er alles andere als einen Royal Flush in der Hand. «In der Realität hat er keineswegs so gute Karten, wie er seine Widersacher glauben machen will», stellt der «Economist» fest.

Was Putin mit seiner Poker-Miene zu verbergen sucht, ist die Tatsache, dass er bald alle seine Panzer in der Ukraine verloren hat, dass er immer grössere Mühe hat, Freiwillige für seinen Krieg zu finden, obwohl er immer höhere finanzielle Anreize anbietet, und dass mittlerweile auch eine Mehrheit der Russen ein Ende dieses Krieges herbeisehnt.

Zudem ächzt die russische Wirtschaft unter der Kriegslast. Die Inflation droht, ausser Kontrolle zu geraten. Um sie in den Griff zu bekommen, hat die Notenbank den Leitzins auf mittlerweile 21 Prozent hinaufgeschraubt. Der einst prall gefüllte Staatsfonds ist beinahe aufgebraucht, die Exporte leiden unter sinkenden Rohstoffpreisen und die westlichen Sanktionen zeigen langsam Wirkung.

Trump hätte somit die Möglichkeit, Putin unter Druck zu setzen und ihm die Rechnung für seine mörderische Invasion zu präsentieren. Stattdessen fällt er der Ukraine in den Rücken und wiederholt russische Kriegs-Propaganda. Selenskyj sei ein Diktator, liess er jüngst verlauten, die Zustimmung zu seiner Politik sei auf vier Prozent der Bevölkerung gesunken, und die Ukraine habe den Krieg begonnen.

Krasse Lügen.
Krasse Lügen.

Diese Lügen sind so krass absurd, dass sich eine Richtigstellung eigentlich erübrigen würde. Trotzdem hier die Fakten: Selenskyj handelt gemäss der Verfassung, auch Winston Churchill beispielsweise liess während des Zweiten Weltkriegs keine Wahlen durchführen. Die Zustimmung zu seiner Politik liegt deutlich über 50 Prozent, und was soll man sagen zur Behauptung, die Ukraine habe den Krieg vom Zaun gebrochen?

Ohne mit der Wimper zu zucken, behauptet Trump auch, die USA hätten der Ukraine bisher mehr als 500 Milliarden Dollar Hilfe zukommen lassen. Auch hier die Fakten: Die amerikanische Militärhilfe beläuft sich bisher auf 60 Milliarden Dollar, wobei rund 70 Prozent für Aufträge an die eigene Rüstungsindustrie verwendet wurden. Dazu kommen noch rund 30 Milliarden Dollar Finanzhilfe.

Der Poker-Spieler Putin hat seinen Einsatz trotz seines miesen Blattes verdoppelt. Er weiss, dass Trump ebenfalls unter Druck steht, will er sein Versprechen einhalten, den Krieg in der Ukraine rasch zu beenden. Und er weiss, wie anfällig der US-Präsident für Schmeicheleien ist. Deshalb überschüttet er das Weisse Haus mit Lobhudelei.

Kürzlich haben Putin und Trump miteinander telefoniert. Was dabei herausgekommen ist, erinnert an einen Dialog zwischen Mafia-Bossen. Zusammen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping soll die Welt aufgeteilt werden, wie die Reviere in der Welt des organisierten Verbrechens. Trump erhält Kanada, Grönland und Panama, und wenn er das wirklich will, auch den Gaza-Streifen. Xi darf sich Taiwan unter den Nagel reissen, und Russland kann wieder zur führenden Macht Europas werden. Zu schade, dass dabei die Ukraine geopfert werden muss.

15.02.2025, Bayern, M�nchen: Wolodymyr Selenskyj, Pr�sident der Ukraine, spricht w�hrend der 61. M�nchner Sicherheitskonferenz (MSC). Drei Tage lang diskutieren Staatschefs, Sicherheitspolitiker, Wiss ...
Wird geopfert: Wolodymyr Selenskyj.Bild: keystone

Leider ist es gut möglich, dass Trump auf Putins Bluff hereinfällt. «Mr. Putin glaubt, dass Mr. Trump nicht nur ungeduldig, sondern auch manipulierbar ist», stellt der «Economist» fest. Die Annahme des russischen Präsidenten ist begründet, denn Trump hat keinen Plan. Deshalb verkündet er fast täglich total widersprüchliche Absichten. Einmal will er die militärische Hilfe an die Ukraine einfrieren, dann wieder verdoppeln. Seine Untergebenen müssen daher die präsidialen Botschaften auf X und Truth Social verfolgen, um zu wissen, was aktuell gerade angesagt ist.

Trumps Verrat wiegt schwer, obwohl es sich erst noch weisen muss, ob er damit die Ukraine in die Knie zwingen kann. Wehtun kann er ihr auf jeden Fall: Er kann die militärische Unterstützung einfrieren, er kann einseitig die Sanktionen gegen Russland aufheben und er kann der Ukraine den Zugang zum Satellitensystem Starlink sperren. Auf Starlink ist die ukrainische Armee auf Gedeih und Verderb angewiesen. Ob und wie weit Europa diese Lücke zu füllen vermag, darüber kann jeder spekulieren, wie er mag. Allzu viel Geld würde ich nicht darauf setzen.

Auf jeden Fall wird nicht nur die Ukraine unter Trumps Verrat zu leiden haben. Phillips O’Brien, Politologe an der University of St. Andrews in Schottland, stellt in der «New York Times» fest: «Den europäischen Staatschefs dämmert es allmählich, dass die USA nicht nur die Ukraine im Stich lassen, sondern dass sie eine Gefahr für die Demokratie und die Freiheit in Europa geworden sind.»

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206 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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maljian
20.02.2025 13:52registriert Januar 2016
Ich kann das alles nicht mehr hören/lesen.
Momentan hat man, wenn man Nachrichten liest, einfach das Gefühl, die Welt steht vor dem Abgrund.

Man informiert sich über Sachen und denkt sich so, warum machen die Politiker das so? Es gibt logische Erklärungen, wie etwas besser wäre und es läuft genau in die andere Richtung 😔

Das es an machthungrigen Menschen liegt, ist das eine. Das sich Menschen aber von diesen blenden lassen, ist für mich unverständlich.
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x%8Tz*3GsUf3
20.02.2025 13:52registriert Dezember 2020
Selber Kommentar nochmal weil ich mich so nerve 🤣 Hatte nicht DT den Deutschen vorgeworfen zu sehr mit Putin zu wirtschaften wegen Gas aus Russland? 🤣 Im normalen Leben würde man ihn möglicherweise einfach als ALoch bezeichnen oder?
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Korrektorat
20.02.2025 14:41registriert Januar 2025
Es schmerzt das zu schreiben, aber vieles spricht dafür, dass Putins Leute die Trump-Regierung einfach in der Tasche haben, weil diese US-Regierung aus Stümpern besteht.
Lawrow und Putin haben Jahrzehnte Erfahrung in Weltpolitik, Trump ist ein dummer Narzisst, der Europa nicht mal auf einer Weltkarte findet und seine Regierung besteht aus ebenso schwachstrommässigen Günstlingen.
Abgesehen davon, dass Trump eine mächtige Armee befiehlt, isst ihn Putin politisch gesehen zum Frühstück.

Ex-KGB gegen Millionärssöhnchen ist leider eine klare Angelegenheit...
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