International
USA

Nach Trumps Angriff auf Selenskyj: In Europa bildet sich eine Koalition

Nach Trumps Angriff auf Selenskyj: In Europa bildet sich die «Koalition der Willigen»

Westliche Kampfjets als Rückversicherung für Kiew und bald ein neues, massives Verteidigungspaket im Stil des Coronafonds? In Europa zeichnet sich die Antwort auf Donald Trump allmählich ab.
20.02.2025, 23:1021.02.2025, 07:29
Remo Hess, Brüssel / ch media
Mehr «International»
President Donald Trump speaks at the Future Investment Initiative (FII) Institute summit in Miami Beach, Fla., Wednesday, Feb. 19, 2025. (Pool via AP)
Donald Trump meint, er könne auch in Europa den Tarif durchgeben. Aber in Europa zeichnet sich eine Antwort ab.Bild: keystone

Kurz nachdem ihn US-Präsident Donald Trump am Mittwoch wüst attackiert und einen «Diktator» geschimpft hatte, liess der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj die Drähte heisslaufen: Noch am selben Abend rief er den Nato-Generalsekretär Mark Rutte, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie den britischen Premier Keir Starmer an. In seiner täglichen Ansprache an die ukrainische Bevölkerung verzichtete Selenskyj dann darauf, auf Trumps Attacke nochmals einzugehen. Er hatte seine Lektion gelernt: Trump hat offenbar eine äusserst kurze Zündschnur. Man widerspricht ihm besser nicht.

Über sein anstehendes Treffen mit dem US-Sondergesandten Keith Kellogg sagte Selenskyj, es sei für ihn «entscheidend, dass die Diskussion konstruktiv bleibt». Die Ukraine habe diesen Krieg «seit der ersten Sekunde beenden wollen», hielt er fest.

30'000 Soldaten und westliche Kampfjets in die Ukraine

Dass Selenskyj die Nähe von Macron und Starmer sucht, kommt nicht von ungefähr. Die beiden bilden den Kern einer neuen «Koalition der Willigen» in Europa, die ihre Konturen erstmals beim Notfallgipfel vom Montag in Paris zeigte. Der Unterschied zur EU ist, dass die russlandfreundlichen Länder Ungarn oder die Slowakei nicht dabei sind, dafür aber Nicht-EU-Staaten wie Grossbritannien, Kanada und Norwegen.

Macron und Starmer reisen kommende Woche zu Trump nach Washington. Erwartet wird, dass sie dem US-Präsidenten erklären, welche Ideen sie für eine europäische Friedenstruppe zur Absicherung eines Waffenstillstands haben.

Demnach könnten die Europäer 30'000 Soldaten in die Ukraine schicken. Diese würden nicht direkt an der rund 1300 Kilometer langen Frontlinie eingesetzt werden, sondern ihre Aufgaben würden sich auf den Schutz von Städten sowie kritischer Infrastruktur wie Häfen oder Atomkraftwerken konzentrieren, berichten britische Medien.

Hauptbestandteil der Mission wären demnach nicht die Bodentruppen, sondern die Verlegung einer grösseren Zahl westlicher Kampfjets in die Ukraine. Sie sollten einen «Luftpolizeidienst» durchführen. Die Pläne sind noch im Entwurfsstatus. Denkbar wäre auch, dass westliche Jets im grenznahen Ausland, zum Beispiel in Polen, stationiert würden. Die «Financial Times» schreibt, die von Grossbritannien und Frankreich im Jahr 2010 gemeinsam gegründete weltweite Eingreiftruppe «Combined Joint Expeditionary Force» könnte das Kommando übernehmen.

Unverzichtbar für London wäre aber eine Art Sicherheitsgarantie für die europäischen Kräfte durch die USA. Das hatte Starmer schon klargemacht.

Kommt bald ein Mega-Hilfspaket mit Hunderten Milliarden?

Ungewiss ist, wer sich am Schluss tatsächlich mit wie vielen Truppen beteiligen würde. Polen sagte schon vor dem Gipfel in Paris, es habe selbst eine Grenze zu Russland und Weissrussland zu schützen und daher keine Kapazitäten. In Deutschland sagte Bundeskanzler Olaf Scholz, es sei eine «irritierende» Diskussion «zum falschen Zeitpunkt». Kompliziert wird es für Berlin auch, weil ein Auslandseinsatz der Bundeswehr vom Parlament abgesegnet werden muss.

Ebenso unklar wären auch die Parameter einer Mission: Würden die Friedenskräfte ein robustes Mandat erhalten, welches die Durchsetzung des Waffenstillstands beinhaltet? Oder wären sie bloss «Beobachter»?

Während Macron und Starmer nach Washington reisen, fahren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Antonio Costa in die andere Richtung: Zum dritten Jahrestag des russischen Überfalls am kommenden Montag wollen sie in Kiew sein.

Es ist schwer vorstellbar, dass die beiden EU-Spitzen mit leeren Händen kommen. Spekuliert wird, dass sie mit einem neuen, massiven Hilfspaket im Gepäck anreisen könnten. Es würde sowohl Hilfen für die Ukraine beinhalten als auch die Aufrüstung in Europa finanzieren.

Ein solches Paket würde mutmasslich mehrere hundert Milliarden Euro schwer sein, vergleichbar mit dem historischen 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt, ein Verteidigungspaket werde bereits geschnürt. Der Grund, weshalb es noch nicht angekündigt wurde, sei einfach: Man wolle die deutschen Wahlen nicht beeinflussen. Diese finden am Sonntag statt. (aargauerzeitung.ch/lyn)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
114 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
stronghelga
20.02.2025 23:20registriert März 2021
Gute Nachrichten für Kiew, sind schlecht für Moskau. Könnte es sein, dass sich der stets überschätzende Putin massiv verschätzt hat?
20618
Melden
Zum Kommentar
avatar
Steibocktschingg
20.02.2025 23:47registriert Januar 2018
Ah, es bewegt sich vielleicht endlich mal etwas. Nun, schön, auf dem Papier. Aber ich glaube es erst, sobald ich es sehe. Insbesondere für die Ukraine, aber auch für Europa als Ganzes, hoffe ich, dass sie die Pläne umsetzen und am besten gleich noch eins obendrauf setzen.
17812
Melden
Zum Kommentar
avatar
Majoras Maske
20.02.2025 23:39registriert Dezember 2016
Es freut mich, dass sich die Gerüchte über dieses 700 Milliarden Paket doch verdichten. Europa ist nicht eine Verhandlungsmasse.
16613
Melden
Zum Kommentar
114
    Das ist über das mutmassliche Attentat in Minnesota bekannt
    In der Nacht von Freitag auf Samstag (Ortszeit) wurden im US-Bundesstaat Minnesota zwei demokratische Politiker in ihren Häusern angeschossen. Der Täter schoss auch auf ihre Partner. Die Kongressabgeordnete Melissa Hortman und ihr Ehemann haben den Angriff nicht überlebt.

    Nach tödlichen Schüssen auf eine demokratische Politikerin und ihren Ehemann läuft im US-Bundesstaat Minnesota eine Grossfahndung nach dem flüchtigen Täter. Melissa Hortman, Abgeordnete im Parlament Minnesotas, und ihr Ehemann Mark Hortman wurden in den frühen Morgenstunden (Ortszeit) in ihrem Wohnhaus in der Stadt Brooklyn Park angegriffen, wie Gouverneur Tim Walz mitteilte. Beide überlebten den Angriff nicht. Walz sprach von einer mutmasslich politisch motivierten Tat.

    Zur Story