Westliche Kampfjets schienen für die Ukraine lange unerreichbar zu sein, doch jetzt schwindet der Widerstand in den Nato-Ländern. Frankreich hat sich bereit erklärt, ukrainische Piloten auszubilden, Grossbritannien und die Niederlande wollen eine Koalition zur Lieferung von F-16-Jets an Kiew bilden. Es wäre nicht überraschend, wenn auch US-Präsident Joe Biden seine Meinung ändert und einer Lieferung zustimmt.
Aus ukrainischer Sicht ist die F-16 das ideale Flugzeug, um die eigene Flotte aus sowjetischen MiG-Kampfjets zu ersetzen. Seit Mitte der 1970er-Jahre wird die für die US-Air-Force entwickelte F-16 in Serie produziert. Laut Hersteller Lockheed Martin sind bis heute rund 3'000 Exemplare der Maschine in 25 Ländern im Einsatz – mehr als von jedem anderen Kampfjet. Deutschland steht übrigens ausserhalb der Debatte um mögliche Lieferungen an die Ukraine, da die Bundeswehr die F-16 nie genutzt hat.
Die meisten F-16 befinden sich in den Beständen von zwölf Nato-Armeen. Über den Grossteil – mehr als 2'200 Exemplare – verfügt die US-Armee. Die Türkei hat mit 270 Stück die grösste F-16-Flotte in Europa, gefolgt von den Niederlanden mit 213, Griechenland mit 170 und Belgien mit 160. Auch Polen, Dänemark und Italien haben jeweils mehrere Dutzend F-16 in ihren Hangars. Die Ukraine hätte also viele mögliche Zulieferer und technisches Know-how in direkter Nachbarschaft.
Entwickelt wurde die F-16 zunächst als reines Jagdflugzeug, um den schnellen und wendigen MiGs der Sowjetunion und ihrer Verbündeten etwas entgegenzusetzen – in den Luftkämpfen des Vietnamkriegs waren die US-Flugzeuge oft weit unterlegen. Dann wurde sie zum Allzweckflugzeug weiterentwickelt, das auch mit Bomben gegen Bodenziele bestückt werden kann.
Diese Vielseitigkeit brachte ihr in vielen Armeen den Ruf als Arbeitstier ein, das zu allen möglichen Einsätzen taugt. Zum Verkaufsschlager wurde die F-16 auch dank ihres relativ niedrigen Preises von unter 30 Millionen Euro pro Stück. Zum Vergleich: Die neuen F-35 Kampfjets der Bundeswehr kosten mehr als 100 Millionen Euro pro Stück.
Hinzu kamen technische Neuerungen wie das tropfenförmige Cockpitfenster, das dem Piloten beinahe volle Rundumsicht bietet; der Steuerknüppel ist bei der F-16 seitlich angeordnet, was sie auch bei extremen G-Kräften im schnellen Kurvenflug manövrierfähig hält. Die F-16 gehörte ausserdem zu den ersten Kampfjets, die den Piloten mit einem Bordcomputer unterstützt, der das instabile Flugverhalten der Maschine im Unterschallflug ausgleicht.
Die Standardwaffe der F-16 zur Bekämpfung gegnerischer Kampfflugzeuge ist eine im Rumpf verbaute, sechsläufige Maschinenkanone. Ihre Tragflügel können zudem mit wärmesuchenden Kurzstreckenraketen wie der AIM-9 Sidewinder und der radargestützten Langstreckenrakete AIM-120 AMRAAM bestückt werden. Letztere kann feindliche Flugzeuge auf eine Entfernung von bis zu 180 Kilometer abschiessen. Auch das macht die F-16 so wertvoll für die Ukraine.
Bisher nämlich konnte Russland seine überlegene Luftwaffe kaum gegen die geschickte Luftverteidigung der Ukrainer ausspielen. Seit dem Frühjahr setzt Russland jedoch verstärkt auf sogenannte Gleitbomben: einfache Fliegerbomben, die mit kleinen Tragflächen und teilweise mit einer Satellitensteuerung versehen aus grosser Distanz abgefeuert werden und dann ins Ziel gleiten. Die russischen Kampfjets bleiben so ausser Reichweite der ukrainischen Flugabwehr. Bislang sieht Kiew keine Handhabe gegen diese neue russische Taktik.
Auch deshalb dürfte Präsident Wolodymyr Selenskyj während seiner Europa-Tour verstärkt auf die Lieferung westlicher Kampfjets gedrängt haben. Bis die ukrainische Armee aber tatsächlich über diese verfügt, dürfte noch einige Zeit vergehen. «Piloten ohne Vorerfahrung brauchen bestimmt bis zu zwei Jahre Ausbildung, bis sie kampffähig sind», sagte der Verteidigungsexperte Christian Mölling t-online. «Das ist auch ein Schritt, um die Ukraine mittel- und langfristig verteidigungsfähig gegenüber Russland zu machen.»
Für Mölling stellt sich zunächst die Frage, ob die US-Regierung ihren Widerstand gegen eine Lieferung von F-16 an Kiew aufgibt. Das müsse nicht bedeuten, dass die USA selbst Flugzeuge schicken; Washington müsste aber eine Ausfuhrgenehmigung erteilen, damit beispielsweise die Niederlande ihre Jets an die Ukraine abgeben dürfen.
Für die bevorstehende Gegenoffensive profitiert Kiew wohl mehr von den Marschflugkörpern mit gut 200 Kilometern Reichweite, die Grossbritannien jetzt geliefert hat, glaubt Mölling: «Die 'Storm Shadow' ist ein wichtiger Baustein für den Kampf der Ukraine. Wenn die Briten Hunderte davon liefern, müsste Russland enorm viel Aufwand betreiben, um sich dagegen zu wehren.»
Verwendete Quellen:
Neue Piloten?
Ein erfahrener Pilot der MiG oder SU geflogen ist wird kaum 2 Jahre Ausbildung benötigen oder gehe ich da komplett falsch?
Weiss das jemand?