Soeben feierten Balinesinnen und Balinesen Nyepi – den Tag der Stille, der heiligste hinduistische Feiertag. Während dieses Tages kommt das öffentliche Leben zum totalen Stillstand. Der Flugverkehr wird eingestellt. Radio- und Fernsehstationen senden kein Programm. Lichter dürfen nicht angeknipst, die Häuser nicht verlassen werden. Stattdessen verbringen die Einheimischen den Tag in Meditation. Auch für Touristen gilt das Ausgeh- und Lichtverbot.
So kehrte auch in diesem Jahr an Nyepi auf Bali Ruhe und Gelassenheit ein – obwohl die Tropeninsel gerade eine stürmische Zeit erlebt.
Der Inselstaat verliert nach einigen Zwischenfällen immer mehr seine Geduld mit Touristen. Im Zentrum der Kritik: russische und ukrainische Staatsangehörige. Der Ärger hat sich dermassen zugespitzt, dass die Insel nun eine Visaverschärfung fordert – sowohl für Russen als auch für Ukrainer.
Die Hintergründe:
Schon vor Kriegsbeginn war Bali ein beliebtes Reiseziel für Russinnen und Russen. Die Invasion sowie die Mobilmachung haben diesen Trend weiter verstärkt. Viele Russen im wehrfähigen Alter flohen aus Angst vor der Einberufung in die Armee nach Bali. Seit die Insel nach der Corona-Pandemie im letzten Jahr die Grenzen wieder öffnete, strömten bereits 58'000 Russinnen und Russen sowie 7000 Ukrainerinnen und Ukrainer auf die Ferieninsel. Als Moskau im Januar 2023 verkündete, eine weitere halbe Million Russen zum Kriegsdienst einzuziehen, reisten weitere 22'500 russische Staatsangehörige auf die indonesische Insel.
Warum dient gerade die Insel der Götter als Zufluchtsort? Das hat verschiedene Gründe. Einerseits ist Bali schon länger ein beliebter Arbeitsort der sogenannten digitalen Nomaden. Auf der Insel wimmelt es nur so von Coworking-Cafés, in denen ortsunabhängige Arbeitnehmer ihren Job verrichten. Andererseits machen die tiefen Lebenshaltungkosten und die unkomplizierten Einreisebestimmungen Bali attraktiv.
Die einfache Einreise macht dem Inselstaat aber derzeit zu schaffen.
Der Inselstaat gewährt für 60 Staaten, darunter Russland und die Ukraine, ein einfaches Einreisevisum (Visa on Arrival). Dieses ist jedoch nur bis zu 60 Tage lang gültig und erlaubt den Einreisenden nicht, auf Bali zu arbeiten. Digitale Nomaden, die für ausländische Unternehmen arbeiten, sind offiziell nicht erlaubt, werden aber toleriert. Denn: Sie bringen das Geld – und geben es auf der Insel aus.
Das Problem ist nur, wenn Touristen Tätigkeiten nachgehen, welche für die Einheimischen vorgesehen sind. Es ist deshalb auch fast unmöglich, ein Arbeitsvisum zu erhalten. Einige Touristinnen und Touristen reisen deshalb alle 60 Tage aus und wieder ein, um die Vorschriften einzuhalten. Bei Verstössen gegen die Einreisebestimmungen greift Bali hart durch. Es drohen hohe Geldstrafen, Freiheitsstrafen oder Abschiebung.
Dass die Behörden im Falle von Verstössen nicht gerade zimperlich vorgehen, zeigt ein Fall aus dem Vormonat. Vor den Medien führten Ermittler einen Russen vor, der sich hinter einem schwarzen Kapuzenpulli und einer orangen Weste mit der Aufschrift «Detainee» (Häftling) versteckt. Der 27-Jährige hat den Behörden zufolge illegal als Fotograf gearbeitet. Erwischt habe man ihn, weil er öffentlich für seine Dienste warb.
Nach seiner Verhaftung habe man ihn aus dem Land verwiesen. Während mindestens sechs Monaten dürfe er nicht mehr nach Indonesien zurückkehren.
Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Mitte des Monats sind gleich drei russische Sexarbeiterinnen abgeschoben worden, nachdem die Behörden Hinweise auf «verdächtige Aktivitäten» in einer Villa erhalten hätten. Davor ist ein russisches Pärchen zurück in die Heimat geschickt worden, das sich ohne gültiges Visum auf der Insel aufgehalten und Yogastunden angeboten habe.
Alleine in diesem Monat sind Bloomberg zufolge 47 Personen wegen Verstosses gegen Aufenthaltsbestimmungen und Missbrauchs der Aufenthaltserlaubnis aus Bali abgeschoben worden, darunter 13 russische Staatsangehörige. Die restlichen Nationalitäten sind nicht bekannt.
Die drei aktiven Vulkane der Insel sind der Bevölkerung heilig. Einige können bestiegen werden – allerdings nur mit einem lokalen Führer. Doch auch diese Arbeitstätigkeit sollen Russinnen und Russen für sich entdeckt haben. Ein Unternehmer für Bergsteigertouren sagt gegenüber Al Jazeera:
Da Bali über keine guten öffentlichen Transportmittel verfügt, ist Stau auf den Strassen vorprogrammiert. Eine Fahrt von wenigen Kilometern kann so auch gut einmal eine Stunde dauern. Um dem Verkehr zu entgehen, ziehen es viele vor, sich mit einem Motorrad fortzubewegen. So auch Touristinnen und Touristen.
Doch der Verleih von Motorrädern an Touristinnen und Touristen steht derzeit wegen zahlreichen Verstössen und Unfällen, die teils tödlich endeten, auf der Kippe. Vermehrt kam es zu Verhaftungen wegen Trunkenheit am Steuer in Verbindung mit Unfällen sowie Besitz von gefälschten Nummernschildern, hauptsächlich von Russen, wie Balis Polizei bekannt gab.
Bali kündigte deswegen Mitte des Monats an, allen Touristinnen und Touristen den Verleih von Motorrädern zu verbieten. Es sollen nur noch Autos gemietet werden dürfen. Der Entscheid steht noch aus. Ein Verbot könnte zu einem noch viel grösseren Verkehrschaos auf der Insel führen.
Neben verstärkter Polizeipräsenz auf Balis Strassen machen Einheimische in den sozialen Medien über das Fehlverhalten von Touristinnen und Touristen aufmerksam. Die Aktion erfolgte, nachdem sich die Bevölkerung über ein russisches Model empört hatte, das nackt vor einem heiligen, 700 Jahre alten Baum posierte. Für die Schnappschüsse musste die Influencerin teuer büssen – neben einer Geldstrafe ist sie aus dem Land verwiesen worden.
Doch mit den vielen Hinweisen über mutmasslich illegale Aktivitäten auf der Insel können die Behörden nicht viel anfangen. Gegenüber Al Jazeera sagt Balis Einwanderungschef Barron Ichsan:
Dies sei kaum zu bewältigen, so Ichsan: «Ohne klare Beweise können wir niemanden des Landes verweisen.» Dennoch kündigte die Insel Anfang des Monats an, eine Taskforce zu erstellen, die gegen Arbeitende ohne Papier vorgehen.
Dass gerade russische Staatsangehörige den Zorn der Bevölkerung auf sich ziehen, liegt wohl daran, dass sie derzeit eine der grössten Touristengruppen ausmachen. «Wann immer wir Berichte über ein schlechtes Benehmen eines Ausländers erhalten, ist es fast immer ein Russe», sagte ein örtlicher Polizeibeamter in der Stadt Kuta gegenüber CNN.
Tatsache ist: Es gibt immer schwarze Schafe. Viele Russen sind aus ihrer Heimat geflüchtet, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Sie fürchteten um ihr Leben und versuchen nun, im Ausland ein neues aufzubauen. «Viele Menschen, die mit dem Krieg nicht einverstanden waren, flohen nach Bali – Russen, Ukrainer, Weissrussen und andere», so der Russe Sergei Ovseikin gegenüber CNN. «Wir kommen alle gut miteinander aus und verstehen, dass die einfachen Leute diesen Krieg nicht begonnen haben.»
Dennoch ist Balis Bürgermeister, Wayan Koster, mit seiner Geduld am Ende. Er möchte russischen und ukrainischen Staatsbürgern den Zugang zur einfachen Einreise entziehen. Denn auch Ukrainerinnen und Ukrainer verstiessen gegen indonesisches Gesetz, hauptsächlich durch Identitätsmissbrauch, indem sie ihre Visa fälschen. Der Entscheid steht noch aus. Das indonesische Justiz- und Menschenrechtsministerium muss noch entscheiden, ob die Visabestimmungen für gewisse Nationalitäten verschärft werden können.
Sicher ist: Mit der Ruhe des Nyepi-Festes ist es vorerst wieder vorbei.