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Bali will Russen und Ukrainer aus der Insel vertreiben

Einige Exil-Russen und
-Ukrainer stürzen Bali ins Chaos

Seit der Invasion der Ukraine ist Bali zu einem Refugium für Russen geworden. Mehr als 80'000 russische Staatsangehörige strömten ins Tropenparadies. Doch der Ansturm des stark vom Tourismus abhängigen Inselstaats bringt nicht nur Vorteile.
26.03.2023, 06:1827.03.2023, 11:23
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Soeben feierten Balinesinnen und Balinesen Nyepi – den Tag der Stille, der heiligste hinduistische Feiertag. Während dieses Tages kommt das öffentliche Leben zum totalen Stillstand. Der Flugverkehr wird eingestellt. Radio- und Fernsehstationen senden kein Programm. Lichter dürfen nicht angeknipst, die Häuser nicht verlassen werden. Stattdessen verbringen die Einheimischen den Tag in Meditation. Auch für Touristen gilt das Ausgeh- und Lichtverbot.

So kehrte auch in diesem Jahr an Nyepi auf Bali Ruhe und Gelassenheit ein – obwohl die Tropeninsel gerade eine stürmische Zeit erlebt.

epa10531276 Balinese Hindu people carry 'Pratima', or a symbol of God, while walking on a beach during a cleansing ceremony called 'Melasti', in Denpasar, Bali, Indonesia, 19 March ...
Vor dem heiligen Tag Nyepi wird Melasti, eine hinduistische Reinigungszeremonie, abgehandelt, Denpasar, Bali, 19. März 2023.Bild: EPA
Children with traditional dress walk during the Melasti, a purification ceremony at Kuta beach, Bali, Indonesia on Sunday, March 19, 2023. The ritual, which is performed ahead of the Balinese Hindu&#0 ...
Traditionell gekleidete Kinder am Strand von Kuta, Bali, 19. März 2023. Das Ritual Melasti soll das Universum von schlechten Einflüssen, schlechten Taten und schlechten Gedanken reinigen.
Bild: AP

Der Inselstaat verliert nach einigen Zwischenfällen immer mehr seine Geduld mit Touristen. Im Zentrum der Kritik: russische und ukrainische Staatsangehörige. Der Ärger hat sich dermassen zugespitzt, dass die Insel nun eine Visaverschärfung fordert – sowohl für Russen als auch für Ukrainer.

Die Hintergründe:

Zufluchtsort Bali

Schon vor Kriegsbeginn war Bali ein beliebtes Reiseziel für Russinnen und Russen. Die Invasion sowie die Mobilmachung haben diesen Trend weiter verstärkt. Viele Russen im wehrfähigen Alter flohen aus Angst vor der Einberufung in die Armee nach Bali. Seit die Insel nach der Corona-Pandemie im letzten Jahr die Grenzen wieder öffnete, strömten bereits 58'000 Russinnen und Russen sowie 7000 Ukrainerinnen und Ukrainer auf die Ferieninsel. Als Moskau im Januar 2023 verkündete, eine weitere halbe Million Russen zum Kriegsdienst einzuziehen, reisten weitere 22'500 russische Staatsangehörige auf die indonesische Insel.

«Weil sich die beiden Länder im Krieg befinden, strömen Russen und Ukrainer nach Bali.»
Wayan Koster, Bürgermeister von Bali
epa10487426 A woman holds flowers during a vigil for Ukraine in Denpasar, Bali, 24 February 2023. Ukrainians in Bali marked the first anniversary of the Russian invasion of Ukraine with a vigil outsid ...
Eine Frau hält Blumen während einer Mahnwache für die Ukraine in Denpasar, Bali, 24. Februar 2023. Bild: keystone
epa10487423 Ukrainian women lay flowers during a vigil in Denpasar, Bali, 24 February 2023. Ukrainians in Bali marked the first anniversary of the Russian invasion of Ukraine with a vigil outside the  ...
Ukrainnerinnen und Russinnen leben auf der indonesischen Urlaubsinsel Bali Seite an Seite.
Bild: keystone

Warum dient gerade die Insel der Götter als Zufluchtsort? Das hat verschiedene Gründe. Einerseits ist Bali schon länger ein beliebter Arbeitsort der sogenannten digitalen Nomaden. Auf der Insel wimmelt es nur so von Coworking-Cafés, in denen ortsunabhängige Arbeitnehmer ihren Job verrichten. Andererseits machen die tiefen Lebenshaltungkosten und die unkomplizierten Einreisebestimmungen Bali attraktiv.

Die einfache Einreise macht dem Inselstaat aber derzeit zu schaffen.

Verstösse gegen Visabestimmungen

Der Inselstaat gewährt für 60 Staaten, darunter Russland und die Ukraine, ein einfaches Einreisevisum (Visa on Arrival). Dieses ist jedoch nur bis zu 60 Tage lang gültig und erlaubt den Einreisenden nicht, auf Bali zu arbeiten. Digitale Nomaden, die für ausländische Unternehmen arbeiten, sind offiziell nicht erlaubt, werden aber toleriert. Denn: Sie bringen das Geld – und geben es auf der Insel aus.

Das Problem ist nur, wenn Touristen Tätigkeiten nachgehen, welche für die Einheimischen vorgesehen sind. Es ist deshalb auch fast unmöglich, ein Arbeitsvisum zu erhalten. Einige Touristinnen und Touristen reisen deshalb alle 60 Tage aus und wieder ein, um die Vorschriften einzuhalten. Bei Verstössen gegen die Einreisebestimmungen greift Bali hart durch. Es drohen hohe Geldstrafen, Freiheitsstrafen oder Abschiebung.

Dass die Behörden im Falle von Verstössen nicht gerade zimperlich vorgehen, zeigt ein Fall aus dem Vormonat. Vor den Medien führten Ermittler einen Russen vor, der sich hinter einem schwarzen Kapuzenpulli und einer orangen Weste mit der Aufschrift «Detainee» (Häftling) versteckt. Der 27-Jährige hat den Behörden zufolge illegal als Fotograf gearbeitet. Erwischt habe man ihn, weil er öffentlich für seine Dienste warb.

Nach seiner Verhaftung habe man ihn aus dem Land verwiesen. Während mindestens sechs Monaten dürfe er nicht mehr nach Indonesien zurückkehren.

Wie bei einer Verhaftung eines Drogenbosses: Die balinesischen Ermittler führten den verhafteten und mittlerweile abgeschobenen Russen den Medien vor, der auf der Insel einer illegalen Tätigkeit als F ...
Wie bei einer Verhaftung eines Drogenbosses: Die balinesischen Ermittler führten den verhafteten und mittlerweile abgeschobenen Russen den Medien vor, der auf der Insel einer illegalen Tätigkeit als Fotograf nachging.bild: radarbali

Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Mitte des Monats sind gleich drei russische Sexarbeiterinnen abgeschoben worden, nachdem die Behörden Hinweise auf «verdächtige Aktivitäten» in einer Villa erhalten hätten. Davor ist ein russisches Pärchen zurück in die Heimat geschickt worden, das sich ohne gültiges Visum auf der Insel aufgehalten und Yogastunden angeboten habe.

Alleine in diesem Monat sind Bloomberg zufolge 47 Personen wegen Verstosses gegen Aufenthaltsbestimmungen und Missbrauchs der Aufenthaltserlaubnis aus Bali abgeschoben worden, darunter 13 russische Staatsangehörige. Die restlichen Nationalitäten sind nicht bekannt.

Lokale Arbeiter werden verdrängt

Die drei aktiven Vulkane der Insel sind der Bevölkerung heilig. Einige können bestiegen werden – allerdings nur mit einem lokalen Führer. Doch auch diese Arbeitstätigkeit sollen Russinnen und Russen für sich entdeckt haben. Ein Unternehmer für Bergsteigertouren sagt gegenüber Al Jazeera:

«Als ich das letzte Mal auf den Gipfel des Vulkans Agung gewandert bin, habe ich viele Russen gesehen, die andere Russen ohne lokale Führer geführt haben, obwohl lokale Führer gesetzlich vorgeschrieben sind. Die Russen scheinen alles über den Berg zu wissen. Ich glaube, sie haben den Berg schon einmal mit lokalen Guides bestiegen und sich über alle Routen und Sicherheitsprobleme informiert. Es ist traurig, weil viele lokale Guides nun keine Arbeit haben.»

Gefälschte Nummernschilder

Da Bali über keine guten öffentlichen Transportmittel verfügt, ist Stau auf den Strassen vorprogrammiert. Eine Fahrt von wenigen Kilometern kann so auch gut einmal eine Stunde dauern. Um dem Verkehr zu entgehen, ziehen es viele vor, sich mit einem Motorrad fortzubewegen. So auch Touristinnen und Touristen.

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Ein beliebtes Verkehrsmittel der Insel: Motorräder.Bild: EPA
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Die Behörden beklagen sich über Touristen, die ohne Helm und ohne Führerschein unterwegs sind, Canggu, Bali, März 2023.Bild: EPA
«Viele Fahrer fahren betrunken und tragen keine Helme. Das ist gefährlich.»
Ein finnischer Tourist gegenüber indonesischen Medien

Doch der Verleih von Motorrädern an Touristinnen und Touristen steht derzeit wegen zahlreichen Verstössen und Unfällen, die teils tödlich endeten, auf der Kippe. Vermehrt kam es zu Verhaftungen wegen Trunkenheit am Steuer in Verbindung mit Unfällen sowie Besitz von gefälschten Nummernschildern, hauptsächlich von Russen, wie Balis Polizei bekannt gab.

Best Kisses – ein illegales Verkehrsschild, das in Canggu, Bali, gesichtet wurde.
Best Kisses – ein illegales Verkehrsschild, das in Canggu, Bali, gesichtet wurde.instagram / moskow canggu bali
Die Polizei geht gegen Fahrzeughalter vor, die Kennzeichen verwenden, die nicht den Vorschriften der Insel entsprechen.
Die Polizei geht gegen Fahrzeughalter vor, die Kennzeichen verwenden, die nicht den Vorschriften der Insel entsprechen. bild: instagram / moskow canggu bali

Bali kündigte deswegen Mitte des Monats an, allen Touristinnen und Touristen den Verleih von Motorrädern zu verbieten. Es sollen nur noch Autos gemietet werden dürfen. Der Entscheid steht noch aus. Ein Verbot könnte zu einem noch viel grösseren Verkehrschaos auf der Insel führen.

Wie Einheimische gegen das Fehlverhalten von Touristen vorgehen

Neben verstärkter Polizeipräsenz auf Balis Strassen machen Einheimische in den sozialen Medien über das Fehlverhalten von Touristinnen und Touristen aufmerksam. Die Aktion erfolgte, nachdem sich die Bevölkerung über ein russisches Model empört hatte, das nackt vor einem heiligen, 700 Jahre alten Baum posierte. Für die Schnappschüsse musste die Influencerin teuer büssen – neben einer Geldstrafe ist sie aus dem Land verwiesen worden.

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Bei den Hinweisen handelt es sich meist nicht um Verstösse im Strassenverkehr, sondern um mutmassliche Schwarzarbeit.Bild: EPA

Doch mit den vielen Hinweisen über mutmasslich illegale Aktivitäten auf der Insel können die Behörden nicht viel anfangen. Gegenüber Al Jazeera sagt Balis Einwanderungschef Barron Ichsan:

«Auf Instagram werden wir ständig auf irgendwelchen Bildern von Touristinnen und Touristen markiert, die mutmasslich etwas Verbotenes getan haben. Die Besitzer fordern uns damit auf, die Personen ausfindig zu machen und abzuschieben.»

Dies sei kaum zu bewältigen, so Ichsan: «Ohne klare Beweise können wir niemanden des Landes verweisen.» Dennoch kündigte die Insel Anfang des Monats an, eine Taskforce zu erstellen, die gegen Arbeitende ohne Papier vorgehen.

Neue Visabestimmungen für Russen und Ukrainer

Dass gerade russische Staatsangehörige den Zorn der Bevölkerung auf sich ziehen, liegt wohl daran, dass sie derzeit eine der grössten Touristengruppen ausmachen. «Wann immer wir Berichte über ein schlechtes Benehmen eines Ausländers erhalten, ist es fast immer ein Russe», sagte ein örtlicher Polizeibeamter in der Stadt Kuta gegenüber CNN.

Tatsache ist: Es gibt immer schwarze Schafe. Viele Russen sind aus ihrer Heimat geflüchtet, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Sie fürchteten um ihr Leben und versuchen nun, im Ausland ein neues aufzubauen. «Viele Menschen, die mit dem Krieg nicht einverstanden waren, flohen nach Bali – Russen, Ukrainer, Weissrussen und andere», so der Russe Sergei Ovseikin gegenüber CNN. «Wir kommen alle gut miteinander aus und verstehen, dass die einfachen Leute diesen Krieg nicht begonnen haben.»

epa10364859 Russian men walk along the road with their luggage after passing through customs at the Georgia-Russia border checkpoint of Verkhnii Lars, Georgia, 27 September 2022. Thousands of Russian  ...
Die Ankündigung einer Teilmobilisierung des Kremls im September 2022 löste im ganzen Land Panik aus. Flüge ins Ausland waren ausverkauft und an den Grenzübergängen bildeten sich lange Schlangen. Schätzungen zufolge geht die Zahl derer, die das Land aus Angst vor der Einberufung zur Armee verlassen haben, in die Hunderttausende. Bild: keystone

Dennoch ist Balis Bürgermeister, Wayan Koster, mit seiner Geduld am Ende. Er möchte russischen und ukrainischen Staatsbürgern den Zugang zur einfachen Einreise entziehen. Denn auch Ukrainerinnen und Ukrainer verstiessen gegen indonesisches Gesetz, hauptsächlich durch Identitätsmissbrauch, indem sie ihre Visa fälschen. Der Entscheid steht noch aus. Das indonesische Justiz- und Menschenrechtsministerium muss noch entscheiden, ob die Visabestimmungen für gewisse Nationalitäten verschärft werden können.

Sicher ist: Mit der Ruhe des Nyepi-Festes ist es vorerst wieder vorbei.

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125 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pat da Rat
26.03.2023 06:47registriert Mai 2022
Nicht nur Bali. Jedes touristisch halbwegs geöffnete Land in Südostasien "ersäuft" gerade in russischen "Touristen". Nichts als Stunk und Ärger; Schlägereien, Besoffene, Visa-Overstays etc en-masse. In Phuket, Pattaya und auf Samui sammelt die Polizei und Immigration die russ. Overstayers mit dem Pick-up Truck mit offenem Käfig auf der Ladebrücke ein und weiss nicht mehr wohin mit den Russen, da die russ. Botschaft nicht kooperiert bei der Rückführung. Gibt schon seit Monaten den Spruch, dass Putin wohl bald in Phuket einmarschieren und es annektieren wird, weil jetzt so viele Russen da leben.
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Kommissar Rizzo
26.03.2023 09:26registriert Mai 2021
Die wenigen Male, die ich im Urlaub Berührungspunkte mit Russen hatte, reichen mir vollends...
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SF_49ers
26.03.2023 09:58registriert Mai 2020
Auch vor dem krieg waren viele russische touristen auf einmal meistens ein ärgernis. Laut und unhöflich
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