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Australien sagt «Nein» zu mehr Mitsprache für Ureinwohner

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Plakate für und gegen das historische «Voice»-Referendum in Canberra, Australien.Bild: keystone

Australien sagt «Nein» zu mehr Mitsprache für Ureinwohner

Die Aborigines hatten auf eine Vertretung im Parlament gehofft, doch die Australier lehnen ein entsprechendes Referendum mehrheitlich ab. Die konservative Opposition hatte massiv Stimmung gegen die Pläne gemacht.
15.10.2023, 11:5315.10.2023, 11:54
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Das «Nein» der australischen Wähler zu mehr politischem Mitspracherecht für die Ureinwohner hat bei grossen Teilen der indigenen Bevölkerung für Enttäuschung und Bestürzung gesorgt. Beim historischen «Voice»-Referendum sprach sich am Samstag eine klare Mehrheit von rund 60 Prozent der Teilnehmer gegen das Vorhaben aus, den Aborigines eine in der Verfassung verankerte Mitsprache im Parlament einzuräumen. Auch in allen sechs Bundesstaaten waren die Gegner in der Überzahl - für ein Inkrafttreten der Reform hätten es aber höchstens zwei sein dürfen. Wahlberechtigt waren 18 Millionen Menschen, darunter 530 000 Indigene.

«Das »Nein« zeigt meinen Kindern, die stolze Mitglieder des Birpai-Volkes sind, dass die Welt um sie herum sie nicht darin haben will oder dass es ihr egal ist, was sie zu sagen haben», schrieb der indigene Journalist Jack Latimore am Sonntag im «Sydney Morning Herald». Die Ministerin für indigene Australier, Linda Burney, sprach unter Tränen von einem «traurigen Tag für Australien».

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Linda Burney, Ministerin für indigene Australier.Bild: keystone

Im Erfolgsfall hätte ein von Ureinwohnern gewähltes Gremium namens «Aboriginal and Torres Strait Islander Voice» das Parlament künftig in Fragen beraten, die die Indigenen direkt betreffen. De facto wären die Ureinwohner damit in der Verfassung anerkannt worden.

Es werde vermutlich Jahre dauern, bis die Auswirkungen dieser Absage in voller Gänze klar würden, schrieb die indigene Kommentatorin Lorena Allam im australischen «Guardian». «Aber es ist bereits jetzt völlig klar, dass das Ergebnis für die Bevölkerung der First Nations zutiefst verletzend ist.» Letztlich sei das Referendum auch eine Abstimmung über das Existenzrecht indigener Völker in ihrem eigenen Land gewesen, «und unsere australischen Landsleute stimmten dafür, uns abzulehnen», so Allam. «Stellen Sie sich vor, wie sich das heute anfühlt.» Anders als im Nachbarland Neuseeland hat Australien bis heute keinen Vertrag mit seinen Ureinwohnern.

Angstkampagne der konservativen Opposition drehte Meinung

Vor allem die konservative Opposition um Frontmann Peter Dutton hatte in den vergangenen Monaten massiv Stimmung gegen die Pläne gemacht und die Meinung im Land gedreht, nachdem die Mehrheit der Bevölkerung zunächst zu einem «Ja» tendiert hatte. Aber auch einige Indigene waren dagegen. Ihnen ging das Vorhaben nicht weit genug.

epa10918079 Yes and No campaigners stand outside Doubleview Primary School voting center in Perth, Australia 14 October 2023. Australians will participate in a historic referendum on 14 October to dec ...
Gegner und Befürworter in Perth.Bild: keystone

Für Premierminister Anthony Albanese, der mit dem Referendum - dem ersten in Australien seit 24 Jahren - ein Wahlversprechen eingelöst hatte, ist das «Nein» eine schwere Schlappe. Er respektiere das Ergebnis, werde aber weiter für Versöhnung und eine Überwindung der Kluft in der Gesellschaft arbeiten, sagte er in einer emotionalen Ansprache.

epa10918412 Australian Prime Minister Anthony Albanese delivers a statement on the outcome of the Voice Referendum at Parliament House in Canberra, 14 October 2023. Australians on 14 October voted on  ...
Das Nein ist eine herbe Niederlage für Premierminister Anthony Albanese. Bild: keystone

Erklärtes Ziel seiner sozialdemokratischen Labor-Regierung ist es, die Lebensrealität der bis heute stark diskriminierten Ureinwohner zu verbessern. Indigene machen etwa vier Prozent der Bevölkerung aus und leben vielerorts am Rande der Gesellschaft. Ihre Lebenserwartung ist deutlich geringer als die der weissen Australier und die Kindersterblichkeit höher, gleichzeitig haben sie einen schlechteren Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt.

Die Aborigines gelten als die älteste noch bestehende Kultur weltweit und bevölkern den Kontinent seit mehr als 65 000 Jahren. Mit der Kolonisierung durch die Briten begann für sie aber eine Zeit der Unterdrückung. In der 1901 verabschiedeten Verfassung werden sie nicht einmal erwähnt. Erst 1967 wurden ihnen Bürgerrechte eingeräumt.

Bis in die 1970er Jahre wurden zudem indigene Kinder ihren Familien weggenommen, um sie in christlichen Missionen oder bei weissen Familien «umzuerziehen». Erst 2008 entschuldigte sich die Regierung unter dem damaligen Premier Kevin Rudd für das Leid, das den Opfern der «Stolen Generation» zugefügt wurde. (sda/dpa)

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69 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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nature
15.10.2023 12:00registriert November 2021
Die Ureinwohner tuen mir leid. Ihr Land wurde von den Weissen gestohlen und sie wurden brutal unterdrückt. Heutzutage sind sie noch immer Opfer von Rassismus und Unterdrückung. Trotzdem verhalten sie sich weiterhin sehr friedlich und versuchen den demokratischen Weg zu gehen. Da habe ich sehr viel Respekt davor, im Gegensatz zur weissen konservativen Mehrheit.
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Unicron
15.10.2023 12:33registriert November 2016
Warum zur Hölle lehnt man so etwas ab? Das ist das selbe wie bei der Homo Ehe, warum lehnt man etwas ab was einen NULL betrifft, aber anderen massiv hilft??

"Aber auch einige Indigene waren dagegen. Ihnen ging das Vorhaben nicht weit genug."

Das ist auch ein klassiker. Aus der selben Mentalität heraus wurde das CO2 gesetz abgelehnt und Trump gewählt.
Wir linken schiessen uns einfach ständig selbst ins Bein.
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Jacob Crossfield
15.10.2023 13:14registriert Dezember 2014
"Ureinwohner " oder nicht, es sind Menschen. Und alle sollten nach dem Gesetz und Verfassung gleiche Rechte haben. Das sind die Basics eines Rechtsstaates. Einfach unbegreiflich wieso dies nicht mehrheitsfähig ist.
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