In Indien leben mehr als 1,3 Milliarden Menschen. Das entspricht fast einem Fünftel der Weltbevölkerung. Letzte Woche hat Premierminister Narendra Modi in dem bevölkerungsreichen Land den Lockdown verhängt. Er gab seinen Landsleuten genau vier Stunden Zeit, um die nötigen Einkäufe zu erledigen, bevor sie sich für drei Wochen in ihre Behausungen zurückziehen und diese unter keinen Umständen verlassen sollten. «Wenn ihr diese 21 Tage nicht durchhaltet, wird dieses Land um 21 Jahre zurückgeworfen», warnte Modi.
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Doch was folgte, sind Szenen, die jeder Strategie zur Eindämmung der Pandemie widersprechen. Abertausende Inder machten sich fast schon panikartig auf, die grossen Städte zu verlassen. Wer konnte, versuchte, einen der Busse zu erwischen. Auf Bildern ist zu sehen, wie die Menschen zu hunderten dicht an dicht an den Busstationen warten, um in ihre Heimatdörfer zu gelangen, wie dieses Video zeigt:
Pandemonium struck New Delhi over the weekend as thousands of migrant workers, left without food and shelter due to India’s coronavirus lockdown, fled to their home villages https://t.co/YYmDa0wYL9 pic.twitter.com/OWfkqy5mSh
— Reuters (@Reuters) March 29, 2020
Denn der Lockdown traf vor allem die Millionen Wanderarbeiter in Indien hart. Und längst nicht alle können sich einen der Busse leisten – oder finden einen Platz. Wegen der Corona-Ausgangsbeschränkungen müssen diese jetzt zu Fuss nach Hause in ihre Dörfer zurück.
India's coronavirus lockdown - the world's largest - stung millions of the country's poor, leaving many hungry and forcing migrant labourers to flee cities. pic.twitter.com/FPiypYElol
— Al Jazeera English (@AJEnglish) March 30, 2020
Und diese liegen oft hunderte Kilometer weit weg. Eine beschwerliche Reise mit offenem Ausgang.
Ein 39 jähriger Wanderarbeiter starb, nachdem er von Delhi in seinen rund 300 Kilometer entfernten Heimatort in Madhya Pradesh laufen wollte, berichtete Times of India am Samstag. Der Mann erlitt nach rund 200 Kilometern aus Erschöpfung einen Herzinfarkt, brach zusammen und verstarb. Sein Bruder sagte den Medien: «Wir sind arme Farmer. Wir wissen nicht, wie seine drei Kinder überleben ohne das Einkommen des Vaters.»
Kürzlich erst hatte Modi die Bürger aufgerufen, auf ihren Balkonen für den Mut von Gesundheitspersonal zu applaudieren. Doch etliche von ihnen haben noch ein ganz anderes Probleme: Vermieter haben etliche Menschen mit Medizinberufen aus ihren Wohnungen geworfen. Sie hätten Angst, dass das medizinische Personal das neuartige Coronavirus verbreiteten, schrieb die Ärztevereinigung des staatlichen Spitals All India Institute of Medical Sciences.
«Viele Ärzte sind nun mit all ihrem Gepäck auf den Strassen gestrandet, und sie können im Land nirgendwohin», heisst es in einem Brief der Vereinigung an den indischen Innenminister Amit Shah. Gesundheitsminister Harsh Vardhan rief deswegen diese Woche Vermieter auf, nicht panisch zu reagieren. Und der Regierungschef der Hauptstadt Neu Delhi, Arvind Kejriwal, drohte Vermietern mit rechtlichen Konsequenzen: «Falls morgen, Gott bewahre, dein Kind Coronavirus hat, dann sind dies die Menschen, die helfen werden», sagte er.
Premierminister Modi hat sich am Sonntag bei den armen Menschen in der Bevölkerung entschuldigt, weil sie wegen der Ausgangssperre besondere Notlagen erleiden. «Ich entschuldige mich für diese harten Massnahmen, die eure Leben erschweren, insbesondere bei den armen Menschen», sagte er in einer Radioansprache. Im Kampf gegen das Coronavirus habe er keine andere Wahl gehabt.
Dafür sind in Indien offenbar viele Mittel recht. Die Polizeikräfte jedenfalls gehen teilweise gewaltsam gegen Leute vor, die noch auf der Strasse sind.
In Indien gab es nach offiziellen Angaben des indischen Gesundheitsministeriums bis am Sonntag 706 Covid-19-Fälle sowie 17 Corona-Tote. Doch getestet wurden gemäss Medienberichten erst rund 35'000 Menschen. Nach der Massenflucht aus den Städten ist zu befürchten, dass die Zahlen rasant zunehmen werden. (meg/sda)
Toerpe Zwerg
DanielaK
Namenloses Elend
Umsetzung: Katastrophe 🤦♂️🤦♂️