Serbien hat den Impfturbo gezündet und pro Einwohner bereits die zweitmeisten Impfdosen verteilt in Europa. Doch anders als bei den erstplatzierten Briten steigen die Infektionszahlen wieder deutlich an.
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Mit rund 7 Millionen Einwohnern hat Serbien eine etwas kleinere Bevölkerungszahl als die Schweiz. Trotzdem wurden in Serbien am Dienstag 5000 Neuansteckungen gemeldet – und der Trend zeigt noch immer nach oben.
Anders als die Schweiz meldet das serbische Gesundheitsamt keine Neu-Hospitalisierten, sondern die Zahl aller Patienten, die sich aktuell wegen Beschwerden im Zusammenhang mit Covid-19 in einem Spital befinden. Im gesamten Land waren dies Anfang Woche etwas über 4600 Patienten, Mitte Februar waren es noch rund 1000 weniger.
211 Personen wurden in Serbien am Dienstag künstlich beatmet. In der Schweiz sind aktuell 128 Covid-Patienten auf ein Beatmungsgerät angewiesen.
Serbien hatte während des ersten Pandemiejahres im Vergleich zur Schweiz weniger Todesfälle zu beklagen. Seit Beginn dieses Monats sind die Zahlen jedoch deutlich angestiegen, während sie in der Schweiz kontinuierlich sinken.
Wie erwähnt geht es in Serbien mit der Covid-Impfung (verhältnismässig) schnell voran. Inzwischen liegt die Impfquote mehr als doppelt so hoch wie in der Schweiz. Trotzdem ist natürlich noch immer erst eine von sechs Personen durch die Impfung geschützt.
Das serbische Gesundheitsdepartement gab bekannt, dass man zuerst über 75-Jährige in Pflegeheimen impft. Angaben zur aktuellen Impfquote in bestimmten Altersklassen gibt es allerdings nicht.
Insgesamt hat Serbien bisher 30 Impfdosen pro 100 Einwohner verteilt – an manche Personen zwei, an manche erst eine. In Europa hat Grossbritannien in dieser Statistik mit 38 Impfdosen pro 100 Einwohner die Nase vorn. Allerdings geht man dort im Vergleich zur Schweiz und Serbien so vor, dass alle Personen zunächst mal nur eine Impfdosis erhalten. Der Impfschutz ist also möglicherweise weniger stark, jedoch auf mehr Personen verteilt.
Verimpft werden in Serbien die Produkte von Pfizer/Biontech, AstraZeneca, Sputnik V aus Russland und Sinopharm aus China. Für letzteren wird Serbien sogar der erste europäische Hersteller sein: Die von China co-finanzierte Fabrik soll ab dem 15. Oktober für Serbien und die umliegenden Länder Sinopharm-Imfpstoff herstellen. Er ist bereits in 20 Ländern weltweit zugelassen, darunter nebst in Serbien auch in Weissrussland und Ungarn.
Im Vergleich zur Schweiz lebte Serbien in den letzten Wochen mit lockereren Massnahmen: Restaurants und Geschäfte waren grösstenteils geöffnet. Auch Skigebiete und Schulen waren – wie hierzulande – mit Schutzkonzepten in Betrieb.
Bereits im letzten Sommer hat Serbien mit einer Art «Wochenend-Lockdown» versucht, die Fallzahlen zu senken. Auch an den ersten beiden März-Wochenenden schloss man Restaurants und nicht notwendige Geschäfte, um zu verhindern, dass sich Menschen am Wochenende treffen.
Doch diese Massnahmen konnten den Anstieg der Fallzahlen nicht bremsen. Die behördliche Task Force drängte schon länger auf einen längerfristigen Lockdown, da die aktuelle Situation das Gesundheitssystem auf ein «katastrophales Niveau» bringen könnte.
Serbiens Premierministerin Ana Brnabic gab daher am Dienstag bekannt, dass das Land in einen fünftägigen Lockdown übergehe, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Ab heute bis Montag werden alle Geschäfte und Freizeitanlagen geschlossen bleiben. Schüler müssen für mindestens eine Woche auf Online-Unterricht umsteigen.
In der ersten und zweiten Welle lebte Serbien jeweils mit strengeren Massnahmen als die Schweiz. Das besagt der sogenannte «Stringency Index», der von der Oxford Universität herausgegeben wird. Er basiert auf neun Kriterien wie Schulschliessungen, Home-Office-Pflicht und Reiseverbote und bewegt sich zwischen 0 (keine Massnahmen) und 100 (strengste Massnahmen). In den letzten Wochen galten in Serbien allerdings weniger strenge Massnahmen als in der Schweiz.
Als Grund für die steigenden Fallzahlen nennt die serbische Task Force die britische Virenmutation, die sich schneller verbreitet, und die Rückkehr von Skitouristen aus den soeben zu Ende gegangenen Sportferien.
Für eine detaillierte Analyse der steigenden Fallzahlen wäre es zumindest interessant zu wissen, welche Personen sich aktuell mit dem Virus anstecken oder hospitalisiert werden. Allerdings veröffentlicht die serbische Regierung in ihren Berichten keine Angaben zur Region oder Demografie.
Trotzdem können andere Länder aus der Situation lernen: Obwohl der Impfprozess gut voranschreitet, ist Serbien nicht über den Berg und muss die Schraube zum Schutz der Risikogruppe und des Gesundheitssystems erneut anziehen.