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Coronavirus

Darum sterben in Hongkong aktuell so viele Leute an Corona wie nie zuvor

FILE - A man wearing a face mask gets a bag of rice at a grocery cart next to empty-looking shelves for rice after residents concerned with possible shortages stock up on food, at a supermarket Hong K ...
Er hat grad noch einen der letzten Reissäcke erwischt. Die Regale in Hongkong sind wieder leer.Bild: keystone

Explodierende Todeszahlen: Hongkong steht vor einer Corona-Wand – was da gerade passiert

Hongkong steht vor einer Corona-Wand. Die Fallzahlen steigen senkrecht nach oben und die Spitäler sind komplett am Anschlag. Was ist los im Stadtstaat?
09.03.2022, 08:0010.03.2022, 09:48
Reto Fehr
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Hongkong erlebt aktuell eine heftige Omikron-Welle. Die Fallzahlen im Stadtstaat gehen durch die Decke. Das war zuvor nie der Fall, Corona schien während den letzten Monaten praktisch nicht vorhanden. Jetzt steht Hongkong vor einer Wand, wenn man die Corona-Kurve anschaut.

Die BA.2-Variante von Omikron ist seit Wochen dominant. Am 9. Februar verstarb auch erstmals wieder eine Person in Hongkong wegen Covid. Das gab es zuvor zuletzt im September 2021. Und seither steigt auch die Zahl der Todesfälle täglich steil an.

Auch andere Länder, die eine strikte Corona-Politik verfolgten, sehen sich derzeit mit stark steigenden Fallzahlen konfrontiert. So etwa in Südkorea, Singapur oder Neuseeland. Hohe Fallzahlen alleine reichen jedoch nicht, um die aktuelle Lage vor Ort einzuschätzen. Sie sind ein erster Indikator.

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Und während in Südkorea, Singapur und Neuseeland zwar die Fallzahlen steigen, blieben die Todesfallzahlen bisher auf tiefem Niveau.

Nicht so in Hongkong. Hier zeigt die Kurve ähnlich steil nach oben wie bei den Neuinfektionen und lässt Entwicklungen wie in Dänemark oder der Schweiz vor wenigen Wochen verschwindend klein wirken:

Aktuell gelten strenge Massnahmen

Und das alles, obwohl in Hongkong aktuell die strengsten Massnahmen gelten:

  • In Supermärkte oder Einkaufszentren kommt man nur mit einer App
  • Restaurants müssen um 18 Uhr schliessen
  • draussen dürfen sich nur maximal zwei Personen treffen
  • drinnen maximal zwei Haushalte
  • Maskenpflicht gilt praktisch überall, sogar wenn du draussen joggen willst

Hongkong verfolgt seit Beginn eine Null-Covid-Politik, ähnlich wie auf dem Festland China. Lange funktionierte dieser Weg, aber jetzt gerät alles aus dem Ruder.

Und die Regierung steuert ihren Teil dazu bei.

Vor zwei Wochen wurde angekündigt, dass sich im März alle der rund 7,4 Millionen Einwohner testen lassen müssen. Ein genaues Datum ist aber noch nicht bekannt. Es geht auch immer wieder das Gerücht von einem harten Lockdown um. Auch darum verliessen in den letzten drei Wochen über 20'000 Einwohner das Land – jede Woche. Sie wollen nicht eingesperrt werden.

Viele Patienten, zu wenig Personal

Vorsorglich kaufen Einwohner Supermärkte leer und decken sich mit Essensvorräten ein, falls der Lockdown kommt und Versorgungsengpässe eintreten:

A man wearing a face mask walks past empty shelves of frozen food as residents concerned with possible supply shortages stock up on food at a supermarket in Hong Kong, Tuesday, March 8, 2022. The fast ...
Leere Regale in einem Supermarkt in Hong Kong.Bild: keystone

Prekär ist die Lage im Gesundheitswesen. Die Spitäler sind am Anschlag. Neue Patienten müssen vor dem Krankenhaus stundenlang warten oder werden in Notbetten versorgt. Das medizinische Personal wird aufgrund der Isolationen- und Quarantäne-Bedingungen immer knapper, wie eine Krankenschwester, die wegen einer Covid-Erkrankung derzeit ausfällt, kürzlich Reuters erzählte: «Es werden Betten hinzugestellt, aber kein Personal. Meine Arbeitskollegen sind total überlastet. Einer muss sich um dutzende Patienten kümmern.»

FILE - Patients in hospital beds wait in a temporary holding area outside Caritas Medical Centre in Hong Kong on March 2, 2022. Some people are forced to wait outside the hospital due to it currently  ...
Notstationen vor den Spitälern, wie hier dem Caritas Medical Centre, am 2. März 2022.Bild: keystone

Impfquote bei Risikopersonen extrem tief

Was läuft schief in Hongkong? Und warum trifft es den Stadtstaat härter als Neuseeland, Südkorea oder Singapur?

Es gibt mehrere Erklärungen dafür. Insgesamt sei es einfach verpasst worden, eine ordentliche Impfkampagne auf die Beine zu stellen. Tony Ling, Chef des Verbands der öffentlichen Ärzte Hongkongs, sagte: «Es gab keinen Plan, wir waren einfach nicht vorbereitet.»

Eine weitere Erklärung: Hongkong kam bisher mit vergleichsweise wenigen Fällen durch die Pandemie, dadurch hat aber auch kaum jemand Antikörper entwickelt. Diese Teilimmunität ist für manche Experten ein wichtiger Grund, dass Omikron weniger schwere Verläufe provoziert.

People wearing face masks line up to buy noodles at a local market in Hong Kong, Tuesday, March 8, 2022. The fast-spreading omicron variant is overwhelming Hong Kong, prompting mass testing, quarantin ...
Lange Schlangen vor diesem Nudeln-Verkäufer am 8. März 2022.Bild: keystone

Die Voraussetzungen in Neuseeland, Südkorea oder Singapur sind jedoch ähnlich wie in Hongkong. Blickt man allerdings auf die Impfquote, ergibt sich ein anderes Bild.

Der Anteil vollständig Geimpfter liegt in Hongkong deutlich tiefer als in den anderen Ländern. Ende Januar – vor der aktuellen Welle – waren nur rund 64 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Neuseelands Anteil lag bei über 75 Prozent, Südkorea und Singapur gar bei über 85.

Seit dem Ausbruch der aktuellen Welle lassen sich wieder deutlich mehr Einwohner Hongkongs impfen. Aktuell sind es im Stadtstaat rund 25'000 bis 35'000 pro Tag.

Ein weiteres Problem: Die Impfquote bei den Risikopersonen der über 60-Jährigen ist sehr tief. Bei den Über 80-Jährigen ist nur rund jede/r zweite/r geimpft:

Warum liessen sich so viele Menschen aus der Risikogruppe nicht impfen? Auch hier spielen verschiedene Faktoren zusammen. Zum einen war die Corona-Situation nie wirklich heikel in Hongkong, es gab zu wenig Anreiz, sich impfen zu lassen. Zum anderen ist das Vertrauen in die Regierung kleiner als anderswo, was ebenfalls zur erhöhten Impfskepsis führt. Verimpft wird insbesondere das chinesische Produkt Sinovac.

Zu guter Letzt dachten viele ältere Personen, dass sie sich lieber selbst schützen, indem sie zu Hause bleiben. Allerdings ist dies bei der doch weit verbreiteten Wohnsituation von mehreren Generationen in kleinen Stadtwohnungen nicht immer ganz einfach.

Hongkong Varianten
Bild: covariants.org

Gemäss Experten wird Hongkong den Peak der Infektionen Mitte März erreichen. Seit Jahresbeginn verstarben von den 193'000 offiziell Infizierten rund 650 Personen, zuvor waren es 12'000 Infizierte und rund 200 Todesfälle. Gemäss den Behörden waren 91 Prozent der Verstorbenen nicht gegen Covid-19 geimpft.

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70 Kommentare
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Chalbsbratwurst
09.03.2022 08:32registriert Juli 2020
"Gemäss den Behörden waren 91 Prozent der Verstorbenen nicht gegen Covid-19 geimpft."

Evtl. ist Omikron gar nicht wirklich harmloser nur die Immunität in unserer Bevölkerung viel grösser als bei vorherigen Virusvarianten...
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tostaky
09.03.2022 08:54registriert März 2015
In einem "Stadtstaat" würden viele der Bewohnerinnen und Bewohner wohl gerne leben. Leider sind sie nur eine Sonderverwaltungszone.
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Andy
09.03.2022 12:31registriert Januar 2014
Auch hier gehen die Zahlen deutlich hoch.

Rein subjektiv gesehen: Ich habe in der ganzen Covid-Zeit noch nie von so vielen Covid-Infizierten gehört wie in der letzten Zeit. Auch diverse Leute welche bereits Covid hatten.
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