Die Welt kämpft gegen das Coronavirus. Selbst Länder in Fernost, die lange als vorbildlich galten, haben zuletzt aus Angst vor einer zweiten Welle ihre Massnahmen teilweise (wieder) verschärft oder Lockerungen aufgeschoben. Ein kleines Land im Südpazifik aber sorgt derzeit für Furore: Neuseeland scheint es zu gelingen, das Virus nicht nur zu stoppen, sondern zu eliminieren.
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Begonnen hatte es Mitte März mit der Schliessung der Grenzen, von der nur Staatsbürger und Menschen mit Wohnsitz in Neuseeland ausgenommen waren. Im Land festsitzenden Ausländern – vorwiegend Touristen – wurde die Ausreise erst mit zwei Wochen Verzögerung gestattet. Vor 14 Tagen verhängte die Regierung von Premierministerin Jacinda Ardern eine strikte Ausgangssperre.
Die Menschen dürfen ihre Häuser nur für dringende Besorgungen verlassen. Sport treiben ist nur in der unmittelbaren Nachbarschaft erlaubt. Ausflüge an den Strand oder Besuche sind untersagt. Ergänzt wird der Lockdown durch umfangreiche Tests. Allein am Dienstag wurden laut «Guardian» 4098 durchgeführt – eine beachtliche Zahl für ein Land mit rund 4,8 Millionen Einwohnern.
Die Strategie der Neuseeländer ist klar: Sie wollen keine kontrollierte Durchseuchung wie in Schweden – das damit zunehmend gegen die Wand fährt – und auch keine Eindämmung, wie sie die meisten Länder – darunter die Schweiz – praktizieren. Ihr Ziel ist nicht, die Kurve der Infektionen abzuflachen, sondern sie niederzudrücken und das Coronavirus zu eliminieren.
Die Zahlen zeigen ein ermutigendes Bild. Am Montag und Dienstag war die Zahl der Neuansteckungen stark rückläufig. Bis Mittwoch wurden 1210 Fälle von Corona in Neuseeland registriert. Nur gerade eine Person ist bislang an Covid-19 gestorben. Zwölf Personen sind hospitalisiert. Vier liegen auf der Intensivstation, zwei davon sind in kritischem Zustand.
Premierministerin Ardern zeigte sich am Mittwoch vor Journalisten «vorsichtig optimistisch». Sie betonte aber, man müsse «auf Kurs bleiben». Eine Lockerung der auf vier Wochen befristeten Ausgangssperre komme nicht in Frage, auch nicht an Ostern. Die sozialdemokratische Regierungschefin erteilte entsprechenden Forderungen ein Absage. Eine Ausnahme gibt es nur für den Osterhasen.
Die Bevölkerung verhält sich diszipliniert. Bislang seien 376 Verstösse gegen die Ausgangssperre verzeichnet worden, sagte der oberste Polizeichef des Landes am Mittwoch. Der prominenteste «Sünder» war ausgerechnet der Gesundheitsminister. David Clark war mit seiner Familie an den Strand gefahren. Reumütig bezeichnete er sich als «Idioten» und bot seinen Rücktritt an.
Jacinda Ardern erklärte, unter normalen Umständen hätte sie den Minister entlassen. «Sein Verhalten war falsch und lässt sich nicht entschuldigen.» Doch der Kampf gegen das Coronavirus lasse «keine massiven Störungen im Gesundheitsbereich» sowie bei den Reaktionen auf die Krise zu. Weshalb David Clark mit einem blauen Auge davonkam.
Als abgelegener Inselstaat kann Neuseeland sich relativ einfach gegenüber der Aussenwelt abschotten. Die grosse Frage lautet deshalb, wie man das Virus nach der «Ausrottung» vom Land fernhalten kann, wenn die Grenzen wieder geöffnet werden. Jacinda Arderns Regierung erwägt eine obligatorische Quarantäne für Einreisende, von der auch Neuseeländer betroffen wären.
Die wichtige Tourismus-Branche wird dies kaum freuen. Der Epidemiologe Michael Baker äusserte sich in der «Washington Post» jedoch sehr positiv über die Premierministerin, die bereits nach dem Massaker von Christchurch für ihr umsichtiges Auftreten viel Lob erhalten hatte. Ardern sei «entschieden und unmissverständlich» vorgegangen und habe sich «der Bedrohung gestellt».
Solange NZ den Virus in den Städten (v.a. Auckland) kontrollieren kann, wird die Gefahr eher klein bleiben. Wie lange das funktioniert, wird sich zeigen.