200-Meter-Welle: Mega-Tsunami wälzt 9 Tage lang durch Arktis – und (fast) niemand merkt es
Den von Menschen gemachten Klimawandel gibt es nicht? Das behaupten einige Skeptiker nach wie vor hartnäckig. Wissenschaftler sehen das seit vielen Jahren ganz anders – und sie sammeln immer mehr Belege, die die Leugner eigentlich umstimmen sollten. Jüngstes Beispiel ist die Untersuchung von Wissenschaftlern, Seismologen, Ozeanografen, Geologen und anderen, zu einem Ereignis in Grönland: Dort war im vergangenen September eine gewaltige Erosion aufgezeichnet worden.
Es handelte sich um die Spitze eines Gletschers, die abgebrochen und ins Meer gestürzt war. Über den Zeitraum von neun Tagen zeichneten Seismografen an verschiedenen Standorten der Welt mysteriöse Signale auf; wie sich herausstellte, waren es Erschütterungen, die der Gletschersturz ausgelöst hatte. Unter anderem produzierte die gewaltige Erosion einen «Mega-Tsunami», der auch Teile einer Forschungsstation auf Ella Island im Nordwesten Grönlands traf. Dabei wurde eine vom dänischen Militär genutzte Forschungsstation zerstört.
“Those vibrations travelled from Greenland to Antarctica in less than an hour. So we’ve seen an impact from climate change impacting the entire world within just an hour.”@Julieoz836https://t.co/VaIfqtfCjw
— 💧ONE PLANET (@ONEPLANETparty) September 12, 2024
Die Wissenschaftler untersuchten ein Jahr lang die Auswirkungen des Naturereignisses – und sie kamen zu erstaunlichen Schlüssen, die sie nun im Wissenschaftsjournal «Science» veröffentlichten. So kam es in der Folge der Gletschererosion zu einer massiven Flutwelle, die in der Spitze bis zu 200 Meter hoch und bis zu zwei Kilometer breit gewesen sein soll.
Erdmassen treffen im 90-Grad-Winkel auf das Wasser
Die Forscher konnten im Zusammenhang mit dem Tsunami eine ganze Kette an Ereignisse rekonstruieren, deren Ursache die gestiegenen Temperaturen in der Arktis sind. Demnach führte die ungewöhnliche Wärme in der Region dazu, dass zunächst die Zunge des Gletschers abbrach. Dadurch wurde der ganze Berg instabil, seine Spitze – so hoch wie ein Wolkenkratzer – brach schliesslich ab und schickte eine Lawine an Geröll und Eis in den Dickson Fjord, was wiederum den Tsunami zur Folge hatte. Insgesamt sollen in kurzer Zeit 33 Millionen Kubikmeter Geröll ins Meer gestürzt sein. Das ist der Inhalt von 13'200 olympischen Schwimmbecken.
Und noch etwas konnten die Wissenschaftler herausfinden: Weil die Geröllmassen das Meer nahezu in einem 90-Grad-Winkel trafen, der Fjord zudem von steilen Wänden umgeben ist, die wie ein Becken wirkten, rollten die Wassermassen anschliessend vor und zurück – und zwar neun Tage lang. So lange war der Tsunami aktiv. «Niemand hat so etwas jemals zuvor beobachtet», sagte der Geologe Kristian Svennevig, der Hauptautor der Studie, laut einem Statement der University of California in San Diego.
Es sei ein Wunder, dass niemand durch den Tsunami zu Schaden gekommen ist, so Svennevig. Erst wenige Tage vor dem Ereignis war ein Kreuzfahrtschiff in der Gegend und hatte unter anderem auf Ella Island Halt gemacht. Die Arktis-Touristen waren sogar an Land gegangen. Als der Tsunami die Insel wenige Tage später traf, müssen die Flutwellen laut Berechnungen der Wissenschaftler immer noch vier Meter hoch gewesen sein. «Es war pures Glück, dass niemand dort war, als es passierte», sagte Svennevig.
Alice Gabriel, Co-Autor der Studie, betonte in dem Statement, dass der Klimawandel für die Erosion und die nachfolgende Kettenreaktion verantwortlich sei.